- Donnerschlag für den Feminismus
Vor hundert Jahren, am 6. Februar 1918 um 20 Uhr, wurde das Gesetz zum Frauenwahlrecht in Großbritannien verabschiedet. Deutschland zog bald nach. Die Suffragetten kämpften dafür. Was würden sie heute zur #metoo-Debatte sagen?
„Wenn der Kampf vorbei ist, wird man sich rückblickend wundern, mit welcher Blindheit die Regierungen geschlagen waren, diese so simple und offensichtliche Maßnahme so lange blockiert zu haben”, schrieb die Frauenrechtlerin Emmeline Pankhurst 1911. Es dauerte noch einige Hungerstreiks und einen Weltkrieg, bis die oberste Suffragette endlich ihren Willen durchgesetzt hatte. Der „Representation of the People Act 1918” wurde um 20 Uhr am 6. Februar 1918 in Großbritannien verabschiedet. Das Gesetz gestand allen Männer ab 21 und allen Frauen ab 30 Jahren (!) das Wahlrecht zu.
Seit hundert Jahren dürfen Frauen in Großbritannien also wählen und Emmeline Pankhurst hat recht behalten: Es ist eine Selbstverständlichkeit geworden, dass Frauen gleiche Rechte wie Männer haben. Zumindest in Großbritannien. Und in Deutschland, wo die Frauen im November 1918 das Wahlrecht erhielten.
Der Kampf ist noch nicht vorbei
Etwas länger hatte es in Frankreich gedauert – dort waren Frauen zwar kurzfristig während der französischen Revolution gleichgestellt gewesen, dann aber schafften es die Gesetzgeber erst 1945, Frauen an die Wahlurnen zu lassen. Ganz zu schweigen vom Schweizer Kanton Appenzell Innerrhoden. Die Eidgenossen mussten 1990 vom Bundesgericht gezwungen werden, dass auch Frauen einen Wahlzettel abgeben durften. In Saudi-Arabien schleppt sich die Reformbewegung immer noch dahin. Frauen dürfen zwar seit 2015 wählen – allerdings nur bei Gemeinderatswahlen.
#Stillmarching heißt deshalb die Losung der britischen Feministinnen um Emmelines Urenkelin Helen Pankhurst: „Die Suffragetten haben viel geschafft, aber es bleibt auf der ganzen Welt noch einiges zu tun”, sagt die Autorin, die wie ihre Großmutter für Frauenrechte streitet. Ihr Buch „Deeds not Words“ („Taten, nicht Worte”) zeichnet die weltweite Geschichte des Feminismus nach. Für den heutigen Dienstag um 20.00 Uhr hat sie einen „Thunderclap“ – einen Donnerschlag im Internet – organisiert, bei dem vier Millionen Menschen in Großbritannien und der weiteren Welt mitmachen sollen : „Wir wollen damit über Parteigrenzen hinweg die politische Partizipation von Frauen fördern.”
Erste Frauen auf dem Parlamentsplatz
Zu den Unterstützern des feministischen Donnerwetters im Internet zählen neben dem Chef der Labour-Party Jeremy Corbyn auch die konservative Premierministerin Theresa May. In einer Rede in Manchester anlässlich des Jahrestages feierte May den „Heroismus der Suffragetten-Bewegung”. Unter Umständen träumt die umkämpfte Regierungschefin selbst davon, ein Stück weit aggressiver agieren zu können. Die Brexit-Verhandlungen mit den Europafeinden in ihrer eigenen Partei zehren an der Pastorentochter. Einen Hungerstreik, um den wildgewordenen Brexitieren einen Deal abzuzwingen, erwägt May wohl nicht.
Das Vorgehen der Suffragetten war wegen deren Militanz lange Zeit umstritten. Dass die Frauen bei Demonstrationen Fensterscheiben einschlugen, in Museen Kunstwerke beschmierten und Polizisten anspuckten, hielten viele Briten nicht für die feine Art. Erst über freundliche Darstellungen von Emmeline Pankhurst, verkörpert etwa von Meryl Street im Film „Suffragette” von 2015, haben die militanten Frauenrechtlerinnen inzwischen die Anerkennung der Mehrheit erlangt.
