- „Jürgen wurde Revoluzzer“
Eier auf den Senator und die Bundesjugendspiele sabotieren: An Jürgen Trittins Gymnasium ging es wild zu. Aber sein Sportlehrer Wilhelm H. Brand, 75, mochte ihn
„Jürgen war ein aggressiver und sehr widersprüchlicher Schüler. Ich hatte ihn bis zur Mittelstufe bei mir im Sportunterricht am Gerhard-Rohlfs-Gymnasium in Bremen-Vegesack. Dort ist er einigen Leuten sehr unangenehm aufgefallen. Viele Kollegen mochten ihn überhaupt nicht, weil er so aufmüpfig war und ihnen ständig widersprochen hat. Einer sagt bis heute, der Jürgen sei ein richtiges Brechmittel gewesen. Aber das lag auch an der verqueren Art dieses Lehrers. Ich fand Jürgen immer sehr intelligent und sportlich zumindest interessiert, auch wenn er nicht zu den Besten gehörte.
Die Eltern von Jürgen kannte ich persönlich. Sein Vater hat über die Zeit des Faschismus geschwiegen und nie etwas dazu gesagt. Das hat diesen hochintelligenten Jungen auf die Barrikaden getrieben. Jürgens jüngerer Bruder Uwe war als Schüler ganz verspielt und politisch naiv. Aber Jürgen wurde nach 1968 ein richtiger Revoluzzer. Damals war er erst 14, er war also eher einer der Wasserträger der Achtundsechziger Herrenclubs. Die anderen waren ja viel älter, zum Beispiel der spätere Apo-Chef Hermann Rademann, mit dem Jürgen auf der Schule sehr eng war, und noch ein paar andere.
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Jürgen hatte damals sehr lange Haare, das war in diesem Kreis halt üblich. Ich erinnere mich noch: Während einer Demonstration ging eine Freundin von Jürgen auf einen stark vom Nazisystem kontaminierten Lehrer zu und hat dem eine geknallt! Und bei einer Abiturfeier haben sie den damaligen Bremer Bildungssenator mit Eiern beschmissen. Als wir 1968 Bundesjugendspiele veranstaltet haben, haben Schüler am Abend vorher die Laufbahn mit Schaufeln aufgegraben, um die Veranstaltung zu sabotieren. Ich war fest davon überzeugt, dass Jürgen dabei gewesen ist. Das hat er zwar verneint, aber so wie er das gesagt hatte, denke ich: Er wusste Bescheid.
Eigentlich hatte Jürgen mit mir nie Probleme. Das lag sicher auch an meiner Offenheit den Schülern gegenüber. Obwohl Trittins Truppe mir auch böse war, wenn wieder mal eine Schülerdemonstration stattfand, und ich dabeistand und nicht mit ihnen auf die Barrikaden steigen wollte. Dann musste ich immer wieder sagen: Ihr lieben Leute, ich kann auch gefeuert werden! Versteht doch, ich bin jetzt kein Schüler mehr, sondern Lehrer, ich hab zu Hause Familie, für die ich sorgen muss, das müsst ihr tolerieren. Das konnte ich ihnen erklären.
Trittins Mutter hat sich damals bestimmt viele Sorgen gemacht um ihren wilden Jürgen. Und wenn er heute nach Bremen-Nord kommt, ist er bei ihr zu Hause und lässt sich betischen.“
Aufgezeichnet von Constantin Magnis.
In einer Cicero-Serie zur Bundestagswahl spürt Constantin Magnis Lehrer unserer Spitzenpolitiker auf.
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