- Selbst ist die Frau
Selbstbefriedigung ist eines der letzten echten Tabus. Denn: Alleine im Bett gibt es keine Likes. Hier setzt das Computerspiel Happy Vagina an.
Das erste Mal ist einsam. Zumindest in den meisten Fällen. Wer, wann und wie oft Sex mit sich selbst hat, darüber gibt es selten Information aus erster Hand. Über die Eigenstimulation spricht man nicht, erst recht nicht als Frau. Der Tod, das Altwerden, Pädophilie und Prostitution werden zu Hauf in Funk und Fernsehen thematisiert und gleichzeitig mit dem Stempel der Tabuisierung geadelt. In Talkshows sprechen Päderastenopfer, Sterbehelfer und Krebskranke über ihre tiefsten Ängste und Gedanken. Gut so.
Aber wie sich Menschen allein in erotische Stimmung versetzen, darüber herrscht viel Schweigen. Auch heute noch undenkbar skandalös wäre eine Vorstellung wie die von Nina Hagen. Die Krawallerleuchtete demonstrierte an einem legendären Talkabend in den 80ern einem dummdreisten Mitdiskutanten zu Provokationszwecken, wie Mann es der Frau am besten besorgt. So etwas ward selten wiederholt. [[nid:54800]]
Aber wenn öffentlich nicht Zeugnis abgelegt wird, muss die Wissenschaft ran. Aus der Anonymität geschöpft, gibt es neue Studienergebnisse der Universität in Bonn: Danach onanieren 90 Prozent aller Männer und 87 Prozent aller Frauen regelmäßig. Damit sind die Zahlen in den vergangenen 30 Jahren von einstigen 22 Prozent bei den Männern eindrucksvoll angestiegen. Frauen haben ihre Anstrengungen gar verdoppelt. Dass es sich hierbei vermutlich nicht um die wahren Zahlen handelt, sondern die Menschen lediglich öfter zugeben, dass auch sie Hand an sich legen, ist naheliegend.
Freuen dürfte das in jedem Fall die Entwickler der kleinen fröhlichen Vulva, auch Happy Vagina gerufen. Dieses rosa Computergeschöpf in Form des weiblichen Geschlechtsteils bringt Mädchen spielerisch bei, wie sie ihre Klitoris bestmöglich stimulieren. Mit der Maus soll der anatomische Wunderpunkt so umkreist werden, dass am Ende eine glücklich-enthemmte Vagina an ihr Ziel kommt. Das Spielverderbermagazin „Jetzt“ kritisiert an dem Spiel der Gamedesignerin Tina Gong, Mädchen würden dazu angehalten, häufiger zu masturbieren, als sie es selbst wünschen. „46.6% of women masturbate less than once a month every year. Gals, you can do better!“, heißt es nämlich auf der Webseite. Damit würde unnötig Druck auf die jungen Entdeckerinnen ausgeübt, heißt es bei „Jetzt“.
Mit Druck können offensichtlich auch die Jungs von NoFappers nicht umgehen. Auf ihrer Facebookseite sammeln sie weitere Männer ein, die vom ewigen Pornogucken und Masturbieren genug haben und stattdessen lieber selbstgebackenen Kuchen posten. Sie agieren ganz nach der Immanuel Kant’schen Logik, nach dem die Masturbation den Menschen zu einem anti-sozialen Wesen mache.
Dass Thesen wie diese eher in das 18. Jahrhundert passen, als Masturbation für Verdummung, Magengrimmen und Pickel verantwortlich gemacht wurden, geschenkt. Doch Schuld und Sühne, Peinlichkeit und Scham sind auch noch im 21. Jahrhundert eng mit der Onanie verbandelt. Um aus der Schmuddelecke herauszufinden, müssten sich die Betroffenen ihrer Sache versichern können.
Hier aber liegt der Hase im Pfeffer. Denn da gibt es eben niemanden. Keiner, der Lob oder Tadel ausspricht. Kein Feedback. Und das in einer Welt der ständigen Rückversicherung, die mit der ehrlichen Teamrunde anfängt und bei der Bewertung des Profilfotos im Sozialen Netzwerk aufhört. Alleine im Bett aber gibt es keine Likes. Hier setzt Happy Vagina an.[[nid:54800]]
Immerhin ist die Onanie die mit Abstand häufigste Art überhaupt, Sex zu haben. Etymologisch verwurzelt ist sie im ersten Buch Mose. Da soll Onan seiner verwitweten Schwägerin ein Kind zeugen, um den Namen seine Bruders zu erhalten, lässt aber seinen wertvollen Samen auf die Erde fallen. Er will kein Kind, das nicht ganz und gar zu ihm gehört. Obwohl es sich hierbei vielmehr um einen klassischen Koitus Interruptus handelt, gilt die Onanie seitdem als Eigenstimulation der Geschlechtsorgane. Onans Akt transportiert bereits die Egomanie, die im hedonistisch-narzisstischen Handanlegen gipfelt.
Doch dieses Stigma der Ersatzbefriedigung löst sich langsam. Studien wie die der Bonner Universität bringen Erkenntnisse zutage nach denen die Masturbation kein Ersatz oder gar Konkurrent ist für eine glücklichen Beziehung – im Gegenteil: Die Hand führt eine friedliche Koexistenz neben dem Partner. Junge Frauen aber, die schon mit 15 Jahren ihre erogenen Zonen kennen und stimulieren können, sind klar im Vorteil, um eines Tages ein selbstbestimmtes Sexleben zu führen. Und das ist es auch, was die Mädchen von der kleinen Happy Vagina lernen können. Denn am Ende ist jeder bekanntlich für seinen Orgasmus selbst verantwortlich.
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