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Cicero-Cover Oktober 2014

Faules Spiel - Keine WM in Russland und Katar

Die Vergabe der Fußball-WM an Russland und Katar ist nicht erst seit den jüngsten politischen Entwicklungen hochumstritten. Denn in beiden Fällen geht es um ein unglaubliches Maß an Korruption. Geschichte eines Skandals, bei dem Recht und Gesetz keine Bedeutung mehr haben

Autoreninfo

Jens Weinreich schreibt seit 20 Jahren über die Korruption im Sport. Zuletzt ist sein Buch „Macht, Moneten, Marionetten“ erschienen. In Kürze erscheint sein Ebook „FIFA confidential“

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In der skandalträchtigen Chronik des Weltsports markiert der 2. Dezember 2010 ein spektakuläres Kapitel. An jenem Tag wurden in Zürich die Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022 vergeben. Das Exekutivkomitee des Weltfußballverbands Fifa, damals auf 22 Mitglieder dezimiert, weil zwei Funktionäre wegen Bestechlichkeit suspendiert worden waren, entschied sich unter elf Nationen mehrheitlich dafür, die WM 2018 an Russland und die WM 2022 an Katar zu vergeben. Das hatten nur wenige Insider erwartet. Für Hunderte Millionen Fußballfans war es eine Sensation. Ein Irrsinn. Die Wahl Russlands war ja noch halbwegs vermittelbar – aber das winzige Emirat Katar? Eine Weltmeisterschaft in der Wüste? Die Fifa-Bosse setzten sich über alle Bedenken selbst in den eigenen Reihen hinweg. Für Mitbewerber war es ein Schock; Australier und Engländer scheuten sich nicht, die Korruptionsfrage aufzuwerfen und Belege dafür zu sammeln. Das war neu.

Russland und Katar hatten in der technischen Evaluierung schlecht abgeschnitten. England (2018) und die USA (2022) hatten gemäß Prüfbericht der Fifa die besten Offerten unterbreitet, mit der nötigen Infrastruktur inklusive zahlreicher Stadien, die profitabel betrieben wurden. Doch derlei Aspekte der Nachhaltigkeit milliardenschwerer Mega-Events interessierten die Fifa-Führung nicht.

WM-Franchise der Fifa
 

Seit jenem 2. Dezember 2010 diskutiert alle Welt über umfassende Korruption bei diesen Bewerbungen, über eine Verlegung der WM 2022 vom Sommer in den Winter, über Menschenrechte, skandalöse Arbeitsbedingungen und das sklavenhalterähnliche Kafala-System in Katar, über einen Boykott der WM 2018 in Russland wegen Wladimir Putins Annexionspolitik in der Ukraine – und sogar über eine Neuvergabe der Turniere. Letzteres liegt aber allein in der Macht der Fifa. Keine politische Institution könnte den Verband zu diesem Schritt zwingen. Zu den vielen bizarren Konstellationen zählt also auch der Umstand, dass allein jene, die Russland und Katar mit den WM-Turnieren betraut haben, ihre eigenen Entscheidungen kassieren können. Würden dann die korrupten unter ihnen auch das Schmiergeld zurückzahlen?

Schon in der Bewerbungsphase unterwarfen sich alle WM-Interessenten dem Regelwerk der Fifa und verzichteten darauf, gegebenenfalls Ansprüche vor ordentlichen Gerichten durchzusetzen. Ein Disput könnte lediglich vor dem umstrittenen Weltsportgerichtshof CAS in Lausanne ausgetragen werden. Die Fifa ist in diesem WM-Franchise der Rechteinhaber; Russland und Katar bezahlen zwar die Party, bleiben aber Juniorpartner wie alle anderen WM-Organisatoren zuvor.

Natürlich müssten sich Russland oder Katar nicht an ein Fifa-Verdikt zu ihrem Nachteil halten, sondern könnten einen Präzedenzfall schaffen und auf den Rechtsweg der Fifa-Familie pfeifen. Wie wahrscheinlich aber wäre dieser Schritt, der ja bedeuten würde, dass Korruptionsfälle, die zur Neuvergabe der WM geführt haben, vor ordentlichen Gerichten öffentlich verhandelt würden? Daran hat niemand Interesse, weder die Geber aus Russland und Katar noch die Nehmer aus dem Fifa-Exekutivkomitee.

