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„Immer hat jemand Geburtstag“: Christian „Flake“ Lorenz / dpa

Rammstein im Interview - „Mexiko oder Bernau, das ist doch egal“

Rammstein ist die international erfolgreichste deutsche Band. Doch Vorwürfe gegen Sänger Lindemann und jetzt auch gegen Keyboarder Flake sorgen für hitzige Debatten. Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir ein Interview mit dem Keyboarder erneut.

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Christian Lorenz alias Flake ist Keyboarder der Band Rammstein. Dieses Interview wurde im Juni 2020 geführt. Über die aktuellen Vorwürfe gegen den Musiker, berichtet unter anderem tagesschau.de.

Als ich jetzt noch einmal „Heute hat die Welt Geburtstag“ las, Ihren autobiografisch geprägten Roman von 2017, fiel mir auf, dass es ein Buch über die Zeit ist. Die Zeit, heißt es darin, sei das „Wertvollste, was ein Mensch hat“. Leider strecke sie sich „meistens in unangenehmen Situationen“. Wie erleben Sie die coronabedingt freie Zeit?

Flake: Ich fühle mich gerade wie ein Kind, das allein in einem Kaufhaus eingesperrt ist und herumstöbert. Man darf sich nichts nehmen, aber man darf da sein. Die Vorstellung, die Zeit anhalten zu können, hat mich schon immer fasziniert. Es ist wie der Traum vom Fliegen ein Urwunsch des Menschen, ein Urinstinkt geradezu. Leben ist Zeit, und weil das Leben verrinnt, ist es die logische Folge, dass man die Zeit anhalten will. Alt werden, sterben: Wer will das schon?

Ewige Jugend ist keinem geschenkt.

Wenn ich an das berühmte Märchen denke vom Mann, der nicht altert, wäre das auch nicht die Lösung. Ein Leben ohne Tod, selbst mit Reichtum, verliert seinen Reiz, sobald die ganzen Freunde wegsterben, die Eltern, die Kinder. Schließlich will auch der Mann im Märchen nur noch sterben. Das Leben ist wertvoll, weil es ein Ende hat. Die Zeit ist kostbar, weil sie verrinnt. Ein Stopp in der Zeit, wie wir ihn gerade erleben, kann uns helfen, diese Zusammenhänge neu zu vergegenwärtigen.

Andererseits erlebt man als Musiker, zumal in einer erfolgreichen Band wie Rammstein, mit jedem Konzert verdichtete Zeit. „Immer“, schreiben Sie, „gehört man irgendwo dazu, und immer sind auch andere da, die irgendwie dasselbe Ziel und dieselben Sorgen haben.“ Das hat nun Pause. Man ist allein.

Die Band war mein Familienersatz. Als Jugendlicher wollte ich mich von meinen Eltern abnabeln, auch aus evolutionären Gründen. Kein Kind sollte wie seine Eltern sein wollen. Sonst würde sich die Welt nicht weiterentwickeln. Kinder müssen ihren eigenen Weg gehen. Mein Weg führte damals in eine Band. Jetzt habe ich eine eigene, eine echte Familie und bin mit ihr zusammen, Tag und Nacht. Am meisten gestört am Musikmachen hat mich, dass ich so lang von meiner Frau und meinen Kindern getrennt war. Das fällt nun weg. Insofern ist es für mich gerade der Idealzustand.

Nur für Sie?

Vielleicht ist der kurze Stopp, den wir erleben, auch die Rettung für diese Deadline-Menschen, die in Hektik leben, vom wichtigen zum noch wichtigeren Projekt hetzen. Diesen Leuten könnte es guttun, wenn sie erfahren, dass es gar nicht so wichtig ist, was sie tun.

Also kann man etwas lernen aus der Zwangspause?

Man kann lernen, dass man nicht ununterbrochen etwas machen muss. Die Erde dreht sich weiter, auch wenn man mal gerade nicht irre kreativ ist. Die Zeit ist immer da, egal, wie man sie ausfüllt. Manchmal reicht es, sich um die Familie oder um sich selbst zu kümmern.

Wie stark ist Rammstein von der Corona-Krise betroffen?

Unser letztes Konzert fand im August 2019 in Wien statt. Die neue Tour wird wahrscheinlich ausfallen. Ich nehme das als gegeben hin, und bin da weder traurig noch froh.

