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Funkausstellung - Technik-Dinosaurier in Feierlaune

Eine Smartwatch ums Handgelenk, Fernsehen in Ultra HD: Die Unterhaltungselektronik unterliegt einem Höherschnellerweiter, dem der Medienbetrieb chancenlos hinterherhechelt. Die am Freitag beginnende Internationale Funkausstellung in Berlin zeigt eine Welt, für die Inhalteproduktion nur zweitrangig ist

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Die Eingangshalle der Messe Berlin ist fast menschenleer. Einsam sitzt eine Frau am Schalter „Presseakkreditierung“. Ich frage, wo es hier zur Eröffnungspressekonferenz der Internationalen Funkausstellung (IFA) geht. Sie zuckt die Schultern. Davon wisse sie nichts.

Komisch. Dabei sind für die diesjährige Elektronikmesse 6000 Journalisten aus 17 Ländern akkreditiert.

Ich hake nach: „Na, 13 Uhr, in der Halle 6.3.“ Die Pressebeauftragte kramt einen Übersichtsplan hervor, tippt mit einem Kuli auf ein Viereck. „Dort.“ – „Haben Sie das als Faltplan?“ Sie schüttelt den Kopf. „Das muss ich leider behalten“.

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Draußen ist der Shuttlebus gerade abgefahren. Ich stolpere über das riesige Messegelände, durch die Hallen, in denen noch gebohrt und gehämmert wird; hinter mir ziehen zwei Reporter von den VDI-Nachrichten ihre Rollkoffer. Ich ahnte, dass ich hier als Technik-Laiin in Schwierigkeiten geraten könnte, aber dass die Suche nach der Zukunft der Medientechnik so planlos starten würde, ist doch eine Überraschung.

Ich bin auf der IFA, weil ich wissen will, welche Innovationen die Medienbranche zu erwarten hat. Schließlich sind Kommunikationstechnik und Journalismus aufs engste miteinander verzahnt, das eine geht nicht ohne das andere. Die Techniker flechten den Korb, ich lege das Getreide hinein.

Eine gigantische Show

Unsere Branche hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch verändert. Das größte Verlagshaus, die Axel Springer AG, hat all ihre Zeitungen verkauft und setzt voll aufs Internet. Wenn das Digitale das Papier ablöst, braucht es dafür Technologien.

In der Konferenzhalle der IFA geht es genau um diese: Die Veranstalter ziehen eine gigantische Show ab. Sie sprechen vor drei raumhohen Bildschirmen, auf denen wellenartige Animationen blinken. Es geht um Vernetzung. „Smart“ ist das Schlagwort der Messe und meint intelligente Maschinen, die über das Internet gesteuert werden können.

Messechef Christian Göke ist in Feierlaune. Die größere Messefläche deutet er als Signal für neuen Optimismus in der Branche: plus zwei Prozent mehr Ausstellungsfläche und mit 45.000 Fachhändlern doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren. Damals, 2008, mottete Göke auch den Begriff der „Funkausstellung“ ein: Er holte die Haushaltsgeräte-Branche zur Messe hinzu. Zugleich verpasste er der Schau einen neuen Namen – die „IFA Consumer Electronics Unlimited“. Das klingt moderner, markerschütternder. Göke machte aus der muffigen Funkschau die größte Elektronikmesse in ihrer Geschichte.

Seitdem sind dort nicht mehr nur klassische Kommunikationstechnologien zu sehen. Jetzt wird auch den Inhalten Schmutz (Staubsauger) oder braune Flüssigkeit (Kaffeemaschine) gehuldigt.

Wäre er diesen radikalen Schritt nicht gegangen, hätte Göke derzeit vielleicht nichts zu lachen: Denn das Geschäft mit den Unterhaltungsgeräten stößt an seine Grenzen. Wenn man Medien im ursprünglichen Sinne versteht – Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch der Phonograph so bezeichnet – dann ist sogar der Begriff der „Medienkrise“ passend.

