- Mr. Maker
Stefan Schmidtke über Machermentalität, Gigantomanie und die tägliche Kleinarbeit auf dem langen Weg nach 2025
Herr Schmidtke, in Chemnitz dreht sich alles um das Jahr 2025. Aber was passiert eigentlich 2026? Wird mit Silvester alles vorbei sein?
Stefan Schmidtke: Nein, ich bin mir sicher, auch 2026 und darüber hinaus wird sich in der Stadt und in der Region sehr viel bewegen. Viele der angeschobenen und aufgebauten Projekte werden sich dann etabliert haben. Aber es werden nicht nur Events bleiben. Hinzu kommt hoffentlich noch etwas Zweites: eine Art kreativer Phantomschmerz. Ich hoffe, dass sich die Chemnitzerinnen und Chemnitzer im Jahre eins nach der Kulturhauptstadt einen Hunger nach Kunst und Kultur bewahren werden. Und dass dieser dazu führt, dass langfristig Energie und finanzielle Ressourcen in bestehende und neue Projekte fließen.
Im Zentrum steht also das eigene Engagement?
Natürlich. Und das nicht erst 2026. Kulturhauptstadt ist ein Projekt, das von den Menschen getragen wird – in jeder Hinsicht. Die lokalen Akteure setzen unzählige Projekte um. Wirunterstützen sie dabei, sich weiter zu professionalisieren, internationale Kontakte zu knüpfen, in einer neuen europäischen Dimension zu denken. Gleichzeitig sind die Menschen aufgerufen mitzumachen, zum Beispiel indem sie eigene Ideen in sogenannten Mikroprojekten umsetzen oder in ihren Vereinen und Unternehmen Ideen für die Kulturhauptstadt entwickeln.
Das heißt, die viel beschworenen Macher in der „Macherstadt“ Chemnitz machen ihr Ding. Wo liegt dann eigentlich Ihre Aufgabe?
Zurzeit steht bei mir die tägliche Kleinarbeit im Fokus. Das sind vor allem Gespräche mit Menschen. Ich drehe jeden Tag an einer kleinen Schraube, damit spätestens 2025 die riesige Maschine läuft. Bei einem so umfangreichen Projekt kommt nicht über Nacht der große Ruck. Eher geht es um die Orchestrierung von tausend Kleinigkeiten. Die vielen kleinen Dinge greifen wie Zahnräder ineinander. So lange, bis das große Ganze sichtbar wird. Ich weiß, da wird auch manch einer nervös. Viele denken, dass morgen Früh eine Pauke nach der anderen geschlagen wird. In Wahrheit aber ist das ein langsames Crescendo.
Wie schafft man es, dieses Crescendo richtig zu orchestrieren?
Es gibt natürlich eine Dramaturgie für das Ganze. Für die sind wir als Team der Kulturhauptstadt GmbH verantwortlich. Alle Projektideen, die in das Programm für 2025 einfließen, stehen in dem Bewerbungsbuch, für das Chemnitz 2020 den Titel Kulturhauptstadt Europas verliehen bekommen hat. Das sind über 70. Unsere Herausforderung besteht ganz aktuell vor allem darin, mit den Ideengebern und allen Beteiligten zu erarbeiten, wie die im Bewerbungsprozess skizzierten Projekte tatsächlich realisiert werden können. Das Programm ist vielfältig. Es beginnt mit den Erzählungen über das Erzgebirge, dann folgen die Erzählungen über die Menschen. Und dann gibt es, wenn man bei der Sprache der Musik bleibt, noch einen langsameren Satz. In dem verschaffen wir der Freude und der Lebensfreude Gehör. Und das alles entwickeln wir aus dem Motto „Chemnitz: C the Unseen“.
Gibt es auch Projekte aus der Bewerbung, die nicht realisiert werden können?
Ja, die gibt es auch. Aber das ist nicht ungewöhnlich in diesem Prozess. Im Programm für das Kulturhauptstadtjahr geht es nicht um Quantität, sondern um eine alle Events und Projekte durchdringende Qualität und Aktualität. Deshalb läuft im Moment ein umfangreicher Ausschreibungsprozess für neue Projekte in verschiedenen Themenbereichen – zum Beispiel Kinder-, Jugend- und Generationenprojekte. Die Idee Kulturhauptstadt dreht sich meiner Meinung nach nicht darum, bei einer namhaften Agentur große Acts einzukaufen. Es ist sehr viel nachhaltiger, die bereits existierende Kunst- und Kulturszene zu stärken und weiter auszubauen.
Welche Rolle spielen in diesem Prozess die angrenzenden Gemeinden im Erzgebirge sowie die Nachbarn in Polen und Tschechien?
Die Industriestadt Chemnitz trägt den Titel Kulturhauptstadt zusammen mit 38 Kommunen aus der umliegenden Erzgebirgsregion. Mit den Rohstoffen, die in den Bergwerken des Erzgebirges gefördert wurden, ist die Stadt während der Industrialisierung zu Wohlstand gekommen. Stadt und Region waren so schon immer eng miteinander verbunden. Jetzt werden Kunst und Kultur zu den neuen Rohstoffen in der Region. Das Erzgebirge ist seit jeher bekannt für seine traditionelle Handwerkskunst. Mit den Makerhubs entstehen jetzt in der Region neue kreative Zentren, in denen Menschen arbeiten werden, die Tradition und Innovation zusammenbringen, und ich bin sehr gespannt, wie es mit ihnen weitergeht.
Dies ist ein Artikel aus dem Sonderheft „Chemnitz Capital“ von Cicero und Monopol.
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