Wie erleben Sie den Umgang der Deutschen mit der Krise? Sind wir ein zu braves Volk?

Ich komme ja aus dem Osten und empfinde es als wohltuend, wenn einem gesagt wird, was man tun soll und was wichtig ist. Wenn ich einen Sinn darin sehe, ordne ich mich gerne unter. Ich habe mich damals auch wohlgefühlt, obwohl ich nicht verreisen konnte. Man ist immer derselbe Mensch, ob man verreist oder nicht. Man kann nicht vor sich selber davonfahren. Vielleicht ist es für Menschen gar nicht gut, wenn sie immer alles dürfen.

Die Zeit gut nutzen kann nur der, der in sich ruht und weiß, was er will.

Dahinter steht die große Diskussion, was Freiheit bedeutet. Ich kann mich in vielen Situationen frei fühlen, weil ich mich meiner Ansicht nach frei entfalten kann. Freiheit ist auch eine Frage der Einstellung. Der Mensch hat sich schon immer Regeln auferlegt, die Muslime etwa im Ramadan, die Christen in der Fastenzeit, um von sich selbst für eine Weile loszukommen.

Gutes Leben ist dann eine Frage des richtigen Rhythmus. Womit wir wieder bei der Musik gelandet wären, dem „Tanzmetall“ von Rammstein zum Beispiel.

Gutes Leben ist in der Tat eine Rhythmusfrage, aber auch eine Frage der Sparsamkeit und des Verzichts. Das Glück liegt oft im Verzicht. Wenn ich am Bäcker vorbeigehe und mir eine Streuselschnecke bewusst nicht kaufe, geht es mir danach besser – obwohl ich unglaublich gerne Kuchen esse. Mir vorzustellen, die Schnecke zu essen, hat dann gereicht. Wenn ich früher in der Disko war, hat mir oft der Gedanke gereicht, mit dieser oder jener Frau Sex haben zu können. Das war fast so gut wie Sex, aber man hatte nicht die Nachteile am Tag danach.

Die Fantasie als bessere Realität: Das ist der kreative Akt des Künstlers. Nicht jeder hat solche sublimierenden Kräfte.

Man muss nicht immer kreativ sein. Man braucht keinen Output, um sich wertvoll zu fühlen. Wenn man nur gemocht wird für das, was man tut, und nicht für das, was man ist, lief schon etwas falsch.

So steht es aber in Ihrem Buch: „Ich mache wahrscheinlich Musik, weil ich geliebt werden will.“

Das war mein Ansatz, aber nicht unbedingt die Lösung. Ich weiß nicht, ob das geklappt hat.

Rammstein badet in der Zuneigung seiner Fans. Vielen Menschen bedeutet diese Musik sehr viel. Beim Konzert in Moskau, das ich bei Youtube sah, ist das Publikum ausgerastet vor Begeisterung.

Mir sind Leute wichtig, die mir etwas bedeuten. Das Urteil von Menschen, die ich gar nicht kenne, interessiert mich nicht. Auch wenn viele uns hassen, ist es für mich nicht von Belang. Ich kann es nie allen recht machen. Was also nutzt es mir, wenn mich in Moskau jemand liebt, den ich gar nicht kenne?

Ihr habt am Anfang vor sechs Leuten gespielt, jetzt sind es 60 000. Das lässt einen doch nicht kalt.

Die Konzerte vor wenigen Leuten haben oft mehr Spaß gemacht. Es ist immer schöner, etwas aufzubauen, als eine Stellung zu halten. Bei den emotional schönsten Konzerten bestand das Publikum aus 300 oder 400 Leuten. Je mehr Menschen kommen, desto weiter rücken sie in die Ferne.

… und desto mehr muss man sich anstrengen, um sie zu erreichen.

In einem Klub kann ich in Jeans und Hemd spielen. Im Stadion brauche ich einen Glitzeranzug, sonst hält man mich für einen Bühnenarbeiter.

Den Zauber des Anfangs bringen Sie im Roman auf eine schöne Formel: „Wir zogen wie im Märchen zusammen in die Welt hinaus …“

… und das kann man nicht wiederholen. Das erste Mal gibt es nur einmal.

Unverändert aber ist Rammstein eines der wenigen weltweit bekannten Kulturgüter Deutschlands, ein musikalischer Exportschlager.