Da sind zum einen die schlechten Zahlen. Während die Segmente Elektro-Haushaltsgeräte, Telekommunikation und IT-Geräte für den privaten Gebrauch gewachsen sind, ist der Bereich Unterhaltungselektronik nach Veranstalterangaben im ersten Halbjahr 2013 um 20 Prozent geschrumpft. Die deutschen Händler verkauften nur noch 3,7 Millionen Fernsehgeräte. Das waren 1,2 Millionen weniger als noch im Vorjahreszeitraum.

Die Krise trifft also jene Techniksparte, in denen die Macher von Film, Kunst und Journalismus zu Hause sind.

Die Medienvertreter waren von der Präsentation dennoch begeistert. Denn es geschah etwas, was ich noch nie bei einer Pressekonferenz erlebt habe: Der Saal applaudierte. Normalerweise berichte ich über Politik, da wäre so etwas unerhört. Irgendwie fühlte ich mich als Fremdkörper in dieser technikbegeisterten Schar. Es fiel nur eine einzige kritische Frage: Ein Journalist fragte, ob sich die Firmenchefs, die so sehr auf vernetzte Lösungen setzen, denn bewusst seien, dass der Breitbandausbau nicht vorankomme. Man sei „mit der Politik im Gespräch“, lautete die Antwort.

„Technisch sehr versierte Dinosaurier“

Vielleicht aber sollte die Branche auch mit jenen ins Gespräch kommen, die sie sonst so abfällig „Contenthersteller“ nennt. Während die Produzenten auf Ultra HD setzen, schaut der Kunde nämlich in die Röhre: In Deutschland senden die wenigsten Fernsehsender bislang in HD. Angesichts der hohen Investitionskosten in diese Technologie wird sich daran wohl so schnell auch nichts ändern. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind unter Konsolidierungszwang, allein das ZDF sollte zu Jahresbeginn 75 Millionen Euro zu Lasten der Mitarbeiter sparen. Auch die privaten Sender müssen hart rechnen.

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Es ist, als ob die Technikgurus in den Innovationsabteilungen nur eine Richtung kennen: scharf, schärfer, ultra, ein Höherschnellerweiter. Sie drohen sich nicht nur von den Konsumenten abzukoppeln, sondern auch von jenen, die all das befüllen sollen. Es ist ein Planet Technik, der für die reale Medienwelt häufig noch unerreichbar ist.

Aber er ist so attraktiv, dass alle gleichzeitig versuchen, ihn zu besiedeln. Etwa bei der Software für Smartphones: 800.000 Beschäftigte zählt die App-Industrie in Europa. Dabei handelt es sich um ein neues Prekariat. Jeder fünfte App-Entwickler verdient weniger als 1.000 Euro im Monat.

Wolf Siegert kennt beide Welten – die Techniker und die Inhaltemacher. Der Publizist und TV-Produzent mit der grauen Mähne ist überzeugt: „High Definition ist dabei, sich zu verabschieden.“ Siegert sagt das, obwohl auf der IFA bis zum 11. September Hersteller wie Samsung, Sharp oder Hisense aus China ihre Ultra-HD-Geräte vorstellen werden.

Samsung stellte noch am Mittwochabend eine Computeruhr vor. Mit der Smartwatch „Galaxy Gear“ kann man telefonieren und Apps aufrufen. Siegert findet das „alles toll. Aber es ist die neue Welt in Gestalt der Alten. Was wir brauchen, ist die neue Welt in neuer Gestalt.“

Ich halte ihm die Zahlen von Messechef Göke vor. Es läuft doch alles prima, sagen selbst die Branchenvertreter. Siegert widerspricht: „Das sind hochqualifizierte, technisch sehr versierte Dinosaurier.“ Seine Prognose: Im Jahr 2016 werde es bei der IFA erstmals eine negative Entwicklung geben.

Echte Innovationen sieht er nicht auf der Messe; aber Segmente mit Potenzial: die Touch-Technologien zum Beispiel. Was fehle, sei die Besinnung auf die Anwendungen, sagt Siegert. „Die Schlagworte heißen Vertrauen, Langlebigkeit und Empathie.“ Es klingt etwas wolkig. Aber die Cloud war ja schon auf der diesjährigen Cebit das Leitthema.

Was Siegert womöglich sagen will: Es wäre smart, auch auf die Inhalte zu schauen.

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