- Waffe ohne Gesicht
Ihr Einsatz ist in Deutschland umstritten. Von Befürwortern wie Gegnern werden ethische Argumente ins Spiel gebracht. Braucht die Bundeswehr bewaffnete Drohnen?
Viele halten Drohnen für die ethisch vertretbarsten Waffen der Zukunft, andere sehen in ihnen Teufelszeug, mit dem die Hemmschwelle zur Kriegsführung sinkt. Im Bundestag wurde am Donnerstag heftig darüber gestritten, ob die Bundeswehr, die bereits Aufklärungsdrohnen einsetzt, auch bewaffnete Drohnen beschaffen soll – um damit die eigenen Soldaten zu schonen.
Was spricht für den Einsatz bewaffneter Drohnen?
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sprach sich in der Aktuellen Stunde des Bundestags für deren Anschaffung aus.
Er hielt ethischen Einwänden, mit Drohnen werde „gezielt“ getötet, entgegen, jeder Polizist oder Soldat habe gelernt, „gezielt“ zu treffen. Wer Kollateralschäden und das Töten von Unschuldigen vermeiden wolle, müsse zielgenaue Waffen einsetzen. Er erinnerte daran, dass gerade die Deutschen aus ihrer Geschichte die Auswirkungen von Flächenbombardements kennen würden. Rechtlich sei der Einsatz von Drohnen nicht anders zu bewerten als der Gebrauch anderer Waffensysteme wie Torpedos oder Raketen. Wenn argumentiert werde, mit Drohnen entstehe ein Computerkrieg, müsse man auch bedenken, dass jede Distanzwaffe, jede indirekte Waffe schon heute computergesteuert bedient werde.
Was führen die Gegner von Drohnen an?
„Sorgfalt geht vor Eile“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Bundesregierung „überstürzt“ auf die Beschaffung von Drohnen noch vor der Bundestagswahl festlege. Die von den Drohnen gelieferte Informationsfülle könne ein Mensch nicht mehr aufnehmen. Deshalb dürfe man die Funktion von Drohnen auch nicht „verniedlichen“. Fakt sei, dass bewaffnete Drohnen zum Töten eingesetzt würden. Arnold forderte eine völkerrechtliche Ächtung von automatisierten Waffensystemen. Linkspolitikerin Inge Höger sagte, der Einsatz von Drohnen würde „asymmetrische Reaktionen“, also mögliche Angriffe auf westliche Staaten, provozieren. „Die Hemmschwelle für militärische Gewalt sinkt.“ Darauf wies auch Grünen-Politikerin Agnes Brugger hin. Drohnenflüge würden die Bevölkerung radikalisieren. Das sei für den Schutz von Soldaten im Ausland kontraproduktiv.
Wo sind bewaffnete Drohnen weltweit schon im Einsatz?
Unbemannte Flugkörper kommen bei den Streitkräften schon seit vielen Jahren zum Einsatz. In erster Linie dienen sie zur Aufklärung und Überwachung. Drohnen sind mit Kameras ausgestattet und übermitteln Lagebilder in die Operationszentralen der Truppen – manche von ihnen in Echtzeit oder nur mit kurzer Zeitverzögerung. Erklärter Befürworter und Nutzer von bewaffneten Drohnen sind die USA. Ihre Streitkräfte und der Geheimdienst CIA setzen die bewaffneten Flugkörper in verschiedenen Teilen der Erde im Kampf gegen Terroristen ein, unter anderem in Pakistan, Afghanistan, Jemen und Somalia. Zeitungsberichten zufolge haben die Amerikaner rund um den Globus, beispielsweise am Horn von Afrika und auf den Seychellen, geheime Drohnen-Stützpunkte errichtet, um von dort aus gegen Terroristen und Piraten vorzugehen.
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Wo setzt die Bundeswehr Drohnen ein?
