- Kniefall vor den Islamisten
Vor sechs Monaten stürmten Islamisten ein Konzert der „Eagles of Death Metal“ in Paris. Nun ist die Band wegen kontroverser Statements ihres Frontmannes von zwei großen französischen Musikfestivals ausgeladen worden. Das kommt einer nachträglichen Aufwertung derer gleich, die sie damals zum Schweigen bringen wollten
Die „Eagles of Death Metal“ wurden zum umjubelten Symbol für den Widerstand gegen Angst und Einschüchterung. Am 13. November 2015 hatten Islamisten ihr Konzert in Paris gestürmt, hatten zehn Minuten lang mit Kalaschnikows ins Publikum gefeuert und Handgranaten in die Menge geworfen. 89 Menschen starben, darunter auch ein Mitglied der Crew der Band. Doch schon kurz nach den Angriffen traten die Musiker auf Einladung wieder in Frankreich auf.
Doch die wohlwollende Stimmung ist nun gekippt. Anlass dafür waren kontroverse Äußerungen gegenüber Muslimen sowie eher abstruse Behauptungen zum Tathergang des Anschlags, mit denen sich Jesse Hughes, der Frontsänger der „Eagles of Death Metal“, in den vergangenen Monaten zu Wort gemeldet hatte. Hughes hatte unter anderem behauptet, er habe am Abend der Anschläge in Paris feiernde Muslime auf den Straßen gesehen: „Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. In Echtzeit! Woher wussten die, was los ist? Es muss eine Form von Koordination gegeben haben.“
Nachdem er diese Aussagen kurz darauf selbst als „absurd“ zurückgenommen hatte und mit einem durch den Terror ausgelösten Trauma erklärte, wiederholte er sie kurz darauf erneut. Zudem erhob er Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Konzertlocation Bataclan: Die Attentäter, so Hughes, „könnten Sicherheitsleute und Türsteher gekannt haben. (…) Ich weiß mit Sicherheit, dass sie schon früher da drin waren, und irgendwie müssen sie da reingekommen sein.“
Konzertabsage ist Wasser auf die Mühlen der Terroristen
Diese Äußerungen haben nun die Veranstalter des „Rock en Seine“-Festivals in Paris und des „Cabaret Vert“-Festivals in Charleville-Métières, die zu den größten Musikfestivals Frankreichs gehören, zum Anlass genommen, die bereits eingeladene US-Band wieder auszuladen. In einer gemeinsamen Erklärung vom 19. Mai 2016 heißt es, dass man mit den Behauptungen von Hughes überhaupt nicht übereinstimme und daher die Auftritte abgesagt habe.
Die Absage ist ein neuer Tiefpunkt in der politischen Aufbereitung der islamistischen Terroranschläge von Paris. Es ist gewissermaßen eine nachträgliche Aufwertung derer, die die „Eagles of Death Metal“ bereits vor sechs Monaten zum Schweigen bringen wollten. Immerhin hatte die Terrormiliz „Islamischer Staat“, die sich zu den Anschlägen bekannt hatte, betont: Die Konzerthalle Bataclan habe man angegriffen, weil dort „eine perverse Feier“ stattgefunden habe.
Sechs Monate später liest sich die Begründung für die Konzertabsage wie eine verspätete implizite Zustimmung. Anstatt auf den Terror mit einem Feuerwerk der Toleranz und einem entschiedenen Eintreten für die Freiheit zu reagieren, kritisiert man die Angegriffenen für ihre offensichtlich vom Terror gezeichnete Reaktion und nimmt jene in Schutz, die sich durch Kritik am Islamismus verletzt fühlen könnten.
Opfer- und Täterrollen verschwimmen
Schlimmer noch: Man scheint sich in Europa an den Gedanken zu gewöhnen, das eigene Freiheitsverständnis infrage zu stellen und zurückhaltend auszulegen, um den Konflikt mit dem Terror zu relativieren. Die zunehmend kritische Stimmung gegenüber dem französischen Satiremagazin „Charlie Hebdo“ etwa deutet darauf hin, dass diejenigen, die ihre Freiheitsrechte nutzen, immer häufiger als „Fundamentalisten der Meinungsfreiheit“ und somit als die eigentlichen Auslöser des Terrors angesehen werden.
Im Falle der „Eagles of Death Metal“ kommt hinzu, dass es sich bei deren Frontsänger Hughes um einen erklärten Anhänger des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump handelt, wie in einigen europäischen Medien wie etwa der Süddeutschen Zeitung genüsslich ausgebreitet wurde. Zudem stehe er für ein liberales Waffenrecht ein und sei ein vehementer Kritiker der politischen Korrektheit. Man hat zuweilen das Gefühl, die entschiedene Ablehnung dieser politischen Positionierung des Leadsängers sei wichtiger als die Notwendigkeit, Meinungs- und Redefreiheit gegenüber islamistischen Terroristen zu verteidigen.
Suizidale Selbstaufgabe von Werten
Man muss mit den Ansichten von Hughes nicht übereinstimmen, ganz gleich, was er behauptet. Ohnehin sind politische Äußerungen von Musikern in der Regel wenig geeignet, um deren künstlerische Existenzberechtigung zu bewerten. Würden wir damit beginnen, blieben viele Bühnen künftig leer. Der hiesige Fall grenzt schon an eine suizidale Selbstaufgabe von Wertvorstellungen und Freiheitsrechten.
Die Zivilisation hat dann verloren. Eine selbstbewusst ihre Freiheit behauptende und auslebende Gesellschaft müsste stattdessen ohne zu zögern ausrufen: „Perverse Metal-Freaks aller Länder, feiert bei uns!“
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