Sebastian Schneider als Krull/Mann / mindjazz pictures

Film der Woche: „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“ - Queere Aneignung

In dem semifiktionalen Dokumentarfilm „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“ wird der Jahrhundertautor zum Produkt queerer Fantasien. Die hier behauptete Übereinstimmung zwischen Mann und seiner Romanfigur Felix Krull ist an den Haaren herbeigezogen.

Autoreninfo

Ursula Kähler ist promovierte Filmwissenschaftlerin und arbeitete unter anderem am Deutschen Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt am Main. Sie veröffentlichte „Der Filmproduzent Ludwig Waldleitner“ (2007) und „Franz Schnyder. Regisseur der Nation“ (2020).

 

So erreichen Sie Ursula Kähler:

„Im Garten. Münchner Kellner. Hübsch.“ Thomas Manns homoerotische Neigung ist kein Geheimnis. Erahnen konnte man sie bereits zu Lebzeiten in Werken wie „Tonio Kröger“ oder „Der Tod in Venedig“. Doch spätestens seit Erscheinen seiner Tagebücher Ende der 1970er Jahre war die Sache klar. Sie waren eine Art postumes Coming Out. Mann verfasste die Aufzeichnungen im Wissen der Veröffentlichung. Sie erschütterten die steife, bürgerliche Fassade, die der Literaturnobelpreisträger jahrzehntelang aufrechthielt. Der Leser erfährt hier auf teils drastische Weise intime Details zu depressiven Phasen, Verdauungs- und Erektionsproblemen sowie zu Manns homosexuellen Gelüsten. Seinen Trieb verurteilte der Autor stets als Schwäche und Versagen.

Ein Ausleben seiner wahren Sexualität blieb Thomas Mann nicht vergönnt. Mögliche Liebschaften, insbesondere in der Jugend, sind reine Spekulation. Vor dem rechtlichen Hintergrund der damaligen Zeit ist Manns Entscheidung für ein Leben in geordneten Bahnen als Ehemann und Familienvater einleuchtend. Der im Deutschen Kaiserreich eingeführte Paragraf 175 stellte „widernatürliche Unzucht“ unter Männern unter Strafe. Stattdessen widmete Mann all seine Energie dem künstlerischen Schaffen. Die Familie, allen voran Gattin Katia und Tochter Erika, unterstützte ihn dabei nachhaltig.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns über eine konstruktive Debatte. Bitte achten Sie auf eine sachliche Diskussion. Die Redaktion behält sich vor, Kommentare mit unsachlichen Inhalten zu löschen. Kommentare, die Links zu externen Webseiten enthalten, veröffentlichen wir grundsätzlich nicht. Um die Freischaltung kümmert sich die Onlineredaktion von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr. Wir bitten um Geduld, sollte die Freischaltung etwas dauern. Am Wochenende werden Forumsbeiträge nur eingeschränkt veröffentlicht. Nach zwei Tagen wird die Debatte geschlossen. Wir danken für Ihr Verständnis.

Ihr Kommentar zu diesem Artikel

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.