- Angriff der Drohnen
Zanghara im Süden Waziristans. Es ist heiß in dieser Sommernacht. Der nieren- und diabeteskranke Baitullah Mehsud liegt auf einer Pritsche und erhält gerade eine Infusion. Neben ihm wachen seine Frau, sein Onkel und sieben Leibwächter. Am anderen Ende der Welt, in der Wüste von Nevada, drückt jemand auf einen Knopf. Detonationen sind zu hören, Rauch steigt auf. Mehsud und die anderen sind sofort tot.
Der Chef des pakistanischen Ablegers der Taliban kommt 2009 durch einen Drohnenangriff ums Leben. Für die USA ist es ein militärischer Erfolg, ein Präzisionsschlag, Ausdruck technologischer Fähigkeit und US-amerikanischer Überlegenheit. Drohnen sind zum technisierten Symbol für den Krieg gegen den Terror geworden. Ein Krieg, der kein festgefügtes Schlachtfeld, keine territorialen Grenzen kennt.
Gezielte Tötungen sind längst keine Einzelfälle mehr, sondern Teil einer neuen Kriegsstrategie. Und Drohnen (Unmanned Aerial Vehicles, UAV) sind die passgenauen Werkzeuge dafür; insbesondere bewaffnete Drohnen, wie der MQ-1 Predator oder dessen Nachfolgemodell der MQ-9 Reaper (zu Deutsch: Sensenmann).
Jeder Predator oder Reaper ist mit hochauflösenden Kameras bestückt, die gestochen scharfe Bilder liefern. Beladen mit Hellfire-Raketen und lasergesteuerten Bomben kreisen sie über Afghanistan und Pakistan, Irak, Jemen und Somalia sowie Libyen. Gesteuert werden sie von amerikanischem Boden aus mittels Joystick von jeweils einem Piloten und einem Aufklärungsoffizier, der Sensorik, Radar und Kameras bedient. Von sieben Luftwaffenbasen in den USA lenken Kampfpiloten etwa 160 Drohnen der Typen Predator und Reaper sowie eine große Zahl unbewaffneter Aufklärungsdrohnen. 40 Maschinen sind ständig in der Luft – 24 Stunden, sieben Tage die Woche.
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Unbemannte Kriegsgeräte spielen in den Planungen des US-Militärs eine immer wichtigere Rolle. Sie sind kostengünstiger als bemannte Systeme, zudem durch Abwesenheit von Soldaten politisch auch eher vermittelbar. Kurz- bis mittelfristig sollen Drohnen bemannte Flugzeuge verdrängen und das gesamte Spektrum bemannter Operationen abdecken können.
Nicht allein die USA setzen auf diese Form der Kriegsführung. So verfügt auch die Bundeswehr über Kleinst- und taktische UAV-Systeme. Die Investitionen in ferngesteuerte Drohnen steigen weltweit, gerade auch in westlichen Demokratien. Das internationale Marktforschungsinstitut Vision Gain etwa prognostiziert bis 2018 einen Anstieg globaler Umsätze von 9,5 Milliarden Dollar. Und die EU-Kommission erwartet bis 2016 für den europäischen Raum einen Zuwachs von bis zu 600 taktischen Systemen; außerdem wird die Anschaffung von bis zu 10.000 Mini-UAVs erwartet.
Sauber, einfach, schnell und kosteneffizient? Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Jenseits der völkerrechtlichen Legitimität von Drohnenangriffen, also der Frage, wer darf wo, wen gezielt töten, werfen Drohneneinsätze und die digitale Kriegsführung weitere Fragen auf. Wird das Militär etwa durch den Glauben an die „Präzision“ solcher Angriffe, also eines vermeintlich „sauberen Krieges“, verleitet, unbemannte Luftfahrzeuge gerade auch in zivilen und dicht besiedelten Umgebungen einzusetzen? Auch könnte die Hemmschwelle, einen Krieg zu führen, deutlich sinken. Denn die Aussicht, mithilfe von Drohnen mit einem stark verminderten Verlustrisiko von Menschenleben und Ausrüstung in kriegerische Auseinandersetzungen zu gehen, erhöht die Bereitschaft, das tatsächlich auch zu tun. Statt das letzte Mittel zu sein, würde die kriegerische Intervention so zu einem Werkzeug unter vielen. Zwischen Knopfdruck und Abschuss liegen mitunter zwei Sekunden, zwischen Angreifer und Opfer Tausende Kilometer.
Der Trend zur Depersonalisierung des Schlachtfelds ist eindeutig. Der Mensch wird sich zunehmend von der unmittelbaren Front zurückziehen, sie den ferngesteuerten Maschinen überlassen. Unbemannte Robotersysteme sind lediglich der Anfang. Noch ist es der Mensch, der den Tötungsbefehl gibt, doch die unbemannten Systeme werden immer autonomer. Vielfach hat der Mensch bereits heute nur noch eine Art Richtlinienkompetenz. Auch die Entscheidung über den Einsatz tödlicher Waffen wird in naher Zukunft womöglich von Maschinen getroffen.
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