Ein ICE der Deutschen Bahn parkt im Münchner Hauptbahnhof / picture alliance

Deutsche Bahn - Wer das System zerschlägt, zerschlägt die Zukunft des Bahnverkehrs

Die aktuell populäre Forderung nach einer Zerschlagung der DB, das heißt nach der Trennung von Netz und Betrieb, ist ein fataler Irrweg und wird dem Schienenverkehr erheblichen Schaden zufügen. Die Politik sollte sich aus dem Management der Bahn gänzlich heraushalten.

Heinz Dürr

Autoreninfo

Heinz Dürr, Jahrgang 1933, ist Unternehmer und Manager. 1991 war er Erster Präsident der Deutschen Bundesbahn, von September 1991 an auch Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn. Mit der Zusammenführung und privatrechtlichen Organisation der beiden Bahnen in der Deutschen Bahn AG wurde er Vorstandsvorsitzender des neuen Unternehmens. Diese Position hatte er bis 1997 inne.

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Die Bahn ist mit ihren Millionen Nutzern nicht nur das wichtigste öffentliche Fortbewegungsmittel Deutschlands, sondern auch ein Stück Integration und Identität unseres Landes. Die DB als größtes und integriertes Bahnunternehmen verbindet Städte und Regionen, Menschen und Generationen in funktionsfähiger Manier und das trotz mannigfaltiger operativer Herausforderungen durch Neubaustrecken, Flutkatastrophen oder Lieferengpässe der Industrie. Sie leistet einen historischen Dienst an unserer Gesellschaft und das seit dem vorletzten Jahrhundert, seit der erste Zug auf der Strecke Nürnberg-Fürth seinen Betrieb aufnahm.

Seit der Wiedervereinigung und der Zusammenführung von Bundes- und Reichsbahn bildet die Bahn zudem völkerverbindend eine vitale Transportbrücke für Menschen und Güter zwischen Ost- und Westeuropa und hat das hochgradig unterinvestierte Eisenbahnwesen der ehemaligen DDR vollständig aufgerüstet und zu einem effizienten System ausgebaut und integriert.

Dies alles erfolgte auf der Basis einer Philosophie der Arbeitsteilung in der Branche sowie zwischen dem Unternehmen DB AG und dem Bund als Eigentümer. Seit 2008/2009 ist diese über eine vertragliche Vereinbarung zur Infrastruktur zwischen Bund und DB AG, der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, geregelt, in der sich die Bahn unter anderem zu jährlich überprüften Qualitätsstandards verpflichtet, wozu u.a. auch die Streckenverfügbarkeit gehört. Nach den veröffentlichten Infrastrukturzustandsberichten wurden diese Qualitätsstandards bisher immer erfüllt. Die Politik hat folglich das erhalten, was sie bestellt bzw. gefordert hat. Dennoch stellen wir heute fest, dass die Infrastruktur für das aktuelle und vor allem das geplante Wachstum nicht ausgelegt ist. Das in den letzten Jahren zunehmende Bauvolumen belastet die Kapazität im Status quo zusätzlich.

Bashing aus dem politischen Raum gegen die DB ist heuchlerisch

Wachstum und Bauen auf hohem Niveau haben wir uns immer gewünscht. Ein aufgrund der aktuellen Qualität häufig aus dem politischen Raum zu hörendes einseitiges Bashing des Unternehmens DB und seines Managementteams ist daher weder angemessen noch aufrichtig, sondern vielmehr heuchlerisch. Die DB deckt den Zustand bekanntlich selbst qualifiziert und transparent auf. Im Vergleich dazu gibt es im Übrigen bis heute keine auch nur annähernd vergleichbare, jährliche Messung und Veröffentlichung der Qualität bei der Straßeninfrastruktur.  

