Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Fleischesser gegen Vegetarier - Ja, ich habe Panka gegessen

Wer meuchelt, heuchelt? Nicht nur! Die Grüne Woche zeigt: Mit Halbwahrheiten und Bigotterie wird auf allen Seiten gekämpft – sowohl bei Veganern als auch bei Fleischessern

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

So erreichen Sie Marie Amrhein:

Pankas Fleisch war zart. Dazu gab es Möhrchen in Vanilleschoten gedünstet und selbstgestampfte Kartoffeln. Panka war ein Walachenschaf. Genauer: Ein Walachenlamm. Wir kannten es, hatten es fast täglich auf der Weide mit seinen Kollegen herumlungern sehen. Und nun war Schluss, Pankas Leben sollte das zarte Lammesalter von einem Jahr nicht überdauern. Unseretwegen.

Im Morgengrauen ging es auf den Hänger, der ihn zum Schlachter brachte. Es war noch immer dunkel draußen, als Panka und acht weitere Lämmer nacheinander vor ihren Henker traten. Der Bolzenschuss schaltete in Pankas Großhirn das Schmerzsystem aus, dann ein Schnitt durch die Kehle und das noch schlagende Herz pumpte das Blut aus dem Leib des Lammes. Der Tod kam gnädig über die Tiere. Weder unser Lamm noch eines seiner Gefährten schrie oder zeigte Anzeichen von Angst und Panik. Sie starben, wie sie gelebt hatten. Ohne jedes Bewusstsein für ihr eigenes Dasein. Aber die Zeit, die sie auf der Erde verlebten, die war gut. Voll taufrischem Gras, mit einem bisschen Gemäh‘ und dem Glucksen des Flusses, an dem Pankas Herde weidete.

[gallery:20 Gründe, warum Ökobürger nerven!]

Ich fühle mich kein bisschen schlecht, wenn ich daran denke, dass Panka für unsere leeren Mägen starb. Das muss auch mal gesagt werden an Tagen wie diesen, wo am Rande der Grünen Woche in Berlin tausendfach gegen das Schlachten und die Agrarindustrie gepöbelt wird. Wo der Kanzlerin Schwäbisch-Hallische Landschweine vor die Tür geladen werden. Und wo Verhältnismäßigkeiten verschwimmen.

Eat this, Körnerfresser!


Vor allem nach der Veröffentlichung des aktuellen Fleischatlas vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) duckt man sich als bekennender Fleischesser, auch Carnivor geschimpft, lieber in die nächste Ackerfurche. Eine carnivore Lebensweise nämlich wird bei Anarchopedia als „radikale, umfassende Herrschaftskritik“ beschrieben. Das Fleischessertum erkenne – Schande über uns – den Menschen „und nicht Tiere als Opfer von Herrschaft“ an.

Nun erzählen Sie das mal auf dem Agrarunternehmertag in Amelinghausen. Da hielt Ernährungswissenschaftler und Bauernfreund Udo Pollmer vor einigen Tagen einen Vortrag. Das Motto: „Landwirt als Sündenbock? Nicht mit uns!“. Etwa hundert Landmänner- und Frauen waren gekommen, um sich Argumente abzuholen gegen diese verleumderischen Ökofaschisten da drinnen in den Städten. Die nämlich dächten, der Bauer stehe „in der Früh nicht auf, um Tiere zu füttern, sondern um sie zu quälen“, heizte Pollmer ein. Dabei sorge man doch dafür, dass „die ganzen Idioten was zu fressen haben!“ Und erst diese Veganer, für die schließlich massenweise Obst- und Gemüseplantagen entstünden, auf denen Wühlmäuse geradezu „abgeschlachtet und Ratten gräuslich abgemurkst“ würden.

Eat this, Körnerfresser!

Gemeuchelt und geheuchelt wird also auf allen Seiten. Aber viel zu selten kommunizieren beide Gruppen miteinander. Selten hören wir Normalverbraucher etwa, was die konventionelle Landwirtschaft zu den Vorwürfen sagt. Gar kein Fleisch ist nämlich auch keine Lösung. Milch- und Fleischvieh etwa sind es, die das Bestehen von Grünlandflächen in unserer Landschaft sichern. Und ein Land, das nur noch aus Äckern besteht, ist weder nachhaltig noch natürlich. Das müsste auch einem betriebsblinden Veganer mit Krückstock einleuchten.

Aber die Lobby gegen die „flächendeckende Agrarindustrie“ ist stark. Das spüren auch die Bauern auf ihren Höfen – und es macht ihnen Angst. Dabei zählen die wenigsten von ihnen zur großen Agrarplayerszene. Es sind Familienunternehmen, die versuchen, über die Runden kommen. Die ohne Subventionen und streng wirtschaftliches Handeln keine Chance hätten. Weil die meisten von uns eben doch noch viel zu häufig zum Billigfleisch greifen.

Also denken wir um. Essen wir wenig Fleisch und wenn, dann von glücklichen Lämmern. Und probieren mehr Gemüsegerichte.

Gerade sind die Samen für unseren Garten angekommen. Petersilie, Radieschen, Kartoffeln und Steckrüben. Wenn ich ehrlich bin, graut mit ein bisschen vor der Steckrübensuppe. Aber heute gab es zum Mittag noch einmal Burger. Von unglücklichen CO2-Rindern. Verdammt.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.