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Berlin - Direktwahl statt Wowereit

Berlins Regierender Bürgermeister will sich mal wieder der Verantwortung entziehen. Dabei offenbart der Fall Schmitz erneut sein Versagen. Deshalb müssen die Bürger der Stadt Klaus Wowereit ihr Vertrauen entziehen. Ein Aufruf

Autoreninfo

Prof. Dr. Markus C. Kerber ist Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin. Seit 2006 ist er Gastprofessor für Verteidigungsökonomie am I.E.P., Paris.

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Der Regierende Bürgermeister von Berlin hat immer noch nicht verstanden, was die Stunde geschlagen hat: Er lässt sich von seinen Getreuen weiter feiern. Er deckt einen Steuersünder in seinem Senat, spendiert großzügige Abfindungen, hat keine Ideen für die Stadt und vor allem: er dilettiert in Sachen Flughafen. Einst war der BER das einzige Großprojekt auf Seiten des Senats zur Reindustrialisierung Berlins. Inzwischen ist er zur Lachnummer verkommen und Klaus Wowereit wieder Chef des Aufsichtsrates. Er will nicht kneifen, sagt er, sondern sich der Verantwortung stellen.

Wowereit – der Anpasser
 

Die Wahrheit sieht anders aus: Wowereit – ehemals Regierungsrat zur Anstellung in Tempelhof und in das Amt des Regierenden Bürgermeisters nur durch Fürsprache der Westberliner Parteienoligarchie gekommen – will sich der Verantwortung entziehen. Obwohl das Versagen seiner Politik offenbar dem Mittelmaß geschuldet ist, das bei der Bewältigung der Flughafenproblematik in Berlin am Werk war, trällert Wowereit, der leibhaftige Repräsentant hedonistischer Demokratie, weiter sein Lied: The party goes on.

Wowereit hat in der jahrelangen Diskussion um geeignete Standorte nie Stellung bezogen, sondern ist immer dem Mainstream gefolgt. Ob Sperenberg oder Schönefeld, ob Stendal oder Parchim, Wowereit wusste sich anzupassen. Nach der Standortentscheidung meinte er, das Flughafenprojekt BER sei sein Projekt. Es komme nicht auf den Standort an, sondern auf die Qualität der Projektbetreuer. Daher wählte er sich unter den mittelmäßigen den schlechtesten Flughafenchef. Rainer Schwarzbisher nur als Verwalter von Flughäfen tätig – wurde Geschäftsführer der Berliner Flughafen GmbH und klagt nach seinem Rauswurf nun auf Weiterzahlung seines Gehalts bis 2016.

Der Bund hat wenig Macht, aber kann er sich der Nachschusspflicht verweigern? Statt darauf zu drängen, im Wege eines Bundeskommissars das Berliner Sodom und Gomorrha, diesen Sumpf des Mittelmaßes trocken zu legen, versucht dieser „im Einvernehmen mit den Ländern Berlin und Brandenburg“ die Flughafenproblematik zu beheben. Kenner der Problematik sind da schon weiter. Sie verlangen schlicht und einfach den Abriss.

Das Haftungsgebot aufgehoben
 

Wir wollen an dieser Stelle den Tag nicht vor dem Abend loben und die Abrissbirne nicht voreilig bestellen, sondern das einfordern, was in einer Demokratie zu den Minimalia politischen Anstands gehört: Haftung für die eigenen Fehler. Verantwortung für begangenes Unrecht. Noch bevor der Flughafen, der den Namen eines visionären Bundeskanzlers zu Unrecht trägt, zu einem Schandmal nicht nur für Berlin, sondern für ganz Deutschland wird, wollen wir ein Zeichen setzen. Wowereit war nie ein Regierender Bürgermeister, sondern ein frivoler, selbstgefälliger, der Hybris verhafteter öffentlicher Genüssling, der ohne Meriten in ein Amt gekommen ist, das für ihn ganz offensichtlich zu groß geraten scheint. Kleider machen manchmal Leute, aber die Kleider, mit denen sich Wowereit umhüllt, sind eine Nummer zu groß für ihn.