Das kommt auf den Standpunkt an. Mein Buch habe ich „Heute hat die Welt Geburtstag“ genannt, um darauf hinzuweisen, dass sehr viele Menschen meinen, die Welt drehe sich um sie. Aber es hat immer irgendjemand Geburtstag. Alles Besondere relativiert sich. Zu uns kommen viele Menschen ins Stadion, ja. Aber am nächsten Tag zur Handballmeisterschaft kommen vielleicht noch mehr Besucher. Das ist dann genauso wichtig. Man muss alles in der Relation sehen. Wer in einer Band spielt, ist ein winziges Teilchen in einem speziellen Interessengebiet, mehr nicht.

Jede Unterordnung hat ihre Grenzen. Sie haben in der DDR den Wehrdienst verweigert und durften deshalb nicht studieren.

Ich verweigerte aus Angst. Mein Bruder war bei der Armee und erzählte schauderhafte Geschichten, wie die Neuankömmlinge von den Ranghöheren sadistisch gequält wurden. Das war ein perfides Unterdrückungssystem. Wehrverdienstverweigerer kamen in der Regel zwei Jahre ins Gefängnis. Ich hatte die Freiheit, mich zu entscheiden, und dachte mir eine Lösung aus. Ich rannte von Arzt zu Arzt, bekam Atteste, wurde daraufhin zurückgestellt. Dann zog ich um, wechselte die Namensschilder an der Tür, lebte praktisch im Untergrund. Das flog nicht auf, weil ich überall Flake hieß, aber unter meinem richtigen Namen gesucht wurde. Und den kannte fast keiner. Zugute kam mir, dass in der DDR die Armee und die Polizei verfeindet waren und schlecht zusammenarbeiteten. Den Preis, nie studieren zu können und nie einen vernünftigen Job zu haben, war ich bereit zu zahlen. Ich wollte eigentlich Chirurg werden. Nicht zur Armee zu gehen, war mir in der Abwägung wichtiger. Lange aber hätte ich dieses Versteckspiel nicht mehr durchgehalten. Dann bröckelte die DDR, und die Mauer fiel. Ich wollte durch meine Verweigerung nicht die Welt retten, sondern mich. Aber man muss ja immer sich selbst retten, bevor man die Welt retten kann.

Ist die Rettung des eigenen Lebens heute nicht ähnlich schwierig wie damals in der DDR? Sie beklagen „Konsumterror“ und „Medienwahnsinn“. Wurden deren Kräfte in den letzten Jahren stärker?

Ich kann da nur für mich sprechen. Ich versuche, nicht jeden Schwachsinn mitzumachen und sauber durchs Leben zu kommen – das heißt, bewusst zu leben. Das meine ich nicht im esoterischen Sinn, sondern ganz klar und einfach.

Viele haben den Eindruck, es sei heute eine besonders große Herausforderung, sich in einem Minenfeld der Ablenkungen und Ansprüche treu zu bleiben.

Die äußeren Umstände finde ich erstaunlich austauschbar und unwichtig. Das ist zu allen Zeiten gleich leicht oder gleich schwierig. Man sagt ja, zum persönlichen Glücksempfinden trage die Veranlagung 50 Prozent bei, Erziehung und Tun 25 Prozent – und nur der Rest falle auf die äußeren Umstände. Man kann in fast jeder Situation glücklich sein. Es kommt darauf an, wie man die Sachen betrachtet.

Der kranke Mensch wird es anders sehen.

Nicht unbedingt. Wenn man Geschichten liest von tödlich erkrankten Menschen, etwa bei Wolfgang Herrndorf, dann können gerade die letzten Jahre sehr intensiv sein, im Schlechten wie im Guten. Herrndorf berichtet von mehr Tiefen, aber auch von mehr Höhen. Der Ausschlag der Empfindungen sei größer geworden. Ich selbst lag einmal lange im Krankenhaus. Vor allem die lustigen Szenen blieben mir in Erinnerung, Wasserschlachten mit den Spritzen etwa. Oder die Freude aufs Abendbrot. Niemand will krank sein, ich auch nicht. Aber es ist nicht ausschlaggebend für das Glück eines Menschen, in welcher Situation er sich gerade befindet.