Russland hatte sich im Dezember 2010 mit 13 Stimmen in der ersten Runde vor Spanien und Portugal durchgesetzt. Katar gewann in der vierten Runde mit 14 zu acht Stimmen gegen die USA. Von den Fifa-Vorstandsmitgliedern des Jahres 2010 sind inzwischen neun der Korruption oder der Mitwisserschaft überführt, gegen 13 Funktionäre liegen Indizien vor, die auf Nepotismus bis hin zu Millionen-Abzocke deuten. Nur zwei dürfen als unbescholten gelten: Geoff Thompson aus England und Junji Ogura aus Japan. Beide haben das Exekutivkomitee inzwischen verlassen, ebenso wie die deutsche Fußballikone Franz Beckenbauer. Beckenbauer wurde im Mai 2012 für eine unbekannte Summe Botschafter des von Gazprom geführten Verbands russischer Gasproduzenten – eine Partnerschaft, über deren Anbahnung bereits 2010 in der Bewerbungsphase gemunkelt wurde. Beckenbauer weist jeden Zusammenhang zur WM-Vergabe zurück.

Seit 2010 schieden acht korrupte Führungskräfte aus. Im Herbst 2014 gilt dennoch mehr als die Hälfte der nunmehr 25 Exekutivmitglieder als belastet. Dazu zählen Vizepräsident Michel Platini aus Frankreich oder Michel d’Hooghe aus Belgien, deren Söhne unmittelbar nach der WM-Vergabe lukrative Jobs in katarischen Firmen erhielten.

Dazu zählt auch der Strippenzieher Marios Lefkaritis aus Zypern, dessen Werk einer größeren Öffentlichkeit bislang verborgen blieb. Zum Kerngeschäft seiner Unternehmen zählt der Handel mit Öl und Gas. Im Sommer 2011 hat Lefkaritis für 32 Millionen Euro Grundstücke an Katars Staatsfonds QIA verkauft. Natürlich behauptet Lefkaritis, dieser Deal sei unabhängig von seiner Tätigkeit in der Fifa zustande gekommen. Der Klassiker unter den billigen Ausreden, aber wirkungsvoll: Im moralischen Sinne lassen sich derlei Vorgänge zwar kritisieren, strafrechtlich aber gilt es zu beweisen, dass der Grundstücksdeal die Entlohnung für die Stimme von Lefkaritis bei der WM-Vergabe war.

Die Unabhängigkeit der Ethikkommission
 

Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil. Nachweisen lässt sich dieser Missbrauch selten, weil Geber und Nehmer – beide sind Täter – ein Geheimhaltungsinteresse verbindet. Das unterscheidet Korruption von anderen Vergehen. Das macht die Aufklärung so schwierig und treibt die Dunkelziffern bei solchen Delikten in schwindelerregende Höhen jenseits von 95 Prozent – zumal im rechtlichen Niemandsland des Weltfußballwesens, wo Korruption in all ihren Schattierungen nicht die Ausnahme ist, sondern die Regel.

Anfang September hat der von der Fifa verpflichtete ehemalige amerikanische Staatsanwalt Michael Garcia seinen sogenannten Untersuchungsbericht zum WM-Bewerbungsprozess vorgelegt. Als Chef der Ermittlungskammer der hausinternen Fifa-Ethikkommission überstellte Garcia das Konvolut von 350 Seiten an den Münchener Strafrichter Hans-Joachim Eckert, den Boss der rechtsprechenden Fifa-Ethikkammer. Garcia soll mit seinen Leuten 75 Zeugen befragt und mehr als 200 000 Seiten Unterlagen durchforstet haben. Eckert hat nun das letzte Wort.

Die Unabhängigkeit der Ethikkommission wird weltweit bezweifelt, zumal Fifa-Präsident Blatter im Laufe der Jahre immer wieder Ergebnisse vorweggenommen hat. Mehrfach erklärte er ultimativ, die WM 2022 werde in Katar stattfinden, komme was wolle. Das hört sich derzeit etwas kleinlauter an, dennoch: Blatters Aufstieg in der Fifa vom Generalsekretär zum Präsidenten im Jahr 1998, sein zweiter erfolgreicher Wahlkampf 2002 und sein Machterhalt sind untrennbar mit der Herrscherfamilie Al Thani verbunden. Katar hat diese Wahlkämpfe zu großen Teilen finanziert. Seit 1995, als Katar binnen weniger Wochen als Ersatzausrichter einer Junioren-WM einsprang, spielt das Emirat eine Schlüsselrolle in der Fifa. Die Al Thanis, der junge Emir Tamim und sein Vater Hamad, wissen alles über Joseph Blatter. Würde der es wagen, Katar vor der Weltöffentlichkeit als Schurkenstaat bloßzustellen, der sich Events, Verträge und Posten im Weltsport erkauft? Wie würde Katar reagieren?