Mit den gesetzlichen Grundlagen zur Bahnreform 1994 wurden eigenständige Aktiengesellschaften geschaffen, die fokussierte und auf effiziente Restrukturierung hin ausgerichtete Managementbetriebe errichteten, die die langfristigen Ziele der DB von tagespolitischen Opportunitäten und Volatilitäten abschirmen und so auf ein langfristig erfolgreiches und nachhaltiges Gleis setzen sollten. Die Bahnreform hat bewirkt, dass eine Ressourcenzuordnung zu den einzelnen Bereichen tatsächlich und transparent erfolgen konnte. Das galt und gilt für Personal, rollendes Material als auch die sonstige Ausstattung. Das gab es bis dahin nicht und hat betriebswirtschaftlich messbare Wirkung gezeigt. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten wurden folglich geklärt und nicht verschleiert.

 

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Die Schiene ist ein im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern hoch komplexes System. So existieren alleine in Deutschland über 5000 Bahnhöfe im Vergleich zu lediglich 38 Verkehrsflughäfen, die vernetzt werden müssen. Jede Störung im flächendeckenden Schienennetz von insgesamt über 35.000 Kilometern Länge hat mittel- und unmittelbare Auswirkungen auf die Verkehrsflüsse und Anschlüsse in weit davon entfernten liegenden anderen Teilen des Netzes.

Die Abstimmung zwischen Regional-, Fern- und Güterverkehrsfahrplänen im Einklang mit permanenten Neu- und Ausbaumaßnahmen sowie wetter- und jahreszeitlich bedingten Herausforderungen stellt höchste Ansprüche in mathematisch-technischer, logistischer und sozialer Hinsicht an das Management des Systems Bahn. Nur eine holistisch-analytische Perspektive auf Infrastruktur und Transportleistungen zugleich ermöglicht daher dem System Schiene eine hinreichende Wettbewerbsfähigkeit mit weniger komplexen Verkehrssystemen wie etwa der Straße, der Luft oder dem Wasser.

Zerschlagung der DB wird die Wettbewerbsfähigkeit zerstören

Wer aus Nachhaltigkeitsmotiven heraus sowohl bei Gütern als auch bei Passagieren mehr Verkehr auf die Schiene bringen will, der muss folglich das System Bahn, das von der DB AG in hohem Maße repräsentiert und gesteuert wird, nicht nur als Einheit verstehen und erhalten, sondern vielmehr dessen Einheit stärken. Jedwede Forderung nach Zerschlagung der DB, das heißt nach Trennung von Netz und Betrieb, ist daher ein fataler Irrweg und wird dem Schienenverkehr auf lange Sicht erheblichen Schaden zufügen.

Mit einer Trennung von Netz und Betrieb wird die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber anderen Verkehrsträgern infolge mangelnder Abstimmung aller Prozesse langfristig zerstört, und sowohl die Nutzer als auch die Gemeinschaft der Steuerzahler werden die voraussichtlich irreversiblen Folgen teuer bezahlen. Versuche einer Trennung, wie etwa in England, sind erwiesenermaßen empirisch gescheitert. Es ist die Komplexität des Systems Bahn, die vernetztes Denken und Handeln erfordert, und wer dies negiert, hat das System entweder nicht verstanden oder verschließt sich aufgrund einer ideologischen Position jedweden rationalen Fakten und Argumenten.

Schienenverkehr weist bessere Klimabilanzen auf

Dass die CDU/CSU-Fraktion neuerlich in das Konzert der Zerschlagungskräfte einzustimmen gedenkt, kann man vordergründig nur mit einem falschen und zutiefst taktischen Verständnis ihrer aktuellen Oppositionsrolle erklären. Sie versündigt sich damit am Erbe ihrer sozial-marktwirtschaftlichen Grundlagen. Es liegt der Trennungs-Position nämlich ein falsches Bild vom Wettbewerb zugrunde. Der Wettbewerb auf der Schiene ist richtig, entwickelt sich in Deutschland europaweit vorbildlich und koexistiert nachhaltig mit dem integrierten Konzern. Dies wird auch Dank verlässlicher Institutionen, wie der Bundesnetzagentur und der passenden Gesetzgebung der letzten Jahre, gewährleistet.

