- Das Merkeleske des Winfried Kretschmann
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann war zu Gast beim Cicero-Foyergespräch in Karlsruhe. Warum Merkels Lieblingsgrüner Ähnlichkeiten mit der Kanzlerin hat
Gleich neben dem Eingang parkt an diesem Abend der neue Dienst-Mercedes des Ministerpräsidenten. Eine S-Klasse mit Hybrid-Motor in grün-metallic. Nur 4,4 Liter solle er verbrauchen. Die Chauffeure der anderen Amtsträger blicken anerkennend ins Innere der sparsamen Luxuslimousine. Das Auto passt zu Kretschmann, der selbst eine Art Hybrid-Politiker ist. Der erste grüne Ministerpräsident der Welt, wie Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke gleich am Anfang etwas verwegen konstatiert. Gründungsmitglied der Grünen mit marxistischer Vergangenheit, aber eben mit einer gehörigen Prise Bodenständigkeit, die eher an Erwin Teufel, einen seiner CDU-Vorgänger, erinnert.
„Fragen sie ruhig, er antwortet ruhig“, heißt es in der Kretschmann-Parodie, die die Popwelle des SWR regelmäßig zum Frühstück sendet. Und so war es auch an diesem Abend beim ersten Cicero-Foyer-Gespräch, das außerhalb der Hauptstadt ausgetragen wurde. Winfried Kretschmann strahlt die ihm eigene Gelassenheit auf dem Podium im „Zentrum für Kunst und Medien“ in Karlsruhe aus.
Vom Südwesten aus schaut er an diesem Abend mit Distanz auf das Getöse in der Großen Koalition, wirbt dafür, den Grünen Zeit zu lassen, sich in ihrer Rolle als kleine Oppositionspartei zurechtzufinden. Eingreifen wolle er aber nicht, sagt er. Er habe sich bewusst für die Landes- und nicht für die Bundespolitik entschieden.
Duz-Freundschaft mit Horst Seehofer
„Man muss wissen, wo man hingehört“. Dafür gibt es Applaus vom heimischen Publikum. Er entfaltet seinen Einfluss lieber aus der Entfernung. Es ist ja bekannt, dass er gerne Vorreiter einer grün-schwarzen Regierung gewesen wäre. So lobt er jetzt die Koalition in Hessen als eine „Achse ins andere Lager“ und lässt Schwennickes Einleitung, er sei der „Lieblingsgrüne“ der Kanzlerin, mit nur mattem Widerstand passieren. Wenn ihre Länder gemeinsame Interessen teilen, wie bei der Energiewende, schreckt der Oberrealo Kretschmann selbst vor einem Zweckbündnis mit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer nicht zurück, den Cicero-Redakteur Georg Löwisch einen „Windkraftpopulisten“ nennt. Ja, er duze sich mit dem Horst, bekennt Kretschmann. Und so lange sie Dinge gemeinsam auf den Weg brächten, sei der auch ganz vernünftig.
Doch Winfried Kretschmann kann auch leidenschaftlich. Die aus dem Ruder gelaufene Diskussion um sexuelle Vielfalt im Unterricht an baden-württembergischen Schulen beschäftige ihn im Moment sehr, sagt der ehemalige Studienrat. Vor allem auch der Vorwurf des Oppositionsführers im Landtag, die grün-rote Regierung betreibe „Gesinnungsterror“, wenn sie verlange, Kindern auch andere sexuelle Orientierung als heterosexuelle Lebensformen nahezubringen, nimmt er übel. „Unzivilisierter Streit“, sei das. Nach Kretschmanns Maßstäben schon fast ein vernichtendes Urteil.
Der schrille Ton der Opposition in Stuttgart zeigt, dass der Ministerpräsident zur Mitte seiner Amtszeit wohl