Und wenn man niedergeschlagen ist, kann man sich auf Schusters Rappen begeben. „Mit jedem Schritt“, schreiben Sie, „den ich lief, ging es mir besser. Diese Methode wirkte erstaunlicherweise immer.“

Fisch schwimmt, Vogel fliegt, Mensch läuft: Das sei, hat Emil Zátopek gesagt, der tschechische Langstreckenläufer, die logische Antwort auf die Frage, warum er denn laufe. Das Laufen entspricht der Wesensart des Menschen. Der Mensch ist nicht für den Stuhl gebaut.

Den Musiker in der Corona-Pause stelle ich mir als sitzendes Wesen vor.

Ich stehe viel. Das ist schon mal gesünder als Sitzen. Schwimmen ist natürlich auch wunderbar, gerade für den Rücken. Müsste man als Mensch eigentlich nur noch fliegen können, dann wäre es perfekt.

Bleibt das Problem des Älterwerdens. Ihr seid alle ähnlich alt bei Rammstein, geboren zwischen 1963 und 1971.

Da gibt es keinen Unterschied zum Älterwerden mit Freunden, Kollegen, der Familie. Die Frage ist generell, warum man mit Musikern zu Themen spricht, die über ihre Musik hinausreichen. Als ob Musiker da die geringste Ahnung hätten. Ich habe mich gewundert, dass Sie mit mir über solche Themen reden wollten. Ein Musiker ist jemand, der sich gerade nicht reflektiert äußern kann. Was ihn bewegt, das kann er nur rausschreien oder raussingen oder rausspielen. Ein Musiker ist jemand, der nicht arbeitet. Er unterhält sich und die anderen Menschen. Er ist nur Künstler und hat deshalb einen geringen Erfahrungsschatz. Künstler sind die Letzten, die ich fragen würde, wenn ich zu einer bestimmten Situation eine Frage hätte. Musiker sind auf der Stufe eines zehnjährigen Kindes stehen geblieben.

Sie sind nicht nur Musiker, Sie sind auch Schriftsteller.

Ich schreibe nicht wie ein Schriftsteller, sondern wie jemand, der Musik gemacht hat. Mein Buch ist schriftstellerisch wertlos.

Da darf man widersprechen. Formulierungen wie „Freude am Unfug“, die Beobachtungen bei einer Tournee, die Überlegungen zum Wesen der Zeit haben schriftstellerische Qualitäten.

Zumindest lese ich gerne und viel. Heinz Strunk schätze ich sehr oder Georges Simenon, mit Lutz Seiler kann ich weniger anfangen.

Wer sich treu bleiben will, muss der beständig sein?

Da bin ich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Veränderung und der Hoffnung, dass alles so bleibt, wie es ist. Beständigkeit und Verlustangst gehören zusammen. Mir fehlt oft der Mut, etwas zu ändern. Dadurch öffne ich weniger Türen im Leben, als ich es könnte. Das ist eine Typenfrage. Ich proklamiere das nicht, aber ich persönlich bin froh, wenn alles so ist, wie es ist. Ginge es nur nach mir, würde ich heute noch ohne Computer leben. Wenn ich eine Mail mit dem Macintosh schreibe, fühle ich mich, als würde ich mit dem Panzer zum Bäcker fahren. Ich telefoniere auch nicht gerne.

Rammstein ist ein Muster an Beständigkeit. Ihr seid seit 1994 in derselben Besetzung zusammen.

Ja. Anders würde es nicht funktionieren. Das hat auch etwas mit Genügsamkeit zu tun. Viele denken, es kommt immer etwas Besseres. Manchmal ist es richtig, aufzubrechen und einen Schlussstrich zu ziehen, in einer Beziehung etwa. Oft aber gibt man zu früh auf, trennt sich und beginnt von vorn und trennt sich wieder und beginnt wieder von vorn. Im Alter steht man dann ganz alleine da. Kein Richtig und kein Falsch gibt es da.

Für einen Künstler scheint mir die Gefahr größer, sich immer im Vertrauten zu bewegen.

Ja, das ist die große Falle. Man kann nicht alles gleichzeitig haben. Man kann nicht gehen und zugleich dableiben.
Heute hat nicht nur die Welt, sondern auch Karl Marx Geburtstag. Marx gab der Veränderung vor der Beständigkeit den Vorzug.

Haben Sie ihn je gelesen?

Freiwillig nicht. In der Schule mussten wir es. „Mohr und die Raben von London“ über den jungen Marx war ein wunderbares Kinderbuch.

