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() Wolfgang Bernhard
Ein Gorbatschow für VW
Gewaltige Hoffnungen ruhen auf Wolfgang Bernhard. Der Manager, der Mercedes einen „Sanierungsfall“ nannte und deshalb den Konzern verlassen musste,soll jetzt für neuen Schwung bei VW sorgen. Kann ein Mann einen Leviathan bezwingen?
Einhundert Tage Schweigsamkeit hat Wolfgang Bernhard, 44, sich verordnet. Keine Reden, keine Interviews, keine Pressetermine. Erst Taten, dann Worte, und nicht umgekehrt, wie bei seinem Ex-Arbeitgeber DaimlerChrysler. Und weil er schon immer schnell war, hat Bernhard, geboren im Allgäu, studiert in Darmstadt (Wirtschaftsingenieur), globalisiert bei McKinsey und natürlich bei Mercedes, bereits am 31. Januar seinen ersten Arbeitstag in der VW-Vorstandsetage absolviert, einen Tag vor Vertragsbeginn. In Wolfsburg drängt die Zeit.
Es drängt auch das Kapital. Frenetisch bejubelte es am 6. Oktober 2004 die Verpflichtung Bernhards als obersten Verantwortlichen für die Marken VW, Skoda, Bentley und Bugatti. Acht Prozent Kurssteigerung für die VW-Aktie innerhalb von wenigen Minuten – die Börse benahm sich wie 14-Jährige beim Robbie-Williams-Konzert. Der Mann, der Chrysler auf Gewinnkurs zurechtstutzte, der Mercedes einen „Sanierungsfall“ nannte, bei dem man „bis zu den Knien im Blut waten“ müsse und der deshalb vom Betriebsrat abgeschossen wurde, kurz bevor er Mercedes-Chef werden sollte: Dieser Mann würde die verkrustete und viel zu teuer produzierende Volkswagen-Gruppe auf den Pfad der kapitalistischen Tugend zurückführen. „Ein harter Sanierer“ (Analyst 1), „jemand, der rigoros durchgreift“ (Analyst 2), das sei „genau das, was VW jetzt braucht“ (Analyst 3).
Gorbi-Feeling an der Börse: So wie bei der Wahl Michael Gorbatschows zum KPdSU-Generalsekretär am 11. März 1985 weckt eine einzige Personalie die Hoffnung, dass ein Reformprozess in Gang kommt, der einen scheinbar unbezwingbaren Moloch umstülpt. In der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten begann tatsächlich ein Reformprozess – der vier Jahre später erst den Ostblock, dann die DDR und schließlich auch die Sowjetunion selbst auflöste. Die Hoffnungen, die in den Reformer gesetzt worden waren, hatten sich für fast alle erfüllt. Außer für die Russen natürlich. Sie verloren große Teile ihres Imperiums und ihren Supermacht-Status. Wolfgang Bernhard, der Hoffnungsträger, der Gorbatschow von Wolfsburg – und der Anfang vom Ende des Volkswagen-Imperiums?
Sein Chef, Bernd Pischetsrieder, hat schon mal mit Glasnost angefangen. Die Wolfsburger Zentrale soll in diesem Jahr so umgebaut werden, dass jeder Angestellte und jeder Manager hinterher genau weiß, ob er für den Gesamtkonzern arbeitet oder nur für die Marke VW. Eine eigentlich selbstverständliche und in jedem Großunternehmen längst praktizierte Trennung, nur eben bei Volkswagen nicht. Mit dieser Operation will Pischetsrieder die Zentrale beherrschbar, zumindest überschaubar machen. Denn noch genießt dieses Privileg allein der Betriebsrat: Das engmaschige Netz der etwa 2000 IG-Metall-Vertrauensleute allein am Standort Wolfsburg sorgt dafür, dass niemand im Konzern besser über das Unternehmen Bescheid weiß als Klaus Volkert, der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats. Und Wissen ist bekanntermaßen Macht.
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