- Neue Türschilder für die Eisenbahninfrastruktur
Noch mehr Geld vom Bund, aber kaum Kontrollen: Die DB AG ist der große Gewinner der beschlossenen Bahn-Reformen. Dabei trägt der Konzern eine Mitschuld am desolaten Zustand, etwa der Infrastruktur – aber behauptet gerne anderes.
Es ist unstrittig, dass die aktuelle Qualitätskrise der Eisenbahn in Deutschland maßgeblich auf den mangelhaften Zustand der Infrastruktur zurückzuführen ist. Die Pünktlichkeit in allen Segmenten sinkt seit Jahren. Seit Anfang 2023 schliesst sich auch die DB AG der Kritik an. „Zu voll, zu alt, zu kaputt“ , so beschreibt Berthold Huber den Zustand der Infrastruktur. Huber ist langjähriger Konzernvorstand der DB AG und seit 2022 für die Infrastruktur verantwortlich.
Der Begriff des „Narrativs“ wird im Politikumfeld immer populärer. Damit wird eine durchgängige Botschaft beschrieben, mit der ein politischer Akteur versucht, Medien und Öffentlichkeit zu beeinflussen. Bis Ende 2022 war das übergreifende Narrativ der DB AG, man sei ein erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen, und die Politik solle das Management nur machen lassen. Seit einem Jahr hat die DB AG dieses Narrativ fundamental geändert.
Seither beklagt die DB AG den schlechten Zustand der Infrastruktur, verursacht durch jahrelanges Unterinvest des Bundes. Dieses Narrativ wird öffentlich nur wenig hinterfragt, auch deshalb, weil der Bund als Eigentümer es ohne Nachfragen hingenommen hat. Verkehrsminister Wissing erklärt, der Blick zurück auf vergangene Fehler sei nicht hilfreich, der Blick müsse nach vorne gehen.
Die Situation der Infrastruktur
Aus Sicht des Autors dieser Zeilen ist es unabdingbar, zu analysieren, wieso die Infrastruktur der Bahn in diese schwierige Lage rutschen konnte und wieso keiner der Beteiligten und keines der bisherigen Steuerungsinstrumente die Probleme erkannt haben. Seit 2008 finanziert der Bund Ersatzinvestitionen der DB-Infrastruktursparten auf Basis eines Vertrages, der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV).
Im Gegenzug ist die DB verpflichtet, bestimmte Qualitätskennzahlen zu erfüllen. Hierfür wird jährlich ein „Infrastrukturzustandsbericht“ erstellt, der vom Eisenbahnbundesamt detailliert geprüft wird. Darüber hinaus führt das Verkehrsministerium eigene Messungen durch – es gibt jedenfalls seit 2014 eine Haushaltsposition dafür, von Aktivitäten oder Ergebnissen dieser Messungen ist öffentlich nichts bekannt.
Unabhängige Experten haben bereits bei der Diskussion um die erste LuFV darauf hingewiesen, dass die Qualitätsziele, die zahllosen Ausnahmen zugunsten der DB AG und die Messverfahren unzureichend seien. In den letzten Jahren wurde die Fehlsteuerung immer deutlicher: Die DB erreichte stets die in der LuFV vereinbarten Qualitätsziele, während Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Netzes abnahmen und das Anlagenalter stetig anstieg.
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Anfang 2023 stellte die DB Netz AG einen mit anderer Methodik erstellten „Netzzustandsbericht“ vor, in dem die Situation der Infrastruktur sehr kritisch eingeschätzt wird. Ministerium und DB AG haben also über fünfzehn Jahre ein teures System der Qualitätsmessung unterhalten, das den tatsächlichen Zustand des Schienennetzes nicht erfasst hat – oder nicht erfassen wollte. Tatsächlich gab es seit Jahren Warnsignale.
Das steigende Anlagenalter konnte man mit etwas Mühe aus den Zustandsberichten herauslesen – wenngleich die DB Netz AG die Erkenntnis durch häufige Änderung der Erhebungsmethode erschwert hat. Der steigende Modernisierungsrückstand wurde mehrfach im Bundestag thematisiert. Deshalb scheint eine Untersuchung der Frage geboten, warum die Steuerung der Infrastruktur so fundamental versagt hat. Dies betrifft Vorstand und Aufsichtsrat, das EBA, das Verkehrsministerium und den Bundestag.
