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Zum Tod von David Bowie - Nachruf auf das Chamäleon der Popmusik

Es gab viele verschiedene David Bowies. Nicht umsonst war er das erste große Chamäleon der Popmusik. Einer, der sich beständig neu erfand. Bowie hat das Berufsbild Popstar, so wie wir es heute kennen, tatsächlich erst definiert

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Winkler, Thomas

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Einer wie Elvis war ein Star, aber blieb doch immer vor allem Elvis – bis zuletzt in all seiner bananenundpeanutbutterbrotigen Fettleibigkeit. Bowie war viele verschiedene Stars vom rothaarigen Ziggy Stardust über den scharz-weißen Bowie der „Heroes“-Tage bis zum ehrwürdigen Paten des Popgeschäfts. Aber er war nie bloß David Bowie – bis zum 10. Januar 2016 und trotz eines Musikvideos zum Abschied, in dem er seinen Krebstod unverhohlen thematisierte.

In „Lazarus“ liegt der erbärmlich abgemagerte Bowie, den Kopf bandagiert, weniger auf einem kargen Krankenbett, als dass er sich schwebend in die Luft erhebt. Er tanzt, ungelenk und knochig, fast wie ein Skelett. Und er schreibt an einem Pult, hektisch und verzweifelt, das Gesicht eingefallen, als wären es seine letzten Zeilen.

David Bowie begeisterte über Altersgrenzen hinweg


Aber so berührend das ist: Selbst in seinen letzten Monaten, in denen er, ohne dass die Öffentlichkeit davon wusste, gegen den Krebs kämpfte, verwandelte er sein Leiden und Siechen noch zielgerichtet in Kunst. Selbst in diesem letzten Videoclip, der von seinem eigenen Sterben handelt, bleibt Bowie vor allem eine Kunstfigur.

So konnte David Bowie, geboren am 8. Januar 1947 als David Robert Jones in London, zuletzt wohnhaft in New York, verheiratet mit dem Model Iman Mohamed Abdulmajid, für jeden Menschen, der seine Musik hörte, zu einem anderen David Bowie werden. Aus den vielen verschiedenen künstlerischen Entwürfen, zwischen den zerfließenden Geschlechtergrenzen und stetig wechselnden Klangideen entstand eine Projektionsfläche, in der jeder sich selbst spiegeln konnte über Altersgrenzen, sexuelle Orientierungen und bisweilen sogar kulturelle Differenzen hinweg.

Musik, Schauspiel, Malerei – ein Universaltalent


Das hatte viel zu tun mit den beständigen Imagewechseln, die Bowie vollzogen hat in einer Karriere, die nahezu ein halbes Jahrhundert umspannte, und den unzähligen Neuentwürfen des Klangbildes vom Glam Rock der Anfangstage als Ziggy Stardust and the Spiders from Mars bis zum von Bowie selbst so getauften „Plastiksoul“ von „Young Americans“, der ihn auch in den USA zum Star beförderte. Er experimentierte in der lange währenden Zusammenarbeit mit Brian Eno mit Elektronik, Krautrock und Avantgarde, feierte mit dem von Chic-Mastermind und Disco-Legende Nile Rodgers produzierten Funk von „Let's Dance“ eines von vielen glorreichen Comebacks und adaptierte immer wieder aktuelle Strömungen wie Industrial oder Jungle, ohne auch nur einmal zu wirken wie ein Altstar, der sich dem flüchtigen Zeitgeist anzubiedern versucht.

Dass es einen anderen Bowie für jeden gab, hatte aber auch damit zu tun, dass er sich nicht auf das traditionelle Kerngeschäft eines Popstars beschränkte, sondern ebenfalls als Schauspieler, Maler, Produzent, Arrangeur und Instrumentalist reüssierte, dass er den „Elefantenmenschen“ auf der Bühne in London spielte und sich selbst im Film „Christiane F.“. Und nicht zuletzt lag es an seiner Stimme, die so wandlungsfähig war wie kaum eine andere.

Legendäres Berlin-Konzert


In Bowies Gesang konnte das Pathos des großen Auftritts liegen, aber auch problemlos die kleine Verzweiflung des Alltags, das existenzielle Leid des Blues und die kreischende Wut des Rock, liebevolle Zärtlichkeit und reine Raserei. Bowie konnte glamouröser Popstar sein und zugleich Singer/Songwriter – ein Spagat, den er lange exklusiv hatte. Er beherrschte sowohl die raumgreifenden Gesten eines Freddie Mercury, mit dem er 1981 im Duett den Hit „Under Pressure“ landete. Aber er konnte eben auch eine direkte, nahezu schmerzhafte Intimität schaffen – zuletzt 2013, als überraschend „The Next Day“ erschien, die ersten neuen Songs nach einer zehnjährigen Kreativpause. In der Single „Where Are We Now?“ erinnerte er sich wehmütig an seine Zeit in Westberlin in den Siebzigerjahren.

Dort, in Schöneberg vor dem Haus in der Hauptstraße 155, in dem Bowie von 1976 bis 1978 lebte, sammelten sich in den Stunden nach seinem Tod Fans, legten Blumen nieder, zündeten Kerzen an und hörten seine Lieder. Mit der deutschen Hauptstadt verbanden Bowie nicht nur diese Jahre und die zum Teil während dieser Zeit entstandene, sogenannte „Berlin-Trilogie“ aus den Alben „Low“, „Lodger“ und „Heroes“, sondern auch Weltgeschichte. Im Juni 1987 kehrte Bowie zurück nach Westberlin, um vor dem Reichstag aufzutreten. Einige Lautsprecher des Open-Air-Konzertes waren ausdrücklich gen Osten gerichtet, wo sich hinter der Mauer Hunderte versammelten, um Songs wie „Heroes“ zu hören, in dem Bowie eine Liebe im Schatten des antifaschistischen Schutzwalls beschreibt: „I, I can remember, standing, by the wall. And the guns shot above our heads. And we kissed, as though nothing could fall“. Zweieinhalb Jahre später fiel die Mauer tatsächlich, 28 Jahre später, einen Tag nach seinem Tod, twittert das deutsche Außenministerium: „Thank you for bringing down the wall.“

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