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Chinas Interesse am Euro - Warum China gezielt die Eurozone unterstützt

China hat in den vergangenen Jahren im großen Stil in Euros investiert, um die Währung zu stabilisieren und vom Dollar unabhängiger zu werden, sagt Wirtschaftsexperte Miguel Otero-Iglesias. Das Ziel dahinter: Die amerikanische Hegemonie zu brechen. Doch dann machte die deutsche Regierung China einen Strich durch die Rechnung

Autoreninfo

Philipp Daum ist Schüler an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München. Vorher hat er Politik, Geschichte und Jura in München und Santiago de Compostela studiert. Er schreibt für Cicero Online.

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Miguel Otero-Iglesias arbeitet beim Real Instituto Elcano, einer politikwissenschaftlichen Denkfabrik mit Sitz in Madrid, und hat sich auf Währungsbeziehungen zwischen der Eurozone und China spezialisiert. Für seine Studie „The Euro for China: too big to fail, too hard to rescue“ führte er seit Beginn der Eurokrise rund 50 Interviews mit hochrangigen chinesischen Beamten und Zentralbankern.

Herr Otero-Iglesias, wie blickt die chinesische Finanzelite auf die Eurokrise?
Die Chinesen haben in Europa viel riskiert. Seitdem es den Euro gibt, sieht China ihn als Alternative zum Dollarsystem. China diversifiziert seit 2003 seine Währungsreserven und kauft Staatsanleihen europäischer Länder. China will ein multipolares Währungssystem: mit dem Euro als zweiten Pol nach dem Dollar und dem chinesischen Yuan als dritten.

Welche Vorteile bietet der Euro denn China?
Die Chinesen versuchen, ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern. Und es hat etwas mit der chinesischen Kultur zu tun: Dort lernen Kinder im Geschichtsunterricht, dass Europa mit der Europäischen Union und vor allem mit dem Euro sehr viel unabhängiger geworden ist von den Vereinigten Staaten. Das entspricht natürlich nicht der Realität, aber China denkt, dass es die Europäer aus der Klammer der Amerikaner befreien könnte, und dass man zusammen mit Europa ein Gegengewicht zur amerikanischen Hegemonie schaffen kann. In der traditionellen chinesischen Kultur bedeuten drei Machtzentren Stabilität. Man sagt: Ein Stuhl braucht drei Beine, um zu stehen. Eine einzelne Macht wird schnell aggressiv.

Wie entscheidend war Chinas Hilfe für die Eurozone? George Soros hat einmal gesagt, dass China den Euro gerettet habe. Sehen Sie das auch so?
Dazu ist China alleine nicht mächtig genug. Das können nur die Europäer selbst. Aber: Zu Beginn der Eurokrise, vor der Etablierung des ersten Rettungsschirms 2010, war die Situation sehr heikel. Zu einer Zeit, in der die angloamerikanische Presse sehr skeptisch war und viel amerikanisches Geld aus der Eurozone abgezogen wurde, hat China dagegengehalten. Zum einen rhetorisch. Aber auch ganz konkret mit dem Kauf von Staatsschulden aus Südeuropa. China hat gezielt die Eurozone unterstützt.

Aber dann, schreiben Sie in ihrer Studie, gab es einen Konflikt mit Berlin.
Mir haben Beamte aus dem chinesischen Außenministerium und Quellen, die dem Staatsrat nahestehen, von Treffen mit deutschen Beamten erzählt. Ihnen hätten die Deutschen erzählt: Die Krise sei eine europäische Angelegenheit, China solle nicht zu stark intervenieren. Die Sicht aus Berlin war: Man wollte die hohen Zinsen für die südeuropäischen Staatsanleihen benutzen, um damit strukturelle Reformen zu erzwingen. Das war ein Druckmittel. Und China hätte mit dem Kauf von Schulden diese Strategie torpediert.

Denkt man in China: „Wir hätten euch helfen können. Aber ihr habt es ausgeschlagen“?
Ja, das ist die Sicht. Aber man hat auch begriffen, dass die öffentliche Meinung sowohl in Europa als auch in China selbst nicht vorteilhaft war. Zuhause war es schwer zu vermitteln, dass China den reichen Europäern hilft. Daraufhin hat China beschlossen, sich öffentlich zurückzunehmen, aber weiterhin Euros zu kaufen.

Wie viele Euro besitzt China in Währungsreserven?
Die Währungsreserven sind in China ein Staatsgeheimnis. Meine Einschätzung ist: Knapp 30 Prozent der Währungsreserven sind in Euro angelegt, insgesamt ungefähr 800 bis 900 Milliarden Euro. 2003, vor der Beginn der neuen Strategie, lag der Anteil noch bei gut 20 Prozent.

Wie hoch ist der Anteil von schlecht bewerteten Staatsanleihen, zum Beispiel aus Südeuropa?
Das ist sehr schwierig einzuschätzen. Manche Experten sagen: China investiert hauptsächlich in AAA-Staatsanleihen, also Papiere mit dem bestmöglichen Rating. Andere meinen, es sei geteilt.

Was denken Sie?
Ich denke, das meiste sind AAA-Anleihen. Zu Beginn der Eurokrise kaufte China aber ganz gezielt schlecht bewertete Anleihen aus dem europäischen Süden, um den Euro zu stützen.

Ist es dann aus chinesischer Sicht überhaupt ein Problem, wenn Griechenland aus dem Euro austritt?
Das wäre für China eine „message of failure“. Es würde so verstanden, dass die Idee der Europäischen Einheit zusammengebrochen wäre und die Europäer es nicht geschafft hätten, die Staaten zusammenzuhalten. Man muss das auch geopolitisch verstehen: Vielleicht helfen die Russen dann Griechenland und bekäme dort mehr Einfluss. Das würde China stören. Bei meinem letzten Besuch in China, nach der Wahl in Griechenland, sagte man mir, man müsse auch mit Syriza zusammenarbeiten. Denn wenn Syriza scheitert, was kommt dann? Dann steht da die rechtsextreme Goldene Morgenröte – und jede Menge Beispiele aus der griechischen Geschichte, wie man eine Militärdiktatur errichtet. Das sind die chinesischen Bedenken.

Hat sich Europa aus chinesischer Sicht klug verhalten in den vergangenen Jahren?
Die Chinesen sind enttäuscht, weil sie gesehen haben, dass die Europäer sehr abhängig von den Amerikanern sind. Ein Beispiel ist die NSA-Affäre. China hat Google, Twitter und Facebook nie ins Land gelassen. Und jetzt sagt man: Wir hatten recht, die Europäer sind in den Händen der Amerikaner! Die wissen sogar, was Angela Merkel am Telefon sagt!

Und hat sich Deutschland klug verhalten?
Die Beziehungen zwischen Deutschland und China haben sich in den vergangenen Jahren eigentlich verbessert. Deutsche gelten als glaubwürdig. Aber: Die Sparpolitik in Europa wird negativ beurteilt. Sie gilt als zu drastisch und gefährlich. Sie verursache Widerstand und Populismus in den südeuropäischen Ländern. Die Chinesen sind Keynesianer. Sie sehen nicht nur den Markt, sondern auch den Staat. Ihre Meinung ist: Man muss öffentliches Geld in die Hand nehmen und die südeuropäischen Regionen entwickeln.

Das Interview führte Philipp Daum

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