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Pro - Warum Deutschland Edward Snowden Asyl gewähren sollte

Pro: Der Whistleblower Edward Snowden sucht weiterhin Unterschlupf und hat in der deutschen Botschaft in Moskau Asyl beantragt. Christian Jakubetz erklärt, warum Deutschland diesem Antrag stattgeben sollte. Den Contra-Part von Christoph von Marschall lesen Sie hier

Autoreninfo

Christian Jakubetz, Jahrgang 1965. Stationen u.a. beim ZDF, N 24, ProSiebenSAT1 sowie bei diversen Tageszeitungen. Dozent u.a. an der Deutschen Journalistenschule in München und Lehrbeauftragter an der Universität Passau. Herausgeber des Buchs “Universalcode” (Euryclia, 2011). Seit 2006 freiberuflich tätig u.a. für das ZDF, die FAZ und die deutsche Ausgabe von “WIRED”. Blogger mit “jakblog.de”.

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Nehmen wir doch mal für einen ganz kurzen Moment das Folgende an: Ein Mitarbeiter des chinesischen Geheimdienstes legt mit seinem ganzen Insiderwissen ein gigantisches Abhörprogramm der chinesischen Regierung offen. Er belegt, dass im staatlichen Auftrag Datenströme aus der ganzen Welt abgefangen, belauscht und analysiert werden, nicht nur vom ganz normalen Kleinbürger, sondern bis hinein in höchste Regierungskreise. Und er belegt zudem, dass die Chinesen bei dieser Riesenschnüffelei auch noch nach willkürlichen Klassifizierungen vorgehen, Partner zweiter Klasse von Angriffen verschonen und stattdessen Partner dritter Klasse, zu denen selbstverständlich auch Deutschland gehört, nach Belieben ausspioniert. Neben den hübschen, aufgeregten Schlagzeilen (“Chinesen belauschen Angela Merkel!”) kann man sich vorstellen, dass es keine Debatten darum gäbe, ob man dem Digital-Dissidenten, der ganz alleine eine solche Sache der Weltöffentlichkeit zugänglich macht und dafür jetzt von den Chinesen gejagt wird, Asyl gewähren würde.

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Die Causa Snowden liegt nicht sehr viel anders, selbst wenn man konzidiert, dass es politische Unterschiede zwischen China und den USA und Großbritannien gibt. Aber der Mann, der zu viel wusste, ist nicht nur einfach einer, der gegen seinen Arbeitsvertrag verstoßen hat und deswegen jetzt seinen Job verliert. Snowden ist heimatlos geworden, weil er den möglicherweise größten Datenskandal der jüngeren Geschichte aufgedeckt hat. Eine Angelegenheit, in der es nicht nur einfach um ein paar Mails und Telefonate geht, die mitgeschnitten werden und die man nicht mit dem selten dummen Satz abtun kann, wer nichts zu verbergen habe, der habe auch nichts zu fürchten. Die Enthüllungen über PRISM haben eine hochpolitische Dimension, eine, die eine der Grundlagen unseres künftigen digitalen Lebens berührt: Was können und dürfen Staaten in einem Zeitalter, in dem die Totalüberwachung aller technologisch anscheinend mühelos möglich geworden ist? Wie viel Staat darf sein - und wie hoch ist der Preis unserer Freiheit?

Die USA reduzieren ihren Ex-Mitarbeiter auf den Status eines schnöden Geheimnisverräters. Eine Argumentation, die faktisch viel zu kurz greift. Geheimhaltung und Treue zum Dienstherren enden dort, wo rechtsstaatliche Grundlagen angegriffen und verletzt werden, alles andere wäre das, was auch Diktaturen von ihren Bürgern und Handlagern verlangen. Und wer wollte ernsthaft bezweifeln, dass unfassbar riesige staatliche Schnüffelprogramme alle Dimensionen sprengen, sowohl die der Verhältnismäßigkeit als auch der Rechtsstaatlichkeit.

Natürlich gibt es diesen Paragrafen im deutschen Asylrecht, der das Grundrecht auf Asyl aufweicht. Der eben nicht mehr jedem politisch Verfolgten dieses Recht gewährt, sondern sagt: „Darauf kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“

Das wäre zweifelsohne in den USA der Fall. Zweifelsohne hätte man bisher aber auch davon ausgehen können, dass es in den USA Programme wie PRISM nicht gibt, dass die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit dort eingehalten werden und dass man dort nicht Methoden anwendet, die man eher in Staaten erwartet hätten, die es mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ohnehin nicht so sehr haben. Kurzum: Es ist unsinnig und auch nicht nachvollziehbar, wenn man die USA auf der einen Seite unrechtsstaatlicher Methoden bezichtigt, auf der anderen Seite aber Snowden das Asyl verweigern würde mit der Begründung, die USA seien ein Rechtsstaat, in dem er nichts zu befürchten habe.

Und schließlich wäre ein Asyl für Snowden auch ein politisches Statement. Ein klares. Ein Ausrufezeichen. Eines, das dem Land besser zu Gesicht stünde als das erprobte Luftangriffs-Wischiwaschi nach der Devise “Wir finden´s gut, nur mitmachen wollen wir nicht.”  Will man dem Big Brother klar machen, dass es so nicht geht, dann wäre es ein erster guter Schritt, wenn die third party Germany dies damit dokumentiert, dass sie den unterstützt, der die Sache aufgedeckt hat.

Und nicht den eigentlichen Übeltäter.

 

 

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