- Was kommt auf Franziskus zu?
Vatileaks-Skandal und Kirchenaustritte: Franziskus übernimmt das Pontifikat in einer schwierigen Zeit. Was erwartet ihn?
Die wichtigste Aufgabe eines Papstes besteht darin, die Weltkirche mit ihren 1,2 Milliarden Katholiken zusammenzuhalten, die Einheit zu wahren. Das ist schon schwer genug. Aber auf den neuen Papst Jorge Mario Bergoglio kommen noch viele weitere Herausforderungen zu.
Was sind die dringlichsten Aufgaben?
Seine beiden Vorgänger waren keine Managerpersönlichkeiten und ließen die Zügel in der Kurie schleifen. Struktureller Wildwuchs war die Folge und ein Klima, in dem Denunziation, Korruption und Erpressung gedeihen konnten. Der Vatileaks-Skandal hat ein Licht darauf geworfen.
Bergoglio müsste dringend die Kurie reformieren, sie verschlanken und wieder klare Strukturen einziehen.
In der westlichen Welt laufen der Kirche die Gläubigen scharenweise davon. Papst Benedikt hat ein eigenes Ministerium zur „Neuevangelisierung“ gegründet. Außer Konzepten und Papieren ist bislang nichts daraus gefolgt. Bergoglio könnte durch seinen Lebensstil, durch die Bescheidenheit, die er vorlebt, Menschen neu für die Kirche begeistern.
In Afrika und Lateinamerika wiederum fallen die Menschen nicht vom Glauben an sich ab, aber immer mehr treten zu evangelikalen Gruppierungen über. Mit den Evangelikalen den Wettbewerb aufzunehmen, ohne selbst fundamentalistisch zu werden, ist ein weiteres Spannungsfeld, das auf Bergoglio wartet.
Was bedeutet es, dass er Jesuit ist?
Der Orden der Jesuiten, 1534 von Freunden des Ignatius von Loyola gegründet, galt lange Zeit als intellektuelle und strengst katholische Speerspitze des Papstes im Kampf gegen die Reformation. Neben Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam verpflichten sie sich zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst. Zudem legen sie ein Zusatzversprechen ab, nicht nach kirchlichen Ämtern zu streben. Zu ihnen gehören weltweit etwa 19 000 Mitglieder, sie unterhalten weltweit Schulen und Hochschulen und gelten wegen ihrer exzellenten Ausbildung und ihrer strengen geistlichen Übungen als intellektuelle Avantgarde. Allerdings hat der Orden auch immer wieder große Auseinandersetzungen mit einzelnen Päpsten durchgestanden, gerade auch Pedro Arrupe, der von 1965 bis 1981 Generaloberer war. Mit seinen Aktionen für größere soziale Gerechtigkeit und seine Sympathie für die Befreiungstheologie legte er sich mit Oberhirten an, ihm wurde schließlich ein „päpstlicher Delegat“ zur Seite gestellt. Der Orden war in Ungnade gefallen. Dass nun ein Jesuit auf dem Petristuhl sitzt, werten Jesuiten als Versöhnung und Rehabilitation durch die Weltkirche.
Was sagt seine Namenswahl aus?
Die Buchmacher hatten am Nachmittag noch auf Leo gesetzt. Aber der argentinische Kardinal Bergoglio mit italienischen Wurzeln hat sich Franziskus von Assisi als Schutzheiligen ausgesucht. So etwas gab es noch nie. In den vergangenen 400 Jahren haben sich die Päpste stets nach denselben elf Namen benannt: Clemens und Pius waren mit je sieben Mal die Favoriten. Auch Dominikus oder Ignatius, die Namen der anderen beiden großen Ordensgründer, fehlten bislang im Kanon der Papstnamen. Seit über 1000 Jahren hat es keine neuen Namen mehr gegeben. Franziskus von Assisi lebte von 1181/82 bis 1226 und folgte Jesus Christus auf besonders radikale Art nach. Er stammte aus reichem Elternhaus, verkaufte allen Besitz, lebte in kompletter Armut und begründete den Bettelorden der Franziskaner. Der Lebensentwurf des Heiligen dient heute noch vielen Menschen als Vorbild, den Kapitalismus in seiner reinen Form abzulehnen und ein bescheidenes, der Umwelt angepasstes Leben zu führen. Franz von Assisi ist seit 1980 Schutzpatron der Ökologen. Der neue Papst dürfte also auch die Bewahrung der Schöpfung zu seinem Thema machen. Außerdem ist Franziskus der Schutzpatron Italiens. Darüber dürften sich die italienischen Kardinäle besonders gefreut haben.
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