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Menschenrechte - Welche Folgen hat das Urteil im Fall Timoschenko?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Ukraine im Fall Julia Timoschenko verurteilt. Was bedeutet die Entscheidung für die Zukunft des Landes und für das Verhältnis zur EU?

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Salzen, Claudia von

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Julia Timoschenko hält die Justiz, Ärzte und Politiker in Atem – in der Ukraine und im Ausland. Mittlerweile blickt ganz Europa auf den Fall dieser Frau. Denn von der Behandlung der inhaftierten Ex-Regierungschefin und Oppositionsführerin macht die Europäische Union die Annäherung des Landes an die EU abhängig. Mit Spannung wurde daher erwartet, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sich im Verfahren „Timoschenko gegen die Ukraine“ äußert. Er verurteilte die Ukraine wegen der Untersuchungshaft – gab Timoschenko aber nicht in allen Punkten recht.

Welche Folgen hat das Urteil?

In Straßburg hatte sich Timoschenkos Anwalt Sergej Wlasenko direkt an die Richter gewandt: „Es gibt keine unabhängige Justiz in der Ukraine. Die einzige Hoffnung von Julia Timoschenko sind Sie“, sagte er während einer Anhörung im August vergangenen Jahres. Timoschenko und ihre Unterstützer gehen davon aus, dass das Vorgehen der Justiz gegen die Ex-Regierungschefin zum Ziel hat, die wichtigste Gegnerin von Präsident Viktor Janukowitsch aus dem politischen Leben zu drängen, und glauben daher nicht an Gerechtigkeit vor einem ukrainischen Gericht.

Nach dem Straßburger Urteil rief Anwalt Wlasenko den Präsidenten auf, Timoschenko sofort freizulassen. Deren Tochter Jewgenija sprach von einem „ersten Schritt“ zur Freilassung. Und die Gefangene selbst ließ aus der Haft erklären, sie sei „nach dem Urteil des Gerichts bereits moralisch frei“. Doch allein auf der Grundlage des Urteils ist eine Freilassung nicht zu erwarten. Denn das Gericht hat nur die Untersuchungshaft sowie die Bedingungen im Gefängnis beurteilt. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Strafverfahrens und damit auch der derzeitigen Haft sind Gegenstand eines zweiten Verfahrens. Wann der EGMR in diesem Fall ein Urteil sprechen werde, sei noch nicht absehbar, sagte eine Sprecherin.

Die ukrainische Führung demonstrierte vor wenigen Tagen, dass sie nicht daran denkt, Timoschenko freizulassen. Die Begnadigungskommission beim Präsidenten befasste sich mit einem Gnadengesuch mehrerer Abgeordneter für Timoschenko. Die Kommission lehnte eine Begnadigung ab, weil noch weitere Strafverfahren gegen sie liefen. Die 52-Jährige muss sich wegen Steuerhinterziehung verantworten. Außerdem wirft die Generalstaatsanwaltschaft ihr die Beteiligung an einem Auftragsmord im Jahr 1996 vor.

Zweite Seite: Medizinische Versorgung war angemessen, urteilten die Richter

Was hat das Gericht beanstandet?

Das Urteil belegt, dass Timoschenko in der Ukraine tatsächlich Willkürjustiz ausgesetzt war. Die sieben Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die im August 2011 verhängte Untersuchungshaft „willkürlich und rechtswidrig“ war. So sei die Haft auf unbestimmte Zeit angeordnet worden, und die Rechtmäßigkeit sei nicht angemessen geprüft worden. Der Richter in Kiew hatte die Untersuchungshaft mit dem verächtlichen Verhalten der Angeklagten während des Prozesses begründet. Die eigentliche Absicht sei offenbar gewesen, sie für den mangelnden Respekt vor dem Gericht zu bestrafen, so das Fazit der Straßburger Richter. Damit verletze die Anordnung der Untersuchungshaft Artikel fünf der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf Freiheit garantiert. Das Straßburger Gericht geht aber nicht so weit, die Inhaftierung als „politisch motiviert“ zu bezeichnen. Statt dessen ist im Urteil nur von „anderen Gründen“ die Rede. Drei Richter hatten sich deutlichere Worte gewünscht: In einer Stellungnahme kritisieren sie, dass die Mehrheit der Richter nicht auf die Hauptbeschwerde Timoschenkos einging, wonach ihre Haft dem Ziel diente, ihre Teilnahme an der Parlamentswahl im Oktober 2012 zu verhindern.

