- Entwicklungshilfe gegen Spendengeld
Die EU will in Burkina Faso die wohl größte Solaranlage Sub-Sahara-Afrikas bauen. Ein wichtiges Projekt – wenn die Regierung nur nicht dezentrale, spendenfinanzierte Solarprojekte behindern würde
Auf dem Goldrelief vor Joanny Ouedraogs Palast räkeln sich zwei Löwen, auf der Straße vor Rasmane Ouedragos Wellblechhütte wirbeln roter Staub und Plastiktüten.
Der eine war der erste, dem sie in Zagtouli, einem Vorort von Ouagadougou, Burkina Faso, einen Stromanschluss legten. Dem anderen stellten sie den Mast direkt vors Haus, nur zwei Handbreit von der Mauer entfernt.
Ouedraog, der staatstreue Bürgermeister, und Ouedrago, der mittellose Bauer, haben eigentlich nur zwei Dinge gemeinsam: ihren ähnlichen Nachnamen und ihre Nachbarschaft zum bald größten Solarkraftwerk Westafrikas. Bis Ende 2014 will das staatliche Energieunternehmen Sonabel die Anlage in Zagtouli bauen. Auf 40 Hektar soll sie einmal 33 Megawatt liefern – Strom für eine Großstadt.
Ideale Bedingungen für Solarstrom
Die Europäische Union, die das Projekt unterstützt, spricht vom „größten Solarkraftwerk in Westafrika“. Eine Sprecherin ergänzt, möglicherweise werde es sogar das größte seiner Art in Sub-Sahara-Afrika. Zwar plant die Wüstenstromstiftung Desertec seit vielen Jahren Energieprojekte in den Maghreb-Staaten; schon im nächsten Jahr soll eine Photovoltaikanlage in Marokko ans Netz gehen. Doch für Schwarzafrika gibt es solche Pläne bislang nicht.
„Wir hoffen natürlich, dass unsere Gemeinde von dem Solarprojekt profitiert“, sagt Joanny Ouedraog, der Bürgermeister. Er denkt da an Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, vielleicht auch ein bisschen an sich. Ouedraog sitzt in seinem prachtvollen Garten, umgeben von hohen Mauern und Stacheldraht. Mosaikplatten auf dem Fußboden zeigen kleine Tiermotive.
Vor fünf Jahren war sein Ort Zagtouli noch ein Dorf: Die Regierungspartei des korrupten Staatschefs Blaise Campaoré hatte ihn hierher geschickt. Ouedraog baute sich seine Villa, der Stromversorger Sonabel legte die Leitung. Heute hat Zagtouli 10.000 Einwohner.
Für die Solarstromerzeugung bietet Burkina Faso eigentlich ideale Bedingungen: viel Sonnenlicht, lange Trockenperioden und eine vergleichsweise kurze Regenzeit. Bislang wird Strom fast ausschließlich aus Holz und Holzkohle gewonnen. Durch Rodung breitet sich aber die Wüste aus. Und Öl muss teuer über den Landweg importiert werden – Burkina Faso ist ein Binnenland.
Fünf Millionen Euro aus Deutschland
Die Europäische Kommission sagte deshalb sofort ihre Hilfe zu, als die Planungen zu dem Photovoltaikprojekt vor einem Jahr begannen. 63 Millionen Euro versprachen die EU, die Europäische Investitionsbank und Frankreich; Deutschlands Anteil beläuft sich auf rund fünf Millionen.
Doch die hehren Pläne haben sich immer wieder verzögert. Eigentlich hätten die Bauarbeiten schon im September beginnen sollen. Jetzt endet im Oktober gerade einmal die EU-weite Ausschreibung für die technische Expertise.
In Zagtouli hat der Bauer Rasmane Ouedrago noch nie etwas von all den Plänen gehört. Der Familienvater hat weder Strom noch fließend Wasser. Alles, was er hat, sind ein Esel, ein paar Beete und seine fünf Kinder. Als die Elektriker von Sonabel kamen, um den Pfosten für die Stromleitung in den Boden zu rammen, fragten sie nicht einmal um Erlaubnis. Ouedrago hat bis heute nichts davon, direkt unter einer Stromautobahn zu wohnen: Geld hat er keines; wer aber nicht zahlt, bekommt auch keinen Netzanschluss.