Der eigentlich relevante Wettbewerb für das System Schiene findet aber nicht in sich selbst sondern mit den anderen Verkehrsträgern wie etwa der Straße oder dem Luftverkehr statt, die allesamt weit schlechtere Klimabilanzen aufweisen. Wer das Klima im Sinne einer ökologisch und sozial verantwortlichen Marktwirtschaftsordnung schützen will, muss folglich die Integration des Systems Bahn und damit seine Wettbewerbsfähigkeit stärken, statt den integrierten DB-Konzern mit der Abrissbirne zu bearbeiten.

Das System Bahn funktioniert nur mit weniger Politik

Wer in diesem Zusammenhang die leider aktuell schlechte Performance der Bahn, etwa bei der Pünktlichkeit, zu Recht kritisiert, sollte dies jedoch nur auf der Basis einer seriösen und tiefen Analyse der Ursachen tun. Dabei ist davon auszugehen, dass die Misere nicht monokausal ist, sondern einem Bündel von Einzelursachen entspringt. Betrachtet man die Performance der Bahn etwa im historischen Vergleich seit dem Stopp der Privatisierung durch die Lehmann-Pleite und die Finanzkrise 2008 bis heute, so unterliegt sie gewissen Schwankungen, weist aber eindeutig eine negative Tendenz auf. Betrachtet man im gleichen Zeitraum infolge einer Post-Krisen-Renaissance des Etatismus den parallel stetig gestiegenen Einfluss der Politik auf die Steuerung der DB AG und ihrer Investitionen, so korreliert die politische Einflussnahme eindeutig negativ mit der Performance der Bahn.

Die negative Korrelation ist ganz besonders stark auffällig seit 2021, was wiederum mit dem politischen Wechsel zur Ampelregierung zusammenfällt. Zufall oder nicht, die statistische Auffälligkeit legt jedenfalls den Schluss nahe, dass, je mehr die Politik, bestehend aus Regierung und parlamentarischem Raum, vom System Bahn Besitz ergreift und auf dieses mit Partikularinteressen und ideologischer Motivation einwirkt, desto schlechter das System in der Lage ist, seine gesellschaftlichen und ökologischen Ziele zu erfüllen. Das System Bahn funktioniert eben nur mit weniger und nicht mit mehr Politik. Die politischen Parteien und die Exekutive sollten sich daher konsequenterweise aus dem Management der Bahn heraushalten und sich auf ihre vom Bahngründungsgesetz vorgesehene reine Governance-Rolle beschränken, statt mit Zerschlagungsszenarien ein effizientes Management des hochkomplexen Systems zu torpedieren.

Die grundgesetzliche Zuständigkeit für Investitionen in die Schieneninfrastruktur – Netz und Bahnhöfe – muss konsequent ausgefüllt werden. Ebenso notwendig wäre, dass die Politik endlich Einfluss auf die völlig ineffizienten Planungsabläufe in unserem Land nimmt, denn es kann und darf nicht sein, dass jede Neubaustrecke Vorlaufzeiten von mehr als 20 Jahren benötigt, bevor überhaupt mit dem Bau begonnen werden kann. Die Profiteure von Investitionen und Beschleunigung sind die Millionen Bahnkunden und die Wirtschaft in Deutschland. Mit Struktur- bzw. Zerschlagungsdebatten werden dagegen die falschen Prioritäten an der falschen Stelle gesetzt.

