- Von der Qual der Patenwahl
Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Taufen oder nicht? Die Frage stellt sich auch nach der Geburt des dritten Kindes. Dabei geht es weniger um die Glaubensfrage als vielmehr um den Patenschein. Sollten Eltern ihre Kinder zwanghaft mit einer anderen Person verkuppeln?
Die Zeit rast. Das lehren uns die Kinder Jahr um Jahr. Als die erste Tochter geboren wurde, pochte der Schwiegervater noch monatlich darauf, diese schnellstmöglich taufen zu lassen. Bei der zweiten nahmen die Apelle schon ab. Nach der Geburt der dritten, muss er sich nun wie der einsamste Rufer in der Wüste fühlen. Dabei habe ich nichts gegen die Taufe.
Ich fühle mich wohl in der christlichen Glaubensszenerie. Weihnachten ohne Kirchgang kann ich mir nicht vorstellen, oft folge ich den sonntäglichen Gottesdiensten im Deutschlandfunk, schätze gerade die Predigten. Wenn sie gut sind, gleichen sie geistreichen Kolumnen. Ich empfinde großes Glück beim Singen in der Kirche, genieße das gemeinschaftliche Gemurmel des Vaterunser. Ich glaube, dass christliche Werte wie Toleranz und Nächstenliebe, würden sie nur wirklich gelebt, unsere Gesellschaft besser machen würden. Ich wünsche mir mehr von denen, die verinnerlicht haben, dass alle Menschen gleich viel wert sind. Dass jeder eine zweite Chance verdient und die Sünden dessen zu Recht vergeben werden, der aufrichtig bereut.
Aber glaube ich an Gott? Wenn ich ganz ehrlich bin: Nein. Was ich von der Welt weiß, lässt mich nicht nur daran zweifeln, dass es einen höheren Plan gibt. Es ist für mich Beweis genug, dass keine gute Macht dies alles gut heißen kann. Die Sintflut ist längst überfällig.
Artifizielle Verkupplung
Gleichzeitig bringt die Kirche viel Positives in mein Leben. Und das möchte ich an meine Kindern weitergeben. Mir scheint, dass der Aspekt der Gottgläubigkeit für viele Menschen in den Hintergrund tritt, wenn es heute um den sogenannten Glauben geht. Und ich denke nicht, dass das ein Problem ist. Nicht für mich – und nicht für meine Kinder, die mit voller Inbrunst das im Kindergarten erlernte „Gottes Liebe ist so wunderbar“ mitgrölen.
Das alles ist es nicht, was mich davon abhält, meine Kinder zu taufen. Mein Problem steckt in der Patenfrage. Ich sehe keinen Sinn darin, für jedes meiner Kinder einen Menschen auszuwählen, der sich ihm zuwenden soll. Umgekehrt habe ich ein ungutes Gefühl dabei, der Tochter eine Person zuzuteilen, der sie sich verbunden fühlen soll für den Rest ihres Lebens. Diese artifizielle Verkupplung zweier Lebewesen ist mir zu zwanghaft und nicht mehr zeitgemäß. Beziehungen sind etwas so Individuelles, dass es uns Eltern nicht zusteht, hier wegweisende Entscheidungen zu treffen, sind wir doch in der Kindererziehung längst soweit, dass es als hohes Gut gilt, autonome Entscheidungen der Kinder zu respektieren und zu fördern. Wieso sollte ich dann mit dem Schiedsspruch für einen Paten so tief in die Lebenswege der mir Anvertrauten eingreifen?
Fragt man Erwachsene, so bedürfen wertvolle Beziehungen, die im Laufe des Lebens entstehen, keines Patenscheins. Es scheint eher Zufall zu sein, wenn hier besondere Bande entstehen. Dass drei Kinder, falls uns Eltern etwas zustoßen sollte, nicht getrennt ihren Paten zugesprochen würden, versteht sich von selbst. Wenn ich denn also Paten aussuchte – nach welchen Kriterien würde ich sie den Kindern zuordnen? Nach meiner eigenen Sympathie? Die der Kinder? Nach dem dicksten Geldbeutel, dem größten Herzen, dem aufsehenerregendsten Hobby, den besten Kontakten?
Quatsch. Ich laboriere an einer anderen Idee: Einer Patengemeinschaft von Menschen, die sich für meine Kinder interessieren, seitdem sie auf der Welt sind. Und die ich gerne hab. Frei nach dem afrikanischen Sprichwort, dass es ein ganzes Dorf brauche, um ein Kind zu erziehen. Oder, wie mein weises Tantchen immer sagt: „Ein Kind kann nie genug Menschen haben.“ Sie ist übrigens einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Ganz ohne Patenschein. Nur weil wir beide es wollen. Das ist wohl die schönste Beziehung, die ein Mensch haben kann.
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