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Eurokrise - Rettung für Zypern? Man höre und staune

„Stabilität durch Zypern?” Die Eurorettung von Frau Merkel & Co. nimmt groteske Züge an

Autoreninfo

Prof. Dr. Markus C. Kerber ist Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin. Seit 2006 ist er Gastprofessor für Verteidigungsökonomie am I.E.P., Paris.

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Die deutsche Bundeskanzlerin sieht sich gegenwärtig seitens des deutschen Parlaments mit einer Reihe von bohrenden Fragen konfrontiert. Kern der Fragestellung ist, ob und in welchem Umfang EFSF bzw. ESM zugunsten gleich einer ganzen Reihe von Ländern aktiviert werden soll. Dazu gehören neben dem Dauerrenner Griechenland auch Spanien und – man höre und staune – Zypern!

Bei Griechenland wird es um die Frage gehen, was sich die unbedingten Euroretter einfallen lassen, um zu verschleiern, dass die seit 2010 laufende, nachhaltig unmögliche Rettung Griechenlands bzw. die Schaffung eines tragbaren Schuldenstandes nicht erreicht worden ist und alle Prognosen diesbezüglich sich als Fehleinschätzungen entpuppt haben. Wenn die EZB den Ausputzer spielt und – wie jetzt angedacht – den Rückkauf griechischer Schulden fördert, wäre dies ein Weihnachtsgeschenk für Arbitrageure und Hedgefonds, und ganz nebenbei eine mit Art. 123 AEUV unvereinbare Form monetärer Staatsfinanzierung.

Pikant sind auch die Rettungspakete für Spanien und Zypern. Für Zypern handelt es sich um die relativ geringe Summe von € 17,5 Mrd. Sie soll einem Land aus der Patsche helfen, das für sich in Anspruch nimmt, unter der griechischen Krise schwer zu leiden, weil zypriotische Banken viele ausstehende Forderungen an das griechische Bankensystem hätten. Die Summe wirkt indessen weit unbescheidener, wenn man bedenkt, dass € 17,5 Mrd. die Gesamtsumme des zypriotischen Bruttosozialproduktes darstellt und Zypern zu den ganz großen Investitionsstandorten der russischen Außenhandelspolitik gehört. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Novosti soll Russland von den 2008 insges. $ 114 Mrd. im Ausland allein $ 15,5 Mrd. in Zypern investiert haben. Die Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes weisen Zypern als ein Zentrum der europäischen Geldwäsche aus. Russische Plutokraten nutzen die EU-Mitgliedschaft Zyperns aus, um sich in die Vorteile des freien Zahlungsverkehrs zu bringen.

Unter diesem Gesichtspunkt wird die Begründungslast für Frau Merkel, um darzulegen, dass Zypern für die Stabilität des Eurowährungsgebiets unerlässlich sei, erdrückend. Zypern war weder ein sinnfälliger Kandidat für den EU-Eintritt noch jemals ein Stabilitätsfaktor für das Eurowährungsgebiet. Aber man wird sich einiges einfallen lassen müssen, um die Behauptung zu stützen, dass ohne Zypern das Eurowährungsgebiet noch instabiler werde. Zahlreiche Politiker der Oppositions- und selbst der Regierungsparteien beginnen auszuscheren und lehnen die Zypernhilfe ab oder aber fordern zumindest, wie z.B. der Präsident des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz, dass, bevor ein Hilfspaket geschnürt werde, „offengelegt werden müsse, wo die in Zypern eingelagerten Gelder herkommen.“ Vielleicht kommt der eine oder andere deutsche Politiker auf die Forderung, die sich angesichts der Veröffentlichungen des Bundesnachrichtendienstes aufdrängt: Wären das Eurowährungsgebiet und die Europäische Union nicht für sich genommen sehr viel stabiler, würde man Zypern nicht nur aus der Eurozone, sondern auch aus der Europäischen Union entlassen?

Bei Spanien sind die Größenordnungen aufgrund des maroden Bankensektors sehr viel größer. Bemerkenswert an der Genese dieses Falles ist die Umkehrung der rapports de force. Obschon Spanien in der Bittsteller-Rolle sein müsste und den Geberländern die Erfüllung der Bedingungen eines Sanierungsprogrammes flehentlich zusagen sollte, hat es sein Schädlichkeitspotential, das weit über den zypriotischen oder griechischen Dimensionen liegt, längst erkannt. Es geht nicht mehr um die Frage, ob Spanien Geld bekommt, sondern darum, welche Bedingungen es den Geberländern diktieren kann, um dem Verlangen dieser Geberländer zu entsprechen, endlich einen Antrag auf einen Bail-out über die European Financial Stability Facility oder den ESM zu stellen.

Spanien will das Geld ohne Gegenleistung. Der Fall beleuchtet, was es mit der Forderung nach strikter Konditionalität auf sich hat. Dies lässt die Aussagen des Herrn Draghi am 6.9.2012 in einem neuen Licht erscheinen: Nicht die EZB, der ESM oder die European Financial Stability Facility geben den Ton an, sondern die sich ihrer Macht bewussten Nehmerländer. Dies könnte Europa zerreißen. Denn auf Erpressung kann keine politische Gemeinschaft beruhen.

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