Zentraler Baustein der Sanierung
Die Politik hat auf die Krise bei DB Netz reagiert. Ein erheblicher Teil der von der DB AG zusätzlich geforderten Mittel von 45 Mrd. € bis 2027 wurden zugesagt, wenngleich nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds ein Teil der Mittel wieder gestrichen wurde. Zudem will der Bund das Bundesschienenwegeausbaugesetz ändern, um die Mittelbereitstellung zu vereinfachen. Dabei soll erstmals auch Instandhaltungsaufwand, also laufende Kosten, vom Bund übernommen werden.
Zentraler Baustein der Sanierung soll die Schaffung eines „Hochleistungsnetzes“ sein, hierfür sollen die Hauptachsen bis 2030 in allen Gewerken grundsaniert werden. Hierfür werden die Strecken jeweils für etliche Monate gesperrt. Bei aller Kritik im Detail ist zu konzedieren, dass das Ministerium das Thema der verfallenden Infrastruktur mit Entschlossenheit angegangen ist, wenngleich durch die Mittelstreichungen der Ausbau des Netzes fast zum Erliegen kommen wird.
Interessant ist, dass die DB AG in ihrer Kommunikation den Effekt des überlasteten Netzes weitgehend ausblendet. Der Aspekt „zu voll“ aus dem obigen Zitat von Huber wird nicht weiter thematisiert. Dabei weisen viele Experten darauf hin, dass nicht nur die investive Vernachlässigung, sondern auch die zunehmende Überlastung die Stabilität des Betriebs beeinträchtigen. Vor dem Hintergrund, dass in den kommenden zehn Jahren wohl kaum relevante neue Infrastruktur in Betrieb gehen wird, ist zu bezweifeln, dass die Wachstumspläne der Bundesregierung umsetzbar sind. Dieses Thema wird derzeit konsequent nicht diskutiert.
Keine konsequente Umsetzung
Bei dem zweiten, grundsätzlichen Thema, der Strukturreform, ergibt sich ein etwas kritischeres Bild. Die Wettbewerber sind seit Jahren mit der Qualität und der Serviceorientierung der DB-Infrastruktur unzufrieden. Die Produktivität der DB Netz AG ist, gemessen in Trassen-km je Mitarbeiter, binnen zehn Jahren um 20 % gesunken. Aus diesem Grund fordern viele Akteure Strukturreformen bei der DB AG. Hierzu gehören neben Wettbewerbs- und Fahrgastverbänden Grüne, FDP und CDU, der Bundesrechnungshof und die Monopolkommission. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung war die Umwandlung der Infrastruktursparten der DB AG in eine gemeinwohlorientierte Gesellschaft unter dem Dach des DB-Konzerns vereinbart. Dies war ein Kompromiss zwischen FDP und Grünen, die eine weitgehende Trennung wollten und der SPD, die solche Reformen ablehnt.
Diese neue Gesellschaft, als InfraGO bezeichnet, wurde zum Jahresbeginn 2024 durch Verschmelzung der DB Netz AG und der DB Station & Service eingerichtet. In den vergangenen Monaten wurde in Berlin intensiv um die Ausgestaltung der neuen Gesellschaft gerungen. Dabei forderten Fahrgast- und Wettbewerbsverbände, Monopolkommission und Bundesrechnungshof weitgehende Reformen, die DB AG erklärte hingegen, man wolle so wenig ändern wie möglich“, der Vorsitzende der DB Hausgewerkschaft EVG, Martin Burkert, betonte, es sei „keine Bahnreform“.
Die neue Gesellschaft wird weiter als Aktiengesellschaft geführt. Die Umwandlung in eine GmbH hätte dem Eigentümer einen besseren Durchgriff ermöglicht. Eine Integration der dritten Infrastrukturgesellschaft DB Energie, welche die Bahnstrominfrastruktur betreibt, wurde verworfen. So bleibt ein Teil der Monopolinfrastruktur weiterhin nicht-gemeinwohlorientiert. Die im Firmennamen genannte Gemeinwohlorientierung wird sich vor allem dadurch manifestieren, dass die Gewinne der Gesellschaft vollständig (und zusätzlich) über den Konzern an den Bund als Eigentümer ausgeschüttet werden sollen und als Investitionszuschuss an die DB zurückfließen soll. Eigentlich ist diese Regelung bereits seit 2017 politisch vereinbart und in der LuFV vertraglich vereinbart, sie wurde in den letzten Jahren aber in Absprache zwischen Bund und DB AG nicht konsequent umgesetzt.
