- Weg mit der Cent-Münze!
Auf jeden Einwohner der Eurozone sind 79 Ein-Cent-Münzen Im Umlauf. Wo sind sie? Die meisten liegen unnütz in Gläsern in deutschen Haushalten oder Kneipen
Es geschah in der ersten Kneipe, die ich in Berlin aufsuchte. Wir waren zu viert am Tisch, jeder zahlte sein Bier selbst. Wir gaben der Kellnerin zwanzig Cent – in Zweiern und Fünfern.
„Sie sind asozial“, sagte sie uns verärgert.
Wie bitte? Hatte sie etwa Scheine erwartet? Eine Unbeteiligte, die den Streit schlichten wollte, sagte: „Naja, es ist schon ein bisschen asozial, mit Kupfer zu bezahlen.“
Sie sprach von Kupfer, was eigentlich nicht richtig ist, weil ein Cent nur sechs Prozent Kupfer enthält. 94 Prozent sind Eisen. Dagegen besteht die Euro-Münze zu 75 Prozent aus Kupfer, 20 Prozent sind Zink und fünf Prozent Nickel. Aber egal.
Seit diesem Moment habe ich Angst. Und seit diesem Moment frage ich in Geschäften, in Kneipen und auch bei Bekannten, was eigentlich das Problem mit diesem ungeliebten Kleingeld ist.
„Asozial ist es nicht, aber unhöflich schon“, erklärte mir eine nette Kellnerin aus einem Kreuzberger Café. „Wenn man schon keine andere Wahl hat, dann kann man mal mit Cent bezahlen. Aber es ziemt sich, wenigstens ‚Entschuldigung‘ zu sagen.“ Sie zeigte auf ein Regal hinter sich. Dort stand ein Glas voller Ein-, Zwei-, und Fünf-Cent-Stücke.
Wenn jemand mit Cent zahlt, wirft sie die in das Glas. Das bedeutet aber, dass sie eigenes Trinkgeld in die Kasse geben muss. „Denn es wird zu schwer, all das Kleingeld im Portemonnaie zu tragen,“ erklärte sie.
In der Wohnung, die mein Verlag mir und allen anderen Kollegen, die in Berlin einmal arbeiten müssen, gestellt hat, steht auf dem Tisch das gleiche Glas. Es ist rot und randvoll – mit genau 1,91 Euro. Es ist weniger ein Spar-Glas denn ein Müll-Glas.
„Man hält es für Bettlergeld“, erklärte mir eine andere Verkäuferin. „Das gibt man einem Obdachlosen auf der Straße.“
Mein Problem, wie ich all das Kleingeld los werde, schien endlich gelöst. Aber… in den Mützen oder Bechern der Bettler lagen fünfzig Cent, Ein- oder Zwei-Euro-Münzen. Wäre es nicht beleidigend, ihm in einen Becher Kupfer hinzuwerfen? Im letzten Augenblick verließ mich der Mut. Ich gab ihm zwei Zwanzig-Cent-Stücke – und einen entschuldigenden Blick.
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Meine nächste Idee war, das Kleingeld in einen Automaten zu schütten. Bei dem muss ich mich wenigstens nicht entschuldigen… Aber schon wieder gab es ein Problem: Die kleinste Münze, die der Fahrkartenautomat an der Haltestelle annimmt, sind fünf Cent.
Sind die Deutschen dafür schon zu reich? Eigentlich nicht. In Jahr 2004 hat Emnid den Deutschen gefragt, ob sie diese Kleingeld abschaffen wollten. 54 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus. Der Grund? Die T-Euer-ung. Ohne Ein- und Zwei-Cent-Stücke werden die Preisen in Geschäften hoch aufgerundet.
Dass auch Cent Geld sind, hat mindestens einer begriffen - die Initiative „Deutschland rundet auf“, die für wohltätige Zwecke Geld sammelt. Sie hat binnen eines Jahres eine Million Euro angehäuft. Dabei ist die maximale Summe, die ein Mensch spenden kann, zehn Cent. Man kann in vielen Supermärkten und Geschäften mitmachen, wenn man an der Kasse sagt: „Aufrunden bitte.“ Die Verkäufer überweisen die Differenz von Ein- oder sogar Fünf-Cent dann an die Stiftung.
Laut einer Statistik der Europäischen Zentralbank sind in den Ländern der Eurozone rund 26 Milliarden Ein-Cent-Münzen im Umlauf. Zusammen mit den Zweiern und Fünfern bilden sie knapp zwei Drittel des gesamten Münzumlaufs. Kein Geldstück wird häufiger geprägt – seit 2010 sind nochmals fünf Milliarden Cents hinzugekommen.
Statistisch gesehen kommen auf jeden Einwohner der Eurozone – inklusive Babys – 79 Ein-Cent-Stücke. Und das, obwohl Niederländer und Finnen Ein-Cent schon vor Jahren abgeschafft haben. Es liegen also immer mehr Münzen irgendwo unglücklich im Glas herum. In „meinem“ Glas sind es allein 52 Ein-Cent-Stücke.
Es fällt mir nur eine Lösung ein. Als 2003 in Tschechien 70 Zehn-Heller-Münzen pro Kopf im Umlauf waren, zog die Zentralbank diese aus dem Verkehr.
Die Leute haben diese Heller aber behalten. Sie machen mit ihnen das, was sie auch vor dieser Hartgeld-Reform schon immer getan haben: Poker spielen. Mit 52 Cent könnte man schon etwas riskieren.
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