- Die irrationale Angst vor der Perversion
Der Widerstand gegen die Homo-Ehe und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ist verständlich, aber menschenunwürdig. Manchmal hilft mehr Verstand und weniger Gefühl
Warum fällt es eigentlich so vielen Leuten derart schwer, sich mit der Vorstellung gleichgeschlechtlicher Ehen abzufinden? Ich glaube, die Antwort darauf fällt wiederum ziemlich leicht: Weil diese Vorstellung immer noch so ungewohnt ist. Die gesellschaftlichen Beharrungskräfte sollten niemals unterschätzt werden, und wer so tut, als könne man sie ignorieren, ist naiv. Heterosexuelle waren (und sind) gegenüber Homosexuellen seit Jahrhunderten privilegiert, die Möglichkeit der Eheschließung war (und ist) eines dieser Privilegien. Da bekanntlich niemand gern auf seine Privilegien verzichtet, ist der nach wie vor verbreitete Widerstand gegen Homo-Ehen völlig verständlich. Was nicht heißt, dass man sich damit abfinden und alles beim Alten lassen sollte. Denn meines Erachtens existiert schlicht kein vernünftiger Grund, Schwule und Lesben vom Institut der Ehe auszuschließen. Es ist vielmehr ein zwingendes Gebot der Gerechtigkeit, dies nicht zu tun. Für das Adoptionsrecht gilt übrigens das gleiche.
Das derzeit besonders aus den Reihen konservativer Katholiken angeführte Argument gegen die Homo-Ehe lautet: Aus solchen Verbindungen können keine Kinder entspringen. Das ist in der Tat richtig. Aber wenn diese Begründung stichhaltig wäre, dürften Frauen spätestens ab Ende vierzig auch nicht mehr heiraten. Ebenso wenig wie zeugungsunfähige Männer. Wer die Möglichkeit zum Zeugen von Nachwuchs zur Voraussetzung für die Eheschließung macht, müsste konsequenterweise für vorstandesamtliche Fruchtbarkeitstests eintreten. Das tut aber zum Glück niemand, weil es schlicht menschenunwürdig wäre. Schon aus diesem Grund kratzt der Hinweis auf die nicht vorhandene Fähigkeit zur Reproduktion zwischen gleichgeschlechtlichen Ehepartnern an deren Menschenwürde. Damit möchte ich keineswegs in Abrede stellen, dass Kinder eine Ehe bereichern. Aber bereits das Wort „bereichern“ impliziert, dass der Bund zwischen zwei Menschen und das dazugehörige Versprechen, füreinander einzustehen, einen Wert an sich darstellt. Warum also sollte man ganzen Bevölkerungsteilen nur aufgrund einer sexuellen Disposition diese wertvolle Verbindung vorenthalten?
Um nun auf das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Ehepaare zu kommen, möchte ich zunächst einmal die Frage stellen, was denn wohl dagegen sprechen könnte. Natürlich spielt auch hier die Macht der Gewohnheit eine Rolle: Zwei Männer oder zwei Frauen, die gemeinsam Kinder großziehen, geben eben ein ungewohntes Bild ab. Kann das der Grund sein, um derartige Konstellationen zu unterbinden? Natürlich nicht. Müssen die Kinder homosexueller Adoptiveltern damit rechnen, in der Schule gehänselt zu werden, weil ihre Familienverhältnisse nicht der gängigen Norm entsprechen? Möglicherweise ja. Aber Kinder werden von anderen Kindern auch aus ganz anderen Gründen gehänselt, beispielsweise weil ihre Hautfarbe nicht der in Deutschland gängigen Norm entspricht. Niemand käme deshalb auf die Idee, etwa gemischtrassige Ehen zu untersagen.
Das wahrscheinlich wichtigste Motiv, aus dem heraus sogar viele Befürworter der Homo-Ehe ein Problem mit dem entsprechenden Adoptionsrecht haben, bleibt meist unausgesprochen. Es gründet letztlich in der Vorstellung, dass Schwule oder Lesben in Wahrheit eben doch Perverse sind, die man von Kindern besser fernhalten sollte. Oder in der Befürchtung, dass Kinder von homosexuellen Adoptiveltern am Ende gar selbst homosexuell werden könnten (worin abgesehen von jeder negativen Evidenz wiederum die Unterstellung mitschwingt, Homosexualität sei schädlich und stehe einem glücklichen Dasein auf Erden im Wege). Beide Unterstellungen sind zweifelsfrei diskriminierend und sollten deswegen keine Wirkung entfalten.
Natürlich werden sich mit diesem Versuch einer halbwegs logischen Herleitung keine Ressentiments gegenüber Schwulen und Lesben aus der Welt schaffen lassen. Aber ein wenig mehr Verstand und ein bisschen weniger Gefühl könnten der Debatte möglicherweise nicht schaden.
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