Dennoch wird nun nicht Emmeline Pankhurst, sondern der moderateren Millicent Fawcett ein Denkmal gesetzt. Als erste Frau wird ihr Abbild auf dem Londoner Parlamentsplatz neben nationalen Helden wie Winston Churchill stehen. Fawcett sprach sich gegen Gewalt aus und in dem Dachverband der Frauenrechtlerinnen, den sie anführte, waren im Unterschied zu den Suffragetten Männer erlaubt. In Bronze gegossen wird Fawcett von der Künstlerin Gillian Wearing. Auch sie ist eine erste Frau. Die erste, die einen Auftrag für eine Arbeit erhalten hat, die auf dem Parlamentsplatz vor dem Westminster-Palast stehen wird.
„Ich habe die Statue für Millicent Fawcett immer unterstützt”, sagt Helen Pankhurst dazu, „schließlich geht es darum, die Arbeit aller Frauenrechtlerinnen zu ehren.” Kritik erntete Wearing bisher nur aus künstlerischer Sicht. Die Statue von Millicent Fawcett hält ein Transparent in Händen, auf dem der Slogan „Courage calls for Courage everywhere” (etwa: „Courage zieht Courage nach sich”) steht. Es sähe aus wie ein Stück Wäsche, spotteten böse Zungen, und so, als wäre Fawcett gerade beim Aufhängen derselben erwischt worden. Den Slogan aber prägte Fawcett in einer Rede, nachdem die Suffragette Emily Davidson aus Protest bei einem Derby vor das Pferd von König Georg V. gesprungen und zu Tode getrampelt worden war.
Was heißt Feminismus heute?
Die Feministinnen von 2018 sind jedenfalls nicht im Blick auf die Vergangenheit ihrer Bewegung gespalten. Zwischen den Generationen der heutigen vierten Welle der Frauenrechtlerinnen und den betagteren Heldinnen der 68er-Bewegung dreht sich der Streit eher darum, was Feminismus heute kann und können soll. Kämpft man um eigene Toiletten für Transgender-Menschen? Sind Quoten in den Vorständen von Firmen und Parteien sinnvoll? Und wer soll das entscheiden? Helen Pankhurst stimmt versöhnliche Töne an: „Mein Instinkt sagt mir, wir sollten den jungen Feministinnen zuhören. Sie sind schließlich die, die heute an der Front stehen.”
Das meint sie auch in Hinsicht auf die #metoo-Debatte. Schauspielerinnen wie Catherine Deneuve, die von vielen Frauen dafür kritisiert worden war, dass sie einen „neuen Puritanismus“ beklagt hatte, seien eben in anderen Zeiten groß geworden als ihre jüngeren Kolleginnen. Was für ältere Frauen und Männer noch irgendwie durchgegangen wäre, sei für jüngere heute oft nicht mehr in Ordnung. Vor allem, wenn Männer wie Harvey Weinstein oder Dieter Wedel ihre Machtpositionen ausgenützt hätten, um Frauen sexuell zu belästigen.
Wobei gesellschaftliche Entwicklungen ja oft auch widersprüchlich verlaufen. Im Vereinigten Königreich sitzt seit 64 Jahren mit Queen Elizabeth II. eine Frau auf dem Thron. In 10 Downing Street residiert mit Theresa May eine konservative feministische Frau. Gleichzeitig ist es möglich, wie die Financial Times Ende Januar 2018 aufdeckte, dass es 33 Jahre lang ein jährliches Charity-Dinner des „Presidents Club“ gab, bei dem nur Männer als Gäste zugelassen waren und denen es erlaubt war, die knapp bekleideten Hostessen zu begrapschen. „Willkommen zu der politisch unkorrektesten Veranstaltung des Jahres”, habe der Moderator des Abends noch in diesem Januar begeistert in den Ballsaal des feinen Dorchester Hotels gerufen. Nach dem Bericht in der Financial Times wurde der Wohltätigkeitsverein geschlossen.
Für Helen Pankhurst ist Feminismus deshalb auch 2018 in Europa noch immer eine selbstverständliche Notwendigkeit. „Nicht die ganze Gesellschaft bewegt sich immer zur gleichen Zeit in eine progressive Richtung”. Manchmal müsse eben eine Gruppe voranstürmen. Wie ihre Urgroßmutter und die anderen Suffragetten vor hundert Jahren.
