Besucher einer Therme in Island.
So stellen sich viele Menschen Island vor. Doch der schöne Schein trügt / picture alliance

Island - Insel der Verklärung

Vor zehn Jahren stand Island kurz vor dem Bankrott, heute ist es reich wie nie zuvor – und beliebt wie wohl kein anderes Land auf der Welt. Aber der Schein trügt, die alten Eliten sind weiter an der Macht. Und die neue Verfassung wurde nie umgesetzt

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Clemens Bomsdorf ist Korrespondent für Nordeuropa und Mitglied beim Netzwerk Weltreporter

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Da wollte ich schon immer mal hin!“ „Diese tollen Menschen, schau dir deren Fußballmannschaft bei der WM an!“ „Stimmt es, dass alle miteinander verwandt sind und sich duzen? Wie klasse!“ Wer in Deutschland das Wort Island in den Mund nimmt, muss mit euphorischen Reaktionen wie diesen rechnen – egal, ob er von dort kommt oder nur darüber schreibt. „Ich habe längst angefangen, mich nicht mehr als Isländerin auszugeben, wenn ich neue Leute treffe. Es nervt einfach, so verklärt zu werden“, sagt Guðný Guðmundsdóttir. Die Musikerin lebt seit mehr als zehn Jahren in Deutschland und arbeitet mit Basis in Berlin als Kulturmanagerin. Die Liebe der Deutschen zu Island, so hat sie festgestellt, folgt einer romantischen Idee und der Sehnsucht nach einer besseren Welt: „Sie ist viel von der unberührten Natur dort getrieben. Die Islandsagen gehören auch dazu.“ Deshalb werde Island häufig als etwas Besseres, Erhabenes gesehen – mit fatalen Folgen: „Weil alle Island lieben und die Medien fast nur Positives berichten, haben auch wir Isländer selber kein realistisches Bild mehr von uns. Und das ist gefährlich“, so Guðmundsdóttir.

Weltbekanntes Wahrzeichen: Island-Ponys werden von den Isländern selbst als „Island-Pferde“ bezeichnet
Weltbekanntes Wahrzeichen: Island-Ponys werden von den Isländern selbst als „Island-Pferde“ bezeichnet

Island, diese nordatlantische Insel mit nur 350 000 Einwohnern, dafür aber voller Wasserfälle, Moos und Geysire, ist die Traumreiseziel gewordene Utopie nicht nur etlicher Deutscher und anderer Europäer, sondern auch vieler Menschen in der ganzen westlichen Welt. Vergangenes Jahr zählte Island mehr als sieben Millionen Übernachtungen durch ausländische Touristen. Sie kamen wegen Björk, wegen der Natur, wegen der Fußball-Nationalelf, die von einem Zahnarzt trainiert wird. Island hat keine Armee und keine Atomkraft, dafür aber Elfen und eine Premierministerin, die einfach „die Katrín“ ist und nicht nur viel jünger als Angela Merkel, sondern auch viel cooler. Auch das sind alles Gründe, warum Island so beliebt ist – so sehr, dass es schon beinahe krankhaft scheint.

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Christa Wallau | Di., 11. September 2018 - 10:44

Isländer und Isländerinnen sind Menschen,
wie es sie überall auf der Welt gibt - mit allen
Stärken und Schwächen.
"Der Mensch" wird sich als solcher niemals ändern, und besonders seine Veranlagung zur wachsenden Gier nach Macht und Geld werden bleiben bis ans Ende der Tage. Davon bin ich überzeugt.

Wenn Reichtum und Macht ein gewisses Maß überschritten haben, schwinden Empathie und moralisches Bewußtsein.

Die Aussage: "Reich-Werden ist wie Salzwasser trinken - je mehr man schluckt, umso durstiger wird man" und auch das Gedichtwort:
"Je mehr er hat, je mehr er will. Nie schweigen seine
Klagen still" trifft die menschliche Natur genau.

Es wird wohl ein immerwährender, harter Kampf bleiben, für die weniger Begüterten einigermaßen gerechte Lebensverhältnisse zu erstreiten und dann auch durch wachsames, kluges Handeln zu erhalten - eine Sisyphos-Arbeit!

wolfgang spremberg | Di., 11. September 2018 - 17:29

Der große Genetiker W.Schäuble meinte Europa, ca. 400 Millionen Einwohner, braucht Zuwanderung, weil es sonst degeneriert. Die Isländer stammen, glaube ich, fast alle von ein paar tausend Einwanderern aus Norwegen ab....