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Martin Janoschka | Do., 11. Mai 2023 - 18:44

Natürlich macht es Sinn, Netz und Betrieb zu trennen. Beim Netz handelt es sich um ein natürliches Monopol. Leider hat die Bahn das Netz verkommen lassen. Das sollten sie mal erwähnen, Hr. Dürr. Hartmut Mehdorn hat als einer der schlechtesten Manager aller Zeiten, der Bahn schwer geschadet. Weichen wurden abgetrennt, weil teuer im Unterhalt. Heute können sich züge nicht mehr begegnen, Bahnhöfe wurden vermehdornt =stillgelegt. Das alles für einen sinnfreien Börsengang, der dem Kundeni nchts nutzt. Fahrzeuge wurden bewusst auf Verschleiß gefahren, am schlimmsten bei der Berliner S-BAHN. Lokomotiven verschrottet, aus Steuergeldern finanziert, damit sie die Konkurrenz nicht bekommt. Die Konkurrenz wurde beim trassenzugang behindert. Anschließend half mehdorn ja noch der air Berlin bei der Pleite undbeim Berliner Flughafen. Hr. Mehdorn hat jahrelang desinvestion betrieben und dem Unternehmen und Kunden schwer geschadet. Also trennen wir das Netz.

Karl-Heinz Weiß | Do., 11. Mai 2023 - 20:45

Sowohl der Schienen-als auch der Straßenverkehr in Deutschland leidet unter dem gleichen Problem: in Jahrzehnten entstand durch die politisch gewollte Fokussierung auf Neubauten ein immenser Unterhaltungsstau. Leistungsfähige Unternehmen verschwanden mangels kontinuierlicher Aufträge vom Markt. Die derzeitigen Förderprogramme führen hauptsächlich zu Preissteigerungen, da kein ausreichendes Marktpotenzial für Bahnstrecken-oder Autobahnbau zur Verfügung steht. Dass die Politik diesen simplen Marktmechanismus nicht versteht, beweist die Fokussierung auf die wärmepumpenbasierte Heizwende. Und Herr Dürr sei an das von ihm mitgetragene Projekt S 21 erinnert: statt 4,5 nun voraussichtlich 9,5 Milliarden.

Albert Schultheis | Fr., 12. Mai 2023 - 01:38

Das gigantische Problem der Bahn ist doch nur emblematisch für den gesamten Zustand dieser maroden GrünRoten Republik. Und die Khmer arbeiten daran, dass wir uns selbst an den heutigen Zustand demnächst zurücksehnen werden!

Ernst-Günther Konrad | Fr., 12. Mai 2023 - 07:45

Heute Morgen höre ich im Kontrafunk, dass die Bahn ihren Managern eine kräftige Boni ausgezahlt haben, weil sie so toll klimaneutral agiert hätte. Ja Herr Dürr, als Manager wollte ich dieses System auch nicht zerschlagen wissen.

Ronald Lehmann | Fr., 12. Mai 2023 - 13:33

Von einem Menschen & ehemaligen Unternehmer/Manager, der weiß, von was er redet & wo er sicherlich zukünftige Wege sehen würde.

Und mit diesen inhaltsreichen bravo full (vollen) Artikel zeigt sich aber auch, wer von der Biege an gelernt hat & solche STELLWERKER fehlen in den allermeisten Schaltstellen.
Aber Quote statt Berufung ist ja in unserer neuen Gesellschaft & vor allem in Deutschland wichtiger geworden.

Fähigkeiten+ Fertigkeiten + Weisheit + analytisches Denken + Menschen-Führung + Verantwortungs-Übernahme + Visionen = Manager mit Niveau

aber wo-wo-wo sind noch solche Exemplare außerhalb der Privat-Wirtschaft noch zu finden?
Eine aussterbende Gattung.

Jedenfalls alles aufgeführte Eigenschaften, die weder unserer Regierung & die Merkel-Lakaien haben sowie sehr viele Manager in den BIG-BIG total fehlen.

Und da wurde in diesem Artikel nicht einmal das Hauptproblem unserer DB bzw. Verkehrs-Netz angesprochen.

Deutschland hat sich zum längsten per Menge
Transit-Land entwickelt