Das Urteil belegt, dass Timoschenko in der Ukraine tatsächlich Willkürjustiz ausgesetzt war. Die sieben Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die im August 2011 verhängte Untersuchungshaft „willkürlich und rechtswidrig“ war. So sei die Haft auf unbestimmte Zeit angeordnet worden, und die Rechtmäßigkeit sei nicht angemessen geprüft worden. Der Richter in Kiew hatte die Untersuchungshaft mit dem verächtlichen Verhalten der Angeklagten während des Prozesses begründet. Die eigentliche Absicht sei offenbar gewesen, sie für den mangelnden Respekt vor dem Gericht zu bestrafen, so das Fazit der Straßburger Richter. Damit verletze die Anordnung der Untersuchungshaft Artikel fünf der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf Freiheit garantiert. Das Straßburger Gericht geht aber nicht so weit, die Inhaftierung als „politisch motiviert“ zu bezeichnen. Statt dessen ist im Urteil nur von „anderen Gründen“ die Rede. Drei Richter hatten sich deutlichere Worte gewünscht: In einer Stellungnahme kritisieren sie, dass die Mehrheit der Richter nicht auf die Hauptbeschwerde Timoschenkos einging, wonach ihre Haft dem Ziel diente, ihre Teilnahme an der Parlamentswahl im Oktober 2012 zu verhindern.

Wie beurteilte das Gericht die Haftbedingungen und die medizinische Versorgung?

Die Richter fanden in Timoschenkos Krankengeschichte keinen Vorfall, „der ein solches völliges Fehlen des Vertrauens in die Behörden erklären könnte“. Aus den umfangreichen Fallunterlagen gehe hervor, „dass die Gesundheit der Beschwerdeführerin beträchtliche Aufmerksamkeit von den Behörden erhielt“ – und dass deren Bemühungen weit über die Gesundheitsversorgung für normale Häftlinge hinausgingen. Allerdings habe sie jede Behandlung abgelehnt. Timoschenkos Beschwerde, sie sei bei der Verlegung ins Krankenhaus misshandelt worden, ließ sich nach Auffassung des Gerichts nicht zweifelsfrei überprüfen, weil sie auch eine Untersuchung der Blutergüsse verweigert hatte.

Darin waren sich die Richter aber nicht einig: Drei Richter, darunter der Gerichtspräsident Dean Spielmann, äußerten eine abweichende Meinung. Sie waren der Ansicht, dass die Regierung keine plausible Erklärung für die Verletzungen gegeben habe und dass durchaus ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention vorlag.

Timoschenkos Beschwerde, die Haftbedingungen kämen einer erniedrigenden Behandlung gleich, wies der EGMR als unzulässig zurück. Sie hatte unter anderem bemängelt, dass es kein warmes Wasser gab, Tag und Nacht das Licht eingeschaltet blieb, dass sie nur einmal pro Woche duschen durfte und die Bettwäsche nicht regelmäßig gewechselt wurde. Die Situation der Beschwerdeführerin in der Untersuchungshaft könne zwar „unbequem“ gewesen sein, urteilten die Richter, aber sie sahen die Schwelle zur Menschenrechtsverletzung nicht überschritten. Auch die Beschwerde über mangelhafte medizinische Versorgung wiesen die Richter ab. Timoschenkos Gesundheitszustand hatte das Land monatelang beschäftigt. Die Behörden verlegten sie erst ins Krankenhaus, nachdem der EGMR eine angemessene medizinische Versorgung angeordnet hatte. Am Ende übernahmen Ärzte der Berliner Charité die Behandlung ihres Bandscheibenvorfalls, weil sie sich von den Gefängnisärzten nicht untersuchen lassen wollte.

Dritte Seite: Der politische Druck auf die Ukraine wächst...

Was muss die Ukraine jetzt tun?
Justizminister Alexander Lawrinowitsch betonte, dass sich das Urteil nur auf die Untersuchungshaft bezieht – und nicht die Freilassung einer Person zur Folge haben könne, die eine Haftstrafe absitzt. Ein Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft wies darauf hin, dass die Untersuchungshaft nach der alten Strafprozessordnung angeordnet worden sei, die noch aus der Sowjetunion stammte. Jetzt sei aber bereits eine neue Strafprozessordnung in Kraft.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil beide Seiten innerhalb von drei Monaten Rechtsmittel einlegen können. Doch der politische Druck auf Janukowitsch wächst. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und Erweiterungskommissar Stefan Füle forderten die ukrainischen Behörden auf, „die Situation von Frau Timoschenko gründlich zu überprüfen“.

Was bedeutet der Fall für das Verhältnis zwischen der EU und der Ukraine?
Die EU macht von Timoschenkos Schicksal den Ausbau der Beziehungen zur Ukraine abhängig. Die geplante Annäherung wurde gestoppt, ein fertig verhandeltes Assoziierungsabkommen, das auch eine Freihandelszone vorsieht, blieb in der Schublade. „Weil der Fall von Julia Timoschenko nicht gelöst ist, kann das Assoziierungsabkommen nicht unterschrieben werden“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch vor zwei Wochen. Die EU mahnte beim Gipfel mit der Ukraine im Februar Fortschritte bis spätestens Mai an. Denn wenn das Abkommen tatsächlich beim Gipfel der Östlichen Partnerschaft im November unterzeichnet werden soll, müsste die Führung in Kiew bald handeln. Die Frage ist nun, wie ernst Janukowitsch es mit der Annäherung an die EU meint und welchen politischen Preis er zu zahlen bereit ist.

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