Forderung nach einer unabhängigen Besetzung
Kritiker der heutigen Struktur forderten eine Aufhebung der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zwischen der DB AG und der InfraGO. Solche bestehen derzeit zwischen der DB AG und den großen deutschen Tochterfirmen. Damit kann der Konzern Weisungen erteilen, alle Gewinne werden automatisch abgeschöpft, Verluste werden ebenso ausgeglichen. Bund und DB haben durchgesetzt, dass diese Verträge bestehen bleiben und der Konzern weiterhin die Infrastruktur vollständig beherrscht. Unter anderem werden dafür steuerliche Gründe angeführt, die sich aus Sicht der Kritiker mit gutem Willen lösen ließen.
Für die Steuerung der neuen Gesellschaft ist die Besetzung des Aufsichtsrates von großer Bedeutung. Die Wettbewerberverbände hatten eine möglichst unabhängige Besetzung gefordert. Tatsächlich werden nur Vertreter des Bundes, des Bundestages und der DB AG den Eigentümer repräsentieren. Damit wird auch weiterhin die Kritik des Bundesrechnungshofes ignoriert, der auf den unauflösbaren Interessenkonflikt sowohl von Vertretern der Ministerien als auch von Abgeordneten verweist.
Neue Steuerungsgruppe im eigenen Haus
Aus Sicht des Autors gibt es noch einen weiteren Grund gegen Ministerialvertreter und Abgeordnete im Aufsichtsrat: Ihnen fehlt schlicht die Zeit, um die Aufsichtsfunktion effizient wahrnehmen zu können, zudem rotieren die Funktionen in dem Betrieb sehr schnell. Im letzten Jahrzehnt hielten die Aufsichtsratsmitglieder des DB-Konzerns im Schnitt ihren Posten nicht einmal zweieinhalb Jahre. Als kleine Maßnahme gegen den Durchgriff des Konzerns ist vorgesehen, dass der Aufsichtsrat ein Vetorecht gegen Weisungen des Konzerns erhält. Kaum vorstellbar, dass diese Maßnahme tatsächlich Wirkung entfaltet. Die eigentliche Steuerung soll über ein neues Instrument erfolgen, den „Infrastrukturplan“. Dieser soll jährlich erstellt werden und jeweils rollierend einen Zeitraum von fünf Jahren umfassen. An diesem Plan soll auch ein Beirat mit Branchenvertretern mitwirken. Große Erwartungen setzt das Ministerium auf eine neue Steuerungsgruppe im eigenen Haus.
Die zur Steuerung vorgesehenen Instrumente sind nicht neu, sondern ähneln denen der letzten Jahre, mit denen die Infrastruktur in die Krise geraten ist. Kernbaustein sind ein jährlicher Plan mit Kennzahlen (wie bisher), ein Sektorbeirat (bisher gab es sogar zwei) und eine Steuerung durch das Ministerium (gab es bisher auch, aber die Einheit ist jetzt größer). Nicht vorgesehen ist hingegen mehr Transparenz gegenüber Bundestag und Öffentlichkeit. Das Ministerium versichert, dass die Instrumente noch geschärft werden sollen. Ein wichtiger Finanzierungsbaustein, das Bundesschienenwegeausbaugesetz, soll noch geändert werden. Der Bundesrechnungshof hat erhebliche Bedenken angemeldet, die Koalition ist sich nicht einig, die Verabschiedung des Gesetzes wurde verschoben.
Die finanzielle Zielsetzung für die neue Gesellschaft ist noch unklar. Gemäß Regulierungsgesetz hat die Infrastrukturgesellschaft einen Anspruch auf „kapitalmarktadäquate“ Gewinne – das steht in offensichtlichem Widerspruch zu der Gemeinwohlorientierung, wird aber nicht geändert. Der InfrasGO-Beauftragte der DB AG, J.Sandvoss, hat angekündigt, die neue Gesellschaft werde wegen der anstehenden Investitionen Milliardenverluste schreiben (Betriebswirte lernen im ersten Semester, dass Investitionen keine Kosten sind und – erst einmal – keine Verluste verursachen). Es sieht so aus, dass die DB AG das Vakuum in der Steuerung ausnutzt. Der Konzern schichtet Overhead-Kosten in die neue Gesellschaft um und entlastet sich dadurch. Für die Gewinnrückgänge in der InfraGo gibt es ein schlüssig klingendes Narrativ.