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In einem Westberliner "Frauenbuchladen" wurde mir der Eintritt verwehrt in den siebziger Jahren, kurz zuvor hatte ich meine Freundin auf "Schattenmund" aufmerksam gemacht gehabt.
Der "Geschlechterkampf" geht weiter. Gleichstellung heißt offenbar meTOO mit "drittem Geschlecht"?
"Frau vergewaltigt Frau".
Selbst "Rechtschreibreformen" schaffen den UNTERSCHIED zwischen Adam & Eva nicht ab:
Die Bemühung, Frau klein zu schreiben, hat man (ohne Eigenschaften ?) auch nicht geschafft. Im Plural wird es lustiger: Liebe SPDrInnen, unsere dreigeschlechtliche Genossenschaft schafft täglich wenigsten 5 Vögel auf 1 Krokodil!
JUSOinnen inbegriffen ...
Interessant an der heutigen Frauenbewegung finde ich, daß es- abgesehen von verschiedenen Standpunkten und Strömungen innerhalb der Bewegung- so zu sein scheint, daß sich viele Frauen gar nicht von ihren Vorreiterlnnen vertreten fühlen, sich im Gegenteil vielfach wieder ins Konservative flüchten oder den Thesen und Meinungen darüber, was ihnen guttun würde, widersprechen.
Insbesondere- das beobachtet man ja schon seit Jahren, jetzt in der metoo-Debatte wieder ganz besonders: Viele Frauen sind mit anderen Frauen nicht solidarisch, sondern nehmen, wie 90 Prozent der sich äußernden Männer auch deren abwertendende Meinung über die an, die sich als Opfer sexueller Gewalt outen, an.
Woher kommt so etwas?
Wenn ich den Gesamtton des Artikels richtig verstanden habe, finden Sie es tadelnswert, wenn Frauen sich von ihren "Vorreiterinnen" nicht vertreten fühlen. Meines Wissens haben diese "Vorreiterinnen" kein Mandat für "die Frau" zu sprechen, sie vertreten ihre persönlichen Ansichten. Warum soll man als Frau verpflichtet sein, deren Auffassungen nachzuplappern? Schon in den 1970er Jahren hat es mich an Krawallnudel Schwarzer gestört, dass sie so tat als vertrete sie "die" Frauen. Ganz schön herrschsüchtig. Und wenn daraufhin Männer mir unterstellten, ich hätte die gleichen Ansichten wie Frau Schwarzer, weil ich ja eine Frau sei ... Und als Gegensatz wird dann sogenanntes "Flüchten in Konservatismus" moniert. Verflixt nochmal, Frauen sind Individuen, können eigenständig denken und haben als solche auch zu "Frauenthemen" selbstverständlich unterschiedliche Ansichten.
Na, klar. Ich versuchte zu sagen, daß sich die Lage sehr verwirrend und komplex darstellt, und daß Frauen und Frauenbewegung mitunter zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sein können, sich ja oft auch auch die Ansichten innerhalb der Frauenbewegung manchmal sehr von einander unterscheiden.
"Warum soll man als Frau verpflichtet sein, deren Auffassungen nachzuplappern?"
Naja weil diese Frauen öffentliche Aufmerksamkeit genießen bzw. genossen und für die gleiche Sache kämpfen. Es ist schon ihr gutes Recht Frau Alice Schwarzer nicht in der Sache zu unterstützen, weil "ganz schön herrschsüchtig".
"Verflixt nochmal, Frauen sind Individuen, können eigenständig denken und haben als solche auch zu "Frauenthemen" selbstverständlich unterschiedliche Ansichten." Devide and conquer halt. Ja, alle Frauen sind in Wahrheit Einhörner ohne Schnittmenge.
Ernsthaft: Das auch nur eine Frau in diesem Land schlecht über Frau Schwarzer redet zeigt nur, wie weit wir noch auf dem Weg zum Feminismu sind (nee, ich finde Newton nicht toll, weil der war ja sozial irgendwie komisch ... würde kein Mann auf der Welt sagen). Es kommt NUR auf die Leistungen von Frau Schwarzer an und nicht auf ihren Charakter.
steht nicht alleine im Raum.
