Stefanie Müller-Lietzau im Zuschauerraum des 1906–1909 errichteten Chemnitzer Opernhauses am historischen Theaterplatz. / Foto: Jasmin Zwick

Orchesterdirektorin Stefanie Müller-Lietzau - Die Zwei Saiten am Elfenbeinturm

Seit drei Jahren ist Stefanie Müller-Lietzau Orchesterdirektorin der Robert-Schumann-­Philharmonie. 2025 gibt es dort eine besondere Opernpremiere

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Eine markante Brille in Signalrot und ein strahlendes Lächeln: Dass man es bei Stefanie Müller-Lietzau mit einer energiegeladenen Macherin zu tun hat, merkt man sofort. Seit der Spielzeit 2021 ist sie Orchesterdirektorin der Robert-Schumann-Philharmonie in Chemnitz. Nun stehen die Orchesterferien bevor, da will noch einmal jeder etwas von der Chefin – die Buchhaltung etwa, und nun eben auch ich. Gerade haben die Philharmoniker eine sehr erfolgreiche Gastspielreise mit Stationen in Wrocław und Łódź beendet, die Vorbereitungen zur Spielzeit 25/26 mit dem neuen Generalmusikdirektor und Chefdirigenten Benjamin Reiners laufen – nicht zu vergessen das Kulturhauptstadtjahr, in dem die Oper „Rummelplatz“ (nach dem gleichnamigen Roman von Werner Bräunig), komponiert von Ludger Vollmer und mit einem Libretto von Jenny Erpenbeck, uraufgeführt wird. Viel Programm also, aber Müller-Lietzau wirkt entspannt und souverän. Sind das Tugenden, die eine Orchesterdirektorin mitbringen muss? 

„Für mich ist es ganz wichtig, dass auf Augenhöhe kommuniziert wird. Nur gemeinsam kommen wir zum Erfolg. Man kann einen fantastischen Solisten, einen fantastischen Dirigenten haben und ein fantastisches Programm kreieren, aber die Übermittler sind natürlich die Musiker. Das ist das, was meine Arbeit in Chemnitz so schön macht: diese Atmosphäre zwischen Direktion und Orchester.“ Nun hat man es in der Welt der Musik mit starken Charakteren zu tun, gleichzeitig waren gerade Direktoren und Dirigenten lange Zeit männlich. Spielt das Frausein eine Rolle? „Es ist auf jeden Fall ein Aspekt, das will ich nicht abstreiten, aber ich mache es für mich selbst nicht zum Thema. Wichtig ist, dass man authentisch ist; mir geht’s jetzt wahrlich nicht darum, dass die Hierarchien eingehalten werden.“ Müller-Lietzau war vor ihrer Zeit in Chemnitz zehn Jahre lang als Orchesterdirektorin der Hofer Symphoniker tätig. Es fiel ihr trotzdem nicht schwer, sich in Chemnitz zu etablieren. „Die Musikerwelt ist einfach so klein; in Chemnitz habe ich Kollegen wiedergetroffen, mit denen ich im Bundesjugendorchester gespielt habe. Es ist ein offenes Orchester, und das ist ja nicht so selbstverständlich.“ Die gebürtige Hamburgerin lebt nicht zum ersten Mal in Sachsen. In Leipzig absolvierte sie ihr Violinstudium: „Ich habe mich verdammt wohlgefühlt in dieser Stadt, einfach mit der sächsischen Mentalität, die ja doch sehr direkt, aber auch sehr herzlich ist.“

Das Publikum fühlt sich mitgenommen

Diese Direktheit beobachtet sie ebenso beim Publikum in Chemnitz. „Was ich bei den Chemnitzern ganz stark spüre, ist, dass es ihnen wichtig ist, dass der Künstler authentisch ist und dass sie selbst ernst genommen werden.“ Wieder kommt die Buchhalterin in Müller-Lietzaus Büro. Dann unterbricht das Telefon das Gespräch. Die Orchesterdirektorin managt die tägliche Hektik mit großer Gelassenheit. Das Leben selbst scheint für sie wie ein quirliges Ensemble zu sein. In Chemnitz jedenfalls ist es lebendig: „Als ich mit Russell Harris in meiner ersten geplanten Spielzeit ein Pomp-&-Circumstances-Konzert plante, bei dem dann das gesamte Publikum zum Ende des Konzertes stand und mitgesungen hat – da meinten viele Chemnitz-Kenner: ‚Das ist nicht Chemnitz!‘ Doch man merkte eben: Das Publikum fühlte sich mitgenommen.“ Umgekehrt öffnet sich die Philharmonie für neue Spielstätten, etwa in Kooperation mit dem Industriemuseum: „Wir sprechen wirklich auch noch mal ganz andere Zielgruppen an.“ Gerade mit dem Blick auf das Kulturhauptstadtjahr sei es wichtig, den Elfenbeinturm zu verlassen. „Ich freue mich sehr auf die Kulturhauptstadt.“ Das sei eine riesen Chance, sagt Müller-Lietzau, die natürlich hofft, dass speziell die Robert-Schumann-Philharmonie mit diversen Projekten, Konzerten und der Uraufführung vom „Rummelplatz“ zeigen könne, wie authentisch Chemnitz ist: „Eine selbst-bewusste Stadt“, schwärmt sie.

Dass Müller-Lietzau in dieser heimisch geworden ist, merkt man. Aber gilt das auch für die Familie? „Mein Mann und ich, wir sind beide sehr froh, dass der Wechsel unserer Kinder nach Chemnitz so fantastisch geklappt hat. Sie sind in der Stadt angekommen. Sie sehen, wie zufrieden mich der Job macht und unterstützen mich, obwohl es manches Mal nicht so einfach ist.“ In Chemnitz haben die Teenager den Triathlon-Sport für sich entdeckt. Eine überraschende Wahl. Aber auch ihre Mutter fügte sich nicht ganz den Erwartungen der Eltern. Ihr Großvater und Vater sind Holzblasinstrumentenbauer, so war für das Mädchen die Querflöte als Instrument vorgesehen, doch Müller-Lietzau wollte Geige lernen. Die Eltern waren wenig begeistert, das „Gequietsche und Geknarze“ beim Üben ertragen zu müssen. Sie lacht: „Ich war sehr hinterher, dass es nicht so lange quietscht und knarzt, was meine Eltern überzeugt hat, mir das Instrument nicht mehr wegzunehmen.“ Heute ruht die Violine zwar häufiger. Dafür aber erlebt Müller-Lietzau als Direktorin das Beste aus beiden Welten – dem Management und dem künstlerischen Gestaltungsanspruch.

 

 

Dies ist ein Artikel aus dem Sonderheft „Chemnitz Capital“ von Cicero und Monopol.

 

 

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