Falsche Strukturen weiter zementiert
Insgesamt ist die DB AG wohl großer Gewinner der beschlossenen Reformen. Der Konzernvorstand wird vom Eigentümer nicht dafür zur Verantwortung gezogen, dass er den Verfall der Infrastruktur tatenlos geduldet hat. Der Bund wird deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen und nach jetzigem Stand weder den Konzern noch die neue InfraGO ernsthaft kontrollieren und steuern.
Die Ursachen, warum die DB AG sich so erfolgreich gegen das Ministerium durchsetzt, sind nicht trivial. Zum einen unterhält die DB AG einen riesigen, hocheffizienten Lobbying-Apparat, der Einfluss auf Politik und Medien nimmt. Zudem bietet die DB AG Versorgungsposten für Politiker und schafft damit Sympathien in allen Parteien. Ein wichtiger Verbündeter für die DB AG ist die Hausgewerkschaft EVG, die exzellente Verbindungen in die SPD-Fraktion und ins Kanzleramt unterhält.
Anekdotisch wird berichtet, dass das Ministerium weitergehende Reformideen vorgelegt hat, diese jedoch von der Phalanx der Reformgegner aus DB Management, EVG und SPD blockiert wurden. Ein bemerkenswerter Beleg dafür ist, dass als eine der ersten Aktivitäten der neuen Gesellschaft eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde, wonach für fünf Jahre keine Strukturreformen geben soll, im Overheadbereich für drei Jahre. Damit ist es der Phalanx der Blockierer über die nächste Wahl hinaus gelungen, jegliche inhaltliche Reformen bei der neuen InfraGO zu verhindern. Entsprechend düster ist deshalb auch die Stimmung bei Fahrgast- und Wettbewerbsverbänden. Es sieht so aus, als habe die Regierung ihre Chance vertan, Strukturreformen einzuleiten. Vielmehr wurden die Strukturen, die die Eisenbahn in die Krise geführt haben, weiter zementiert.
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Wir waren mal begeisterte Bahnkunden, mit BahnCard und regelmäßigen Fahrten zu Weihnachten, Silvester und Städtefahrten. Eines vorweg: Keine einzige Fahrt ohne Panne: Verspätungen, Umleitungen, Kühlung im Winter, Heizung im Sommer, falsche Fahrkarten, falsche Platzkarten, und geschlossenes Bistro. Danach sind wir wieder auf das Auto umgestiegen. Jetzt noch die Anpassung an „woke“ Zustände: Stehen gegen Rechts und Zugpersonal nur weiblich - oh Gott - da geht ja schon wieder der AWM mit mir durch. Diese Bahn wird niemals den Standard Schweizer Bahnen erreichen, die fast 100%ige Pünktlichkeit erreichen. Am Freiburger HBF fahren die Schweizer Anschlusszüge los, ohne auf den verspäteten ICE zu warten. Unsere Unpünktlichkeit bringt nämlich den Schweizer Fahrplan durcheinander. Egal, wer auch immer die Bahn sanieren wollte, es ging in die Hose. Wie lange wird noch am Stuttgarter Bahnhof gebastelt? Wie sehen die anderen Bahnstationen aus? Die Bahn wird niemals eine gute Alternative zum
Auto.
Ein guter Überblick zur DB-Problematik. Es wird sich nichts ändern, da die Malaise von der Union maßgeblich mitverursacht wurde. Minister Wissing kämpft deshalb gegen Windmühlen. Bei dieser Konstellation muss man Herrn Weselsky fast dankbar sein, dass er den drögen DB-Vorstand etwas aufmischt und auf das Problem "Mitarbeitergewinnung für den 7-Tage-Schichtdienst" hinweist. Markus Söder fasste in einem Interview die DB-Mentalität sinngemäß so zusammen: " Wenn ich bei der DB-Zentrale wegen der Probleme bei der Erweiterung der Münchner S-Bahn anrufe, interessiert das dort keinen".
Die Politik macht es doch vorher. Warum soll die Bahn es anders machals lst unsere Politiker. Auch hier zeigt sich: "Deutschland schafft sich ab." Bei der Bahn geht es nur langsamer, weil die nicht immer fahren oder sich verspäten.:)
Funktionäre verstehen sich eben, egal ob aus der SPD, aus der GEV, aus dem Bahnvorstand. Alle sind sich einig: Ihre Arbeit darf nicht zu sehr kontrolliert werden. Wenn dieses Übel droht, werden sie sofort gemeinsam ungeheuer stark und einfallsreich!
Die Bahn (und vieles andere in unserem Land...) ist nicht für das Land, sondern für die Funktionäre da, für die politischen und für die anderen.
Das ist der Unterschied zu Japan und zur Schweiz.