Ihr vorausgegangen ist der Pädophilieskandal in der Katholischen Kirche. Wahrscheinlich gab es immer wieder Anlässe, wovon dieser sich nun ausweitet, weil bislang eher unbearbeitetes Feld.
Die Debatte mag ins Leben gerufen worden sein, um evtl. besser Trump am Zeuge flicken zu können, aber solche "Pilotprojekte" lassen sich nicht beliebig gestalten, wenn ein "System" hinter den Vorkommnissen sichtbar wird.
Deshalb rate ich tendenziell falsch Betroffenen, sich jetzt wärmer anzuziehen.
Vor Übertreibungen muss gewarnt werden dürfen, aber es könnte auch sein, dass die Gerechtigkeit in ihrem Lauf nicht aufgehalten werden kann.
Die Aufarbeitung schützt langfristig nicht nur Frauen, sondern auch Männer und Kinder.
Dann lässt man Türen eben offen, und installiert an jedem Aufzug eine Kamera.
Ich bin der letzte, der Gewalt gegen Frauen kleinreden möchte, aber möchten Sie in so einer mißtrauischen Gesellschaft leben, in der man Maßnahmen ergreift, die darauf basieren, immer erstmal das schlechte unterstellen.
Die Beweisbarkeit von Übergriffen, wenn es keine Zeugen gab und Aussage gegen Aussage steht, wird weiterhin ein großes Thema bleiben, da es irgendwie unlösbar ist.
Ich bewundere alle Opfer sexueller Gewalt, die sich trauen, diese zur Anklage zu bringen. Und wünsche allen, die das immer hämisch und abwertend kommentieren, daß sie nicht selbst mal in so eine Lage geraten.
In Murray Rothbards soeben posthum erschienenem Buch "The Progressive Era" liest man, dass Frauen vor allem das Wahlrecht forderten, weil sie nicht einsahen, dass sogar Arme und Fremde wählen durften. Das Frauenwahlrecht war somit, im negativen Sinne, weniger ein Schutz vor den eigenen Männern, sondern eine Abgrenzung vor den Abgegrenzten. Allerdings war das Frauenwahlrecht auch, im positiven Sinne, eine weitere Individualisierung der Gesellschaft, was sowohl in der christlichen als auch der aufklärerischen Tradition steht und die derzeit leider ins Stocken gekommen ist.
Echte Feministinnen würden heutzutage von der #MeToo Kampagne nicht viel halten, weil sie kaum die Mainstreammedien lesen würden, in denen das Thema breitgetreten wird. Stattdessen würden sie ein Ende jenes Wohlfahrtsstaates fordern, der derzeit bereits 30% aller Kinder ohne Vater aufwachsen lässt. Echte Feministinnen würden für individuelle Freiheit und Verantwortung plädieren.
bei einem "grabschenden Herrenclub" um die "politisch unkorrekteste Veranstaltung des Jahres" gehandelt haben soll, ist zu bezweifeln. Raheem Kassam berichtet, wie er in Londonder Moschees erschreckte, als dort am 11. September 2001 die Terroranschläge gefeiert wurden.
Und den Frauen sei das Wahlrecht zwar gegönnt, aber ein solcher Artikel hier hätte auch mindestens einen kritischen Aspekt aufgreifen müssen. Welchen ... das können Sie sich aussuchen. Es gibt nicht wenige... genau wie bei Männern... Aber es gibt sie...
war ich schon als kleiner Bub ein Frauenrechtler.
Als "Psychoanalytiker" amüsiert mich im Grunde, wie aus dem nicht vorhandenen Penisneid plötzlich mitten in einem Wort ein großes i als Geschlechter"merkmal" aufkreuzt: unbewusste Phallusverehrung? - Oder das Schlagwort von der "Benachteiligung": m.W. war Madame Curie in den zwanziger Jahren der erste Mensch, der zwei Nobel-Preise bekam. Kein Mann konnte das vorher ..!
zum Cicero-Artikel über Blaustrümpfe ist auffallend:
"wesentlich mehr Männer als Frauen" äußern sich zu Wort ...
Und meine Frau sagte: "Du unterdrückst mich schon immer damit, deinen Senf in Leserbriefe eingeben zu müssen, statt den Enkelkindern einen Brief zu schreiben!"