Der Fall Schmitz
 

Die politische Charakterlosigkeit Wowereits zeigt sich spätestens in der Causa André Schmitz. Obwohl der Regierende Bürgermeister seit 2012 Kenntnis vom Steuerbetrug seines Kulturstaatssekretärs hatte, hielt er seinen Parteifreund im Amt. Schmitz war erst zurückgetreten, nachdem der Fall vor wenigen Tagen an die Öffentlichkeit gelangt war. Obschon Wowereit von seinen Parteifreunden auf Bundesebene widerwillig Unterstützung erfährt, ist diese Angelegenheit mitnichten erledigt. Im Gegenteil: „Die Hütte brennt,“ dies stellte der Neuköllner SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky folgerichtig fest. Und statt den Steuersünder vom Hof zu jagen, wird er mit einem goldenen Handschlag im Wert von 209.000  Euro verabschiedet.

In einer Situation, in welcher der Ruf Berlins auf dem Spiel steht, die Regeln demokratischen Anstands missachtet werden und das Abgeordnetenhaus Berlin in seiner Mehrheit einem Mann, dem kein Berliner mehr glaubt, sein Vertrauen ausspricht, heißt das Gebot der Stunde: Weg mit Wowereit!

Dies ist mehr als ein Aufruf. Dies ist ein Weckruf, der sich an alle Bürger Berlins richtet, und nun auch an alle Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Republik, die nicht ansehen können und wollen, dass Berlin, die deutsche Hauptstadt, also eine Stätte, die Geist anzieht und von der Geist ausgehen sollte, von einem öffentlichen Genüssling regiert wird, der nur eins kann: Bürgerwünsche verachten, Feten feiern und Prominenz genießen. Durch die Berliner Bürgerschaft muss angesichts des Flughafendebakels ein Ruck gehen: Sie kann, sie darf nicht länger ansehen, wie der Ruf unserer Stadt zerstört wird durch einen Mann, der nichts erbauen will, der nichts erbauen kann, sondern stolz darauf ist, sich aus der Westberliner Schlammelite in das höchste Amt der Stadt manövriert zu haben.

Direktwahl des Bürgermeisters
 

In einem Gespräch mit der FAZ meint Wowereit, seine Fehlleistungen als Aufsichtsratsvorsitzender auch noch verteidigen zu dürfen. Ist er auf die vielen illegalen Genehmigungen auch noch stolz? Der Mann nimmt die Realität nicht wahr, sondern zeigt Selbstmitleid. Der Bund habe ihm so zugesetzt. Zeit für eine Amtspause Zwecks posttraumatischer Behandlung?

Der Protest muss einhergehen mit einer verfassungspolitischen Forderung: Überlassen wir die Wahl des Regierenden Bürgermeisters nicht länger dem Abgeordnetenhaus! Vertrauen wir nicht länger einer Oligarchie, die – von Steuergeldern finanziert – das Kartell der Blockparteien gebildet hat! Ergreifen wir die Initiative, zeigen wir Zivilcourage und Bürgermut!

Der Berliner Bürgerwille sollte ein zusätzliches Ziel haben: Wir wollen unseren Regierenden Bürgermeister selbst wählen. Dies ist in der Berliner Verfassung – von Parteien für Parteipolitiker ausgearbeitet – nicht vorgesehen. Umso mehr geht es darum, die Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters auf die Tagesordnung zu setzen. Was in München, Stuttgart und Düsseldorf selbstverständlich ist, sollte auch in Berlin möglich sein. Der Ruf „Weg mit Wowereit!“ geht also einher mit einer verfassungspolitischen Forderung nach mehr direkter Demokratie.

 

Markus C. Kerber ist Professor für Öffentliche Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik am für Institut Volkswirtschaft & Wirtschaftsrecht an der TU-Berlin und Gründer des think tank Europolis ( www.europolis-online.org)

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