Die Europäische Union arbeitet für ihr Solarprojekt mit einem Staatsbetrieb zusammen, der das Monopol auf die Stromversorgung hat – vom Netzausbau bis zur Verbrauchsabrechnung. Und nicht nur das: Ein Großteil der Entwicklungshilfemittel geht als so genannte Budgethilfe direkt an die Regierung. Staatspräsident Blaise Campaoré regiert sein Land seit über 25 Jahren. Seitdem landet Burkina Faso, obgleich ein friedliches Land, auf dem UN-Index für menschliche Entwicklung regelmäßig unter den zehn letzten von 187 Staaten. Dort finden sich sonst nur Länder, die im Bürgerkrieg stecken.
Deutschland und die EU stört das nicht. Sie arbeiten seit Jahren direkt mit der burkinischen Regierung zusammen und nehmen dafür auch in Kauf, dass das Geld im Staatsapparat versickert. Oder etwa bei Leuten wie Joanny Ouedraog ankommt, der durch das Zagtouli-Projekt sicher noch reicher wird.
„Deutsches Steuergeld landet häufig direkt in den Taschen korrupter Minister“, sagt einer, der es wissen muss. Souleymane Sow ist gebürtiger Burkiner; in Deutschland hat er Elektrotechnik studiert. Heute macht er Photovoltaik von unten: Seine Firma „Microsow“ ist der Marktführer für kleine, dezentrale Solarzellen.
Schulen und Krankenhäuser mit Strom
Zusammen mit der deutschen Hilfsorganisation „Sonnenenergie für Westafrika e.V.“ (Sewa) installiert Sow die Anlagen auf den Dächern von Schulen und Krankenhäusern. Manchmal verschenkt der Verein, der sich nur über Privatspenden und Fördergelder finanziert, Solarkocher. Hunderte Haushalte können sich so das mühsame Holzsammeln sparen. Sewa ist mit seiner Hilfe sehr erfolgreich.
Souleymane Sow sieht das Zagtouli-Projekt kritisch. Der Unternehmer hat die Erfahrung gemacht, dass bei öffentlichen Ausschreibungen „fast immer die Firma, die einen Bruder im Ministerium sitzen hat“, begünstigt werde. Das Ergebnis könne er zumindest für den Solarmarkt einschätzen: „50 Prozent der Anlagen sind Schrott.“
Häufig würden die Kriterien auch noch so formuliert, dass sein Unternehmen von vornherein ausgeschlossen sei, sagt Sow. Für die Planung der großen Photovoltaikanlage seien weder Sonabel noch die EU auf ihn zugekommen: „Wir wurden von niemandem gefragt.“
Groß gegen klein
Möglicherweise ist dem Staatsbetrieb Sonabel der kleine Solarunternehmer sogar ein Dorn im Auge: Überall dort, wo Souleymane Sow eine dezentrale Stromanlage errichtet, braucht niemand mehr einen Netzanschluss. Für Sonabel ist das ein echtes Bilanzrisiko. In Ouagadougou dürfen viele Solarpanels erst gar nicht installiert werden.
So kommt es, dass in Burkina Faso zwar ein zentrales Solarkraftwerk entsteht, der Ausbau dezentraler Anlagen jedoch stockt. Ein Staatsbetrieb, der indirekt deutsche Steuergelder verwaltet, arbeitet also auf der einen, eine Solarfirma und eine deutsche, spendenfinanzierte Nichtregierungsorganisation auf der anderen Seite.
Clément Zongo, zuständiger Ingenieur von Sonabel, sagt, die Planungen seien von der EU und dem Energieministerium angestoßen worden. Die EU ist ihrerseits überzeugt, mit dem Energieminister und Sonabel hervorragende Partner für das Zagtouli-Solarkraftwerk gefunden zu haben. „Wir sind sicher, dass das Projekt ein Erfolg wird“, sagt Marcello Mori, örtlicher EU-Infrastruktur-Beauftragter.
Der Unternehmer Souleymane Sow ahnt, dass die ärmsten Bewohner von Zagtouli trotzdem nicht viel von der neuen Photovoltaikanlage haben werden: „Der Strom wird direkt ins zentrale Netz eingespeist – und kommt damit nur den Städtern zugute.“
Und natürlich Leuten wie Joanny Ouedraog, die, wo immer sie sitzen, ohnehin ihren Anschluss erhalten. Der Bauer Rasmane Ouedrago dagegen wird wohl auch in Zukunft nachts die Öllampe anzünden müssen.
Fotos: Petra Sorge. Der Beitrag erschien zuerst in der Dezember-Ausgabe der Afrikapost.
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