- Wie realistisch ist die BER-Teileröffnung?
Flughafenchef Hartmut Mehdorn strebt eine Teileröffnung des Pannen-Airports BER bereits im Oktober an. Geht das überhaupt?
Der künftige Berliner Hauptstadtflughafen BER könnte womöglich für Billigflieger schon früher als erwartet teilweise eröffnet werden, nämlich schon im Herbst 2013. Das strebt zumindest Vorstandschef Hartmut Mehdorn an, der trotz Bedenken und Widerständen an einer stufenweisen Eröffnung des Airports festhält. Er will, wie jetzt publik wurde, möglichst kurzfristig ab Oktober 2013 die am alten Airport Schönefeld stationierte Billigfluggesellschaft Easyjet zum BER umziehen lassen – auch als symbolischen Startschuss, dass es am neuen Airport nach all den Pannen, Kostenexplosionen und verschobenen Eröffnungen endlich losgeht.
Was beabsichtigt Mehdorn genau?
Weil das Debakel so groß ist, lässt Mehdorn alle möglichen Szenarien durchspielen. Der 70-jährige BER-Chef ist ehrgeizig, er will es wissen. Er drängt auf Tempo. Im Kern geht es Mehdorn darum, den neuen Airport – der ein hochkomplexer Organismus ist – schrittweise hochzufahren, auch um Chaos wie in den ersten Tagen nach der Inbetriebnahme der Großflughäfen in London oder Paris von vornherein zu vermeiden.
Er setzt in seinem „Sprint“-Programm auf einzelne Meilensteine, auf eine schrittweise Inbetriebnahme. So soll noch im Sommer das fertige Cargo-Zentrum des neuen Airports starten, worüber er in Kürze mit Aufsichtsratschef Matthias Platzeck sprechen wird. Und für den Passagierflugbetrieb peilt Mehdorn an, ab Herbst im sogenannten Nordpier, einem Seitenflügel des nicht funktionierenden Fluggastterminals, die rund drei Millionen Passagiere der Airline Easyjet abzufertigen.
Wie realistisch ist der Vorschlag?
Es ist ein Szenario, das ernsthaft geprüft wird, aber noch verworfen werden kann. Deshalb gibt es auch keine offizielle Bestätigung. Flughafensprecher Ralf Kunkel sagte lediglich: „Unser Ziel ist und bleibt die zügige und sichere Inbetriebnahme des Flughafens BER. Wir beschleunigen sämtliche Prozesse am Flughafen mit unserem ’Sprint’-Programm und loten die verschiedensten Möglichkeiten aus. Es bleibt wie angekündigt: Wir werden im Herbst die nächsten Schritte vorstellen.“
Die Skepsis, auch im Aufsichtsrat, gegenüber Schnellschüssen ist groß. Die Entscheidung darüber wird nicht vor Spätsommer fallen. Easyjet, die erste BER-Airline werden will, wäre zumindest gern bereit. Geflogen würde zunächst weiterhin über die alte, noch aus DDR-Zeiten stammende Nordbahn des Flughafens.
Welche Hürden gibt es zu überwinden?
Die Brandschutz- und Entrauchungsanlage muss in diesem Teilgebäude funktionieren. Experten sind zuversichtlich, das hinzubekommen. Im Nordpier gibt es bislang keine Abfertigungskapazitäten, da die Check-Ins und Gepäckbänder zentral im Hauptterminal angeordnet sind. Es müssten also kurzfristig Check-Ins eingebaut werden. Eventuell könnten aber auch die Schalter in der Haupthalle genutzt werden, weil dort bei einem Feuer der Rauch über Luken im Dach abzieht. Für die Inbetriebnahme der Sicherheitskontrolle und der Gepäckausgabe müsste aber das Entrauchungssystem funktionieren.
Was das kosten würde, ist nicht bekannt. Und ohne grünes Licht des Bauordnungsamtes des Landkreises Teltow-Fläming geht eine Teilnutzung des Terminals auch nicht. Die Behörde, die einen guten Einblick in den Zustand der Baustelle hat, schließt ein solches Szenario jedenfalls nicht aus. „Eine Teilinbetriebnahme ist vorstellbar, wenn Voraussetzungen erfüllt sind“, sagte Kreissprecherin Heidrun Schaaf. Bis Dienstag lag aber kein Antrag des Flughafens für eine Teilinbetriebnahme oder eine Nutzung des Nordpiers vor. „Einen Termin Oktober 2013 kennen wir nicht.“
Wäre die Teilnutzung eine Ersparnis?