Würde Ihnen etwas fehlen, wenn Sie keine Musik mehr machten?

Nur das Musikmachen.

Da kann ich nun nicht widersprechen.

Ich baue gerade Katzen. Aus Holz. Trauerkatzen. Mir starb einmal die Katze, das war ein harter Schlag. Ich wohne in der Nähe eines Friedwalds, wo auch Katzen beerdigt werden. Mit Trauerkatzen könnte man Trost spenden. Ich habe mir früher vorgestellt, wenn meine Katze beerdigt würde, könnte hinter dem Grabstein eine Trauerkatze erscheinen, eine Auferstehungskatze, und die nehme ich dann von der Beerdigung wieder mit nach Hause. Diese hölzerne Himmelskatze muss natürlich hässlich sein, damit die Leute über ihren Ärger über die Hässlichkeit die Trauer vergessen. Jetzt in der Corona-Zeit habe ich schon viele Katzen geschraubt, genagelt, geklebt. Das Holz sammle ich im Friedwald auf. Man sollte den Tod generell stärker ins Leben integrieren. Ich habe mir auch schon einen fahrenden Grabstein überlegt: Auf die Kühlerhaube schreibt man die Lebensdaten eines geliebten Menschen, und vorne, wo vielleicht ein Stern angebracht war, platziert man seine Asche.

Ein morbider Gedanke.

Ich finde diese Vorstellung schöner als die Aussicht, irgendwo in der Stadt auf einem militärisch abgezirkelten Friedhof begraben zu werden, wo keine Hunde hindürfen, wo man nicht spielen und nicht rauchen und nicht lachen darf und sich nur leise unterhalten soll. Ich wuchs in Berlin neben dem Friedhof in der Greifswalder Straße auf. Vom Fenster aus sah ich täglich den Beerdigungen zu. Auf Hebammen sind alle stolz, während Bestatter als unberührbar gelten. Dieses Bild möchte ich gerne verändern.

Rammstein feiert in seinen Liedern die Vergänglichkeit.

Mit dem Wort „Feiern“ kann ich gar nichts anfangen. Bei Feiern denke ich nur an Alkoholmissbrauch. Ich habe in meinem Leben noch nichts gefeiert. „Spaß“ ist auch so ein inhaltsfreies Wort. „Freude“ hingegen ist ernst. Darum „Freude am Unfug“.

Steht ein neues Buch am Horizont?

Nein. Ich hätte jetzt viel Zeit, aber genau deshalb schreibe ich nicht. Ich habe immer nur geschrieben, wenn ich keine Zeit zum Schreiben hatte. Und den Eindruck hatte, jetzt schreiben zu müssen.

Wie geht es weiter mit Rammstein?

Ich vermute, dass wir die ausgefallene Tournee 2021 nachholen werden.

Im September solltet ihr in den Stadien von Los Angeles und Mexiko spielen.

Mexiko oder Bernau, das ist doch egal. 

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Dr. Roland Mock | Fr., 12. Juni 2020 - 11:20

Flake ist schon immer eine rote Socke gewesen. Sein Kollege Lindemann nannte ihn mal eine „Ostzecke“. Aber wenigstens ist er ehrlich. Kein Typ, der andere angeschissen hat. Daß er den Wehrdienst in der DDR verweigert hatte, imponiert mir. Auch wenn er sagte, er habe das aus Angst getan: Dazu gehörte Mut.

Rainer Mrochen | Fr., 12. Juni 2020 - 11:31

... in unserer Hypermedial aufgepumpten Zeit ein wunderbar, bodenständiger Interviewter.
Geistige Reife erkennt man, im Erkennen des sich selbst. Selbstverständlich eine Frage der Reifung,
im älter werden, hoffentlich.

Milan Chudaske | Fr., 12. Juni 2020 - 13:42

Zwei Herzen schlagen in meiner Brust: Als Rammstein-Fan mag ich die Band als solches, da sie trotz idiotischer Vorwürfe (rechtes Image, blabla) immer ihren Weg gegangen ist. Auf der anderen Seite ist Flakes Rumgeschwurbel zu Marx' Geburtstag (wo wir ja gerade über erinnerungswürdige Deutsche und welche, die von den Sockeln müssen, reden) und das nonchalante Hinweggehen durch den Interviewer immer der Moment, wo man rufen möchte: Halt's Maul und mach vernünftige Mucke.