Die Bundeswehr verfügt nach Informationen des Tagesspiegels derzeit über rund 350 Drohnen – bislang nur über unbewaffnete. Sie wiegen je nach Typ zwischen 3,5 Kilogramm und 14,5 Tonnen. Laut Bundesregierung werden derzeit 60 unbemannte Flugkörper bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr in Afghanistan und im Kosovo verwendet. In Afghanistan nutzen die deutschen Streitkräfte drei große Drohnen vom Typ Heron 1, die die Bundeswehr in Israel geleast hat. Stationiert sind sie in Masar-i-Scharif, von wo aus sie den gesamten Norden des Landes, das Einsatzgebiet der Deutschen, überwachen. Kleinere Drohnen vom Typ „Luna“ und „Aladin“ sind ebenfalls vor Ort. Ihr „Auge“ überblickt kürzere Distanzen und dient den Truppen quasi als unbemannte Vorhut. Die Bundeswehr in Afghanistan überwacht ihre Liegenschaften außerdem zum Teil mit fest installierten, unbewaffneten Aufklärungsballons. Das Verteidigungsministerium erwägt von 2015 an den Kauf amerikanischer Drohnen vom Typ „Predator B“, die sowohl Waffen tragen als auch Aufklärung leisten können.
Muss der Bundestag über den Einsatz von Drohnen befinden?
Das ist in politischen Kreisen umstritten. Während der Einsatz von unbemannten Drohnen im Rahmen der Aufklärung durch entsprechende Bundestagsmandate etwa für Afghanistan und Kosovo gedeckt ist, gibt es für einen bewaffneten Einsatz bislang keinen Präzedenzfall. Im Grundgesetz steht, dass der Bundestag dem bewaffneten Einsatz deutscher Streitkräfte zustimmen muss. Das dürfte auch für Drohnen gelten: Schließlich muss auch bei deren Einsatz irgendwo ein Soldat auf den Auslöser drücken.
Wie weit sind die Europäer bei der Entwicklung eigener Drohnen?
Die USA und Israel haben die technologische Führungsrolle beim Drohnenbau. Bei den Drohnen, über die die Streitkräfte von EU-Staaten verfügen, handelt es sich häufig lediglich um technische Überarbeitungen unbemannter Flugzeuge, die in den USA und Israel entwickelt wurden. So geht etwa die französische Drohne „Harfang“, die in Mali eingesetzt wird, auf eine israelische Entwicklung aus den 90er Jahren zurück.
Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hält es jedoch für riskant, wenn die Europäer den USA und Israel auf Dauer die Führungsrolle beim Drohnenbau überlassen. „Die technologische Abhängigkeit ist zu groß“, warnt er. Schließlich dürfte angesichts des riesigen Marktpotenzials auch im zivilen Bereich viel Geld zu verdienen sein – und da wollen europäische Unternehmen dabei sein. In 20 bis 30 Jahren, prognostiziert Dickow, könnten Unternehmen wie DHL oder FedEx ihre Fracht in Deutschland mit Drohnen transportieren.
Gegenwärtig hat allerdings das Militär die Vorreiterrolle bei der Entwicklung einer europäischen Drohne. Die Crux liegt aber darin, dass dafür infrage kommende Unternehmen wie Europas größter Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, der französische Flugzeugbauer Dassault oder der britische Rüstungskonzern BAE Systems miteinander konkurrieren. Andererseits dürften Entwicklung und Serienfertigung einer Drohne kaum im Alleingang zu stemmen sein.
Die Versuche der EU-Partner für eine gemeinsame Entwicklung waren bisher erfolglos. 2012 versandete ein deutsch-französisch-spanisches Drohnenprojekt „Talarion“, das der Luftfahrtkonzern EADS initiiert hatte. Derzeit gibt es eine Vielzahl mittelfristiger multinationaler Entwicklungsprojekte in der EU – darunter das Projekt „Telemos“ von Dassault und BAE Systems zur Entwicklung einer Drohne bis 2020. Vor einem Jahr bekräftigten der britische Premier Cameron und der damalige französische Staatschef Sarkozy ihren Wunsch zur Rüstungs-Zusammenarbeit. „Das hat Deutschland in eine schwierige Lage gebracht, weil damit die Kooperationspartner verloren gehen“, sagt Cornelius Vogt von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Zumindest auf dem Papier gibt es den Willen zur Zusammenarbeit Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens – eine gemeinsame Absichtserklärung des deutschen und französischen Verteidigungsministeriums vom Juni 2012 sieht die Möglichkeit einer langfristigen Kooperation bei der Drohnen-Entwicklung vor.
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