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Wutbauer wehrt sich - Verbraucher, es reicht!

Kolumne: Stadt, Land, Flucht: Das Verhältnis von Landwirten und Verbrauchern ist zerrüttet. Ein Bauer ist die Rolle des Sündenbocks leid und schrieb einen Wutbrief. Er räumte überraschende Erkenntnisse ein

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Auf meinen gebeugten Rücken prasselt der Regen, ich wate durch eine Pfütze aus Schlamm und Pferdeäppeln. An der Weide, auf der ich meine Arbeit verrichte, fahren Autos vorbei, die Fahrer schauen nicht auf zu mir, der Frau, die da im Matsch steht. Schnell fahren sie durch die an diesem Morgen unwirtliche Landschaft, um Unterschlupf zu finden, vielleicht in gemütlich geheizten Büros, wo sie ihre Computer hochfahren und in ein mitgebrachtes Sandwich beißen. Mit den schmutzigen Äckern, an denen sie eben noch vorbeigefahren sind, hat ihr Leben nichts zu tun. Ich ziehe die Kapuze ins Gesicht und schaufle den nächsten Haufen feuchter Pferdeäppel in die Schubkarre.

Kaum etwas stimmt einen verletzlicher als im Angesicht anderer, vermeintlich niedere Arbeiten zu erledigen. Gleichzeitig entwickeln Menschen aus solchen Situationen einen unbeugsamen Stolz. Zu beobachten ist das bei den deutschen Bauern. Sie haben es nicht leicht zur Zeit, gelten sie doch als Buhmänner der Nation. Antibiotika in der Tierhaltung, Pestizide im Grundwasser, geschredderte Hähnchenküken und genmanipulierter Mais – schuld an all dem Schlechten in der Ernährungsbranche ist der Landwirt. Der hat sich als dankbarer Sündenbock erwiesen, seine Widerworte finden in der Öffentlichkeit kaum statt. Die Bauern dagegen ziehen ihre Kapuzen seit Jahren immer tiefer ins Gesicht, bleiben unter sich, sind trotzig und wütend. Wer einmal auf einer Infoveranstaltung für Landwirte war, der bekommt den Eindruck, dass sich hier ein ganzer Berufszweig einer modernen Hexenjagd erwehren muss. Wenn ihnen in Entwicklungsprogrammen weisgemacht werden soll, was Nachhaltigkeit bedeutet, dann empfinden das viele Bauern so, als würde man einem IT-Fachmann erklären, wozu sein PC einen Akku hat.

Aber einer von ihnen wählt einen anderen Weg und erzeugt damit überraschend große Resonanz: „Bauer Willi“, so sein Synonym, ist Rheinländer und so etwas wie die Jeanne d’Arc unter seinesgleichen. Seit einiger Zeit betreibt der promovierte Landwirt ein Blog über sein Berufsleben. Eine andere Bauerngemeinschaft bestückt die Webseite „Frag doch mal den Landwirt“. Willi und die Kollegen wollen erklären, wie Landwirtschaft heute funktioniert. Sie kämpfen um Respekt für ihre Zunft.

Hauptsache billig


Im Januar hat sich Willi mit einem Wutbrief an den Verbraucher gewandt. Auslöser war der Kartoffelpreis, der Anfang des Jahres auf einen unglaublichen Wert von 1 Cent pro Kilo gefallen war. Da wütete Willi: „Du, lieber Verbraucher, willst doch nur noch eines: billig. Deine Lebensmittel sollen genfrei, glutenfrei, laktosefrei, cholesterinfrei, kalorienarm [...] sein, möglichst nicht gedüngt und wenn, dann organisch[...]. Gespritzt werden darf es natürlich nicht, muss aber top aussehen, ohne Flecken. [...] Auch sonst behauptest du viel: dass du auf Qualität achtest, dir die Inhaltsstoffe auf der Packung jedes Mal durchliest, auf Nachhaltigkeit achtest und überwiegend fair einkaufst. Alles Quatsch. Was du liest, sind die Wurfzettel vom Discounter: 10 Eier für 1 Euro. Jetzt aber schnell los, bevor die weg sind. Freiland-Eier sind teurer? Egal, die billigen sind ja nur zum Backen.“

Das Echo war überraschend, mittlerweile hat sein Text mehrere Millionen Menschen erreicht. Auch die Bauern waren begeistert darüber, dass endlich einem von ihnen zugehört wird. Aber Willi hörte da nicht auf. Jetzt hat sein Ärger die eigene Klientel abbekommen. Er will die Landwirte aus ihrer Trotzphase rütteln und kritisiert in einem neuen Eintrag, sie hätten sich viel zu lange ruhig verhalten, hätten es genossen, dass Marketingabteilungen Illusionen einer bäuerlichen Idylle verkauften, die es schon lange nicht mehr gibt, anstatt die Kunden mitzunehmen in den Jahren als die Höfe größer und moderner wurden. Das habe man verpasst.

Jetzt ist es an der Zeit für die Bauern, sich zu öffnen und die eigene Arbeit zu erklären. Die Verbraucher aber sind aufgefordert, hinzuschauen, auch wenn sie es sich in ihrer Welt fernab der landwirtschaftlichen Realitäten mit matschigen Wiesen, vollgeschissenen Verschlägen und getöteten Tieren bequem gemacht haben. Auf der Facebookseite „Frag doch mal den Landwirt“ hat das Team Bilder von totgeborenen Schweinebabys gepostet. Das ist die Realität. Und wer Fleisch ist, sollte sich trauen, hinzuschauen.

Ein paar Tage nach meiner Mistarbeit im Regen ist der Frühling da. Wir haben die Schafe auf die Weide gebracht, die Sonne scheint, der Kuckuck ruft zum ersten Mal, der Nachbarsbauer ruckelt mit seinem Trecker vorbei, bleibt stehen und hat Zeit für ein Schwätzchen. Vorbei fahren Menschen mit offenen Fenstern, um ein wenig Frühlingsluft zu erhaschen. Es muss ihnen reichen für den Rest des Tages. Den verbringen sie im Büro.

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