Das weiß noch niemand. Die Flughafengesellschaft steht als Unternehmen der Länder Berlin, Brandenburg und des Bundes finanziell unter Druck, da die Kosten des BER von einst 2,5 Milliarden Euro inzwischen auf 4,5 Milliarden Euro gestiegen sind, teilweise über Kredite finanziert. Jeden Monat der Nichteröffnung fehlen kalkulierte BER-Einnahmen von 15 bis 20 Millionen Euro, werden zum anderen Ausgaben in der gleichen Höhe fällig, so dass der Stillstand im Schnitt pro Tag über eine Million Euro verschlingt. Jeder Euro an Einnahmen, die möglich sind, wird gebraucht.
Warum wird nicht gleich die neue südliche BER-Start- und Landebahn genutzt?
Hartmut Mehdorn würde das gern. Die Südbahn mit allen Begleitanlagen ist fertig, hochmodern – eine Millioneninvestition, die brachliegt. Als die Nordbahn jüngst wegen eines Kleinflugzeug-Crashs einige Stunden gesperrt war, mussten Flüge nach Erfurt und Hannover ausweichen, durften auf der BER-Südbahn nicht landen. Es gibt für eine vorfristige Inbetriebnahme zwei Probleme: Nach Berliner Behördenbeschlüssen muss der Airport Tegel sechs Monate nach Inbetriebnahme der Südbahn geschlossen werden. Mehdorn drängt auf eine Verlängerung dieser Frist. Außerdem sind die Flugrouten für die neue Südbahn noch nicht scharf geschaltet, müssen erst genehmigt sein – das dauert einige Monate.
Wie kämen die Leute zum Nordpier?
Voraussetzung wäre die Eröffnung des unterirdischen Flughafenbahnhofs unter dem Terminal, die Mehdorn ebenfalls will. Er wurde deshalb bei der Deutschen Bahn vorstellig. Diese lässt den Bahnhof derzeit mit leeren S-Bahnen und Regionalzügen befahren. Bei einer Teileröffnung werde man eine „nachfragegerechte Bestellung“ von Fahrten prüfen, sagte Daniela Augenstein von der Senatsverkehrsverwaltung. Die BVG würde dann wohl auch mehr Busse fahren lassen. Derzeit beschränkt sich das Angebot auf eine Fahrt pro Stunde zum neuen Flughafen – vorwiegend für die Bauarbeiter.
Wie steht die Politik in Berlin und Brandenburg zu Mehdorns Plänen?
Mehdorn ist für seine Vorstöße bekannt. Deshalb war Senatssprecher Richard Meng auch nicht sonderlich über den neuesten Coup erstaunt. „Das ist das neueste Gerücht. Ich halte mich an Fakten. Die Flughafengesellschaft wird im Herbst einen Eröffnungsfahrplan vorlegen“, sagte Meng. Mehdorn habe „alle Varianten“ zu prüfen. Alles Weitere bewerte der Senat nicht, so Meng. Der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici wurde deutlicher: „Ich weiß nicht, was Mehdorn will. Jegliche Teileröffnung trägt die rechtliche Gefahr, dass das Planfeststellungsverfahren in Brandenburg neu begonnen werden muss. Das ist nicht im Interesse von Berlin“, sagte Friederici. Er plädiert für einen Gesamtumzug innerhalb weniger Tage und hofft auf eine Eröffnung noch vor 2015. Er kann sich vorstellen, auch das alte Schönefelder Flughafengebäude weiter zu nutzen. Das hatte auch der frühere Berliner Flughafenchef Hans-Henning Romberg vorgeschlagen. Er rät, der künftige Großflughafen BER in Schönefeld solle das Abfertigungsgebäude des alten Schönefelder Flughafens als Zweitterminal weiter nutzen – und die Kanzler-Maschine solle weiter in Tegel starten.
In Brandenburg hat Mehdorn bei Aufsichtsratschef und Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zumindest Rückendeckung, „ohne Denkverbote“ alles zu prüfen – auch eine Teilinbetriebnahme. Offiziell verweist Regierungssprecher Thomas Braune wie sein Berliner Amtskollege Meng auf die abgestimmte Linie, wonach Mehdorn bis Spätsommer ein Gesamtkonzept vorlegen soll. Auch das Bundesverkehrsministerium betont: Entscheidend sei das Gesamtkonzept, man wolle „keinen Aktionismus“.
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