Die Konstellation hat das Potenzial, einen Erdrutsch auszulösen. In vielen der mehr als 100 Weltverbände, darunter 35 olympische Föderationen, läuft es ähnlich. Katar macht mit fast allen Verbänden Geschäfte im Rahmen des nationalen Planes, Doha als globale Sporthauptstadt zu etablieren. Allein in den nächsten Monaten finden dort Weltmeisterschaften im Schwimmen, Squash, Handball und Boxen statt.

Blatter und Putin
 

Als im August die Forderungen nach einem Boykott der Russland-WM 2018 lauter und sogar beim EU-Gipfel im Rahmen eines Sanktionspakets diskutiert wurden, sprang Fifa-Chef Blatter seinem Geschäftspartner Wladimir Putin ebenfalls zur Seite: Sport solle nicht mit Politik vermischt werden, erklärte Blatter im Beisein Putins, der ja selbst Weltklasse darin ist, Sport mit Politik zu vermengen. Sport solle nicht mit Politik vermischt werden, hatte im Februar 2014 auch der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach argumentiert, als das IOC in Putins Residenzstadt Sotschi die mehr als 50 Milliarden Dollar teuren Olympischen Winterspiele ausrichtete. Bach feierte die russischen Propagandaspiele als grandiosen Erfolg, während derer Putin die Annexion der Krim vorbereitete.

Blatter, Bach und Putin halten zusammen wie Pech und Schwefel. Bach und Blatter sind Meister darin, Politiker für ihre Zwecke einzuspannen. Putin ist ein ungekrönter Olympiasieger darin, Sport für seine Interessen zu instrumentalisieren. Als Ausrichter von Mega-Events und anderen Weltmeisterschaften liegt Russland im laufenden Jahrzehnt an Position eins weltweit. Russische Firmen wie der staatliche Gaskonzern Gazprom sponsern zahlreiche Weltverbände, darunter auch die Fifa und die Europäische Fußball-Union Uefa. Russische Oligarchen, Politiker und Freunde Putins haben in etlichen Weltverbänden als Präsidenten die Macht übernommen oder agieren in Exekutivkomitees an entscheidenden Positionen. Weder das IOC noch die Fifa können und werden sich von Putin lossagen. Mit Boykottforderungen darf man den Sportfürsten ohnehin nicht kommen. Denn so etwas ist Teufelszeug für einen wie Bach: Der ehemalige Fechter begann seine Funktionärskarriere als Athletensprecher und kämpfte 1980 vergeblich gegen den Olympiaboykott der Sommerspiele in Moskau, als viele westliche Nationen wegen des Einmarschs sowjetischer Truppen in Afghanistan fernblieben.

Die aufflammenden Diskussionen über einen Boykott der WM 2018 in Russland lassen sich nur schwer mit den turbulenten Ereignissen des Jahres 1980 vergleichen, zu unterschiedlich sind die politischen Konstellationen. Damals schlossen sich weltweit 41 Nationen dem Aufruf der USA an. Das Europaparlament empfahl den Nationalen Olympischen Komitees der Mitgliedsländer, Moskau zu boykottieren. Es gab keinen kollektiven Beschluss des EWG-Ministerrats und auch nicht der Nato.

Die Sportminister des Europarats waren mehrheitlich gegen einen Boykott. Von den zehn Ländern der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft boykottierten letztlich nur zwei Olympiakomitees: das der Niederlande und das NOK für Deutschland. Das deutsche NOK beugte sich einer Bundestagsempfehlung und dem immensen Druck der Regierung Helmut Schmidts. Dagegen flogen Franzosen, Italiener und Briten nach Moskau und widersetzten sich teilweise den Boykott-forderungen ihrer Regierungen. Es ist aber kaum vorstellbar, dass in vier Jahren Franzosen, Engländer und Italiener an der WM in Russland teilnehmen, während der Titelverteidiger Deutschland boykottiert und daheim bleibt. Jede Bundesregierung, die so etwas auch nur in Erwägung zieht, müsste mit einem Volksaufstand rechnen. Denn der goldene WM-Pokal ist quasi unantastbar. Darin vor allem besteht die Macht der Fifa.

Alle wollen sie teilhaben an der großen Fußballshow, ob Politik oder Sponsoren. Und deshalb ist auch von den Geldgebern keine echte Aufklärung zu erwarten. Adidas beispielsweise, Fifa-Partner der ersten Stunde, begnügte sich nach den jüngsten Enthüllungen der Sunday Times mit wachsweichen Statements, die wortgleich schon 2011 nach Veröffentlichung anderer Korruptionsgeschichten verbreitet worden waren. Und die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF verkündeten Anfang Juni, als die Welt über Sklavenarbeiter und Korruption in Katar debattierte, mit der Fifa neue Verträge für die Wüsten-WM abgeschlossen zu haben. Sie finanzieren das System Blatter.

Keine Rechtsstaatlichkeit im Reich der Sportkonzerne
 

Mit ernsthaften Boykotterwägungen müssten sich die Politik und die nationalen Fußballverbände erst 2016 befassen – dann nämlich beginnt die Qualifikation für die WM in Russland. Bis dahin kann sich die politische Lage entspannt haben. Und bis dahin werden deutsche Firmen alles daransetzen, Aufträge für die WM-Bauten und die begleitenden Infrastrukturmaßnahmen in Russland zu akquirieren. In Katar führen deutsche Unternehmen bereits Milliardenaufträge aus. Keine Bundesregierung hat je erwogen, diese Firmen zum Rückzug zu bewegen.

Hans-Joachim Eckert ist ein Mann für schwere Fälle. Er hat als Richter am Münchner Landgericht vor einigen Jahren den Siemens-Schmiergeldprozess geleitet. Er hat einen guten Ruf zu verlieren, der während seiner Tätigkeit für die Fifa bereits gelitten hat. Eckert betreibt in der Fifa keine Strafjustiz. Er überprüft lediglich, wie sich die Vorgänge rund um die WM-Bewerbungen von Russland, Katar und neun anderen Nationen, die der ehemalige US-Staatsanwalt Michael Garcia ihm zusammengefasst hat, mit dem Ethikkodex vereinbaren lassen. Das sagt einiges darüber aus, was von Eckerts Urteil erwartet werden darf. Denn ein Fifa-Ethikreglement war in den Jahren 2009 und 2010 nur rudimentär entwickelt – daran wurde erst nach der WM-Vergabe, ab Mitte 2011, unter größtem medialem Druck gebastelt. In der heißen Phase der WM-Bewerbungen aber hatte sich der Engländer Lord Sebastian Coe, Olympiasieger und Organisator der Spiele 2012 in London, von Blatter als Fifa-Ethikchef wegen Arbeitsüberlastung beurlauben lassen. Es gab damals nicht einmal ein konsistentes Bewerbungsreglement: Zunächst waren Doppelbewerbungen für die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 zugelassen, erst kurz vor der Entscheidung verlangte die Fifa, die Interessenten sollten sich für eine WM entscheiden.

Was Garcia in seinem Bericht nicht erwähnt, womöglich bewusst negiert und ausgelassen hat, kann Eckert nicht würdigen. Eckert könnte zusätzliche Ermittlungen einleiten, sollte ihm das von Garcia erstellte Material nicht ausreichen. Doch was heißt hier Ermittlungen? Denn es recherchieren ja keine Polizeibehörden auf rechtsstaatlicher Grundlage, sondern nur ein von der Fifa-Führung unter dubiosen Umständen für viele Millionen angeheuerter Amerikaner mit seinen Leuten. In anderen Fällen haben Garcias Berichte stets zu dem von Blatter erwünschten Ergebnis geführt.

Größte Korruptionsfälle der Sportgeschichte
 

Rechtsstaatlichkeit gibt es ohnehin nicht im Reich der Sportkonzerne. Die Fifa und das IOC sind globale Parallelgesellschaften mit eigener Jurisdiktion, die sich öffentlicher Kontrolle entziehen. So greifen beispielsweise internationale Antikorruptionsabkommen, die in der Politik und der regulären Wirtschaft gelten, nicht in diesem Schattenbusiness. Fifa, IOC und 60 andere Sportverbände residieren in der Schweiz, setzen Milliarden um, genießen zahlreiche steuerliche Privilegien und den rechtlichen Status von Vereinen. Und das, obwohl etwa die Fifa in großem Stil am Finanzmarkt agiert und aktuell Reserven von 1,432 Milliarden Dollar meldet.

Für Russland und Katar haben die WM-Projekte oberste Priorität. In Russland hatte Putin die Bewerbung zur Chefsache gemacht; heute setzt er die WM-Vorbereitungen als allmächtiger Präsident durch. Er hatte Gazprom und Oligarchen wie Roman Abramowitsch für die Bewerbung eingespannt. Es gibt Hinweise darauf, dass der Auslandsgeheimdienst SWR im Fifa-Umfeld die Fäden zog, angeblich, um lange nach dem 2. Dezember 2010 die Spuren unsauberer Machenschaften zu verwischen.

Katar hat im Rahmen seiner Bewerbung ebenfalls Geheimdienstler eingesetzt, etwa die Business-Intelligence-Firma Kroll Associates, die im „Projekt Seleucia“ nicht nur Fifa-Funktionäre ausspionierte, sondern offenbar auch Journalisten, die kritisch über die Machenschaften berichteten. Auf der anderen Seite waren in einigen Ländern verdeckte Ermittler tätig, langgediente hochrangige Geheimdienstler, um auf eigene Faust Beweise für die Millionentransfers zu sammeln und an den Meistbietenden zu verkaufen.

Bei diesen WM-Vergaben könnte es sich um die größten Korruptionsfälle der Sportgeschichte handeln. Angeblich sollen die Stimmen mancher Fifa-­Exekutivmitglieder 30 bis 35 Millionen Euro gekostet haben. Derlei märchenhafte Summen sorgten dafür, dass auch für Dokumente, die angeblich Korruption belegen sollen, unfassbare Beträge aufgerufen wurden. So verlangte ein Informant von Journalisten fünf Millionen Dollar vorab für ein Konvolut von Unterlagen und Kontoauszügen. Zweifelsfrei belegt sind bisher aber nur die Zahlungen des einstigen katarischen Fifa­-Exekutivlers Mohamed bin Hammam an Vorstandskollegen wie den langjährigen Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner aus Trinidad und Tobago sowie zweitrangige Funktionäre aus Afrika und Asien, die kein Stimmrecht hatten, wohl aber Stimmung für Katar machen konnten. Die Londoner Sunday Times hat diese Vorgänge im Juni 2014 enthüllt.

Katars WM-Organisatoren behaupten, bin Hammam sei nicht in die offizielle Bewerbung eingebunden gewesen. Tatsächlich ist bin Hammam einer der wichtigsten Sportfunktionäre in der Erbmonarchie; mehr als 13 Jahre lang hat er den prall gefüllten Entwicklungshilfefonds der Fifa verwaltet, hat für Blatter Wahlkämpfe organisiert und Stimmenpakete arrangiert. Blatter hat ihn erst gestoppt, als bin Hammam selbst den Fifa-Thron besteigen und Präsident werden wollte – er wurde lebenslang gesperrt.

Sollte die Fußball-WM 2018 wie geplant in Russland stattfinden, dürften mehr als 100 Milliarden Dollar in Infrastrukturprojekte und Stadien investiert werden – die Korruptionsmarge beträgt laut dem Bauunternehmer und Whistleblower Waleri Morosow 15 bis 20 Prozent. In Katar wiederum ist die WM 2022 ein Kernprojekt des gigantischen Masterplans „Qatar National Vision 2030“. Ob nun 250 oder 300 Milliarden Dollar dafür aufgewendet werden, spielt dort keine Rolle. Katar verfügt dank seiner Gasvorkommen über enorme Reichtümer. Und wenn das Turnier dort wegen der Hitze in den Winter verlegt werden sollte und die nationalen Fußballverbände oder die übertragenden TV-Anstalten deswegen ihre Planungen umschmeißen müssen, würden sie von Katar gewiss fürstlich entschädigt. Alles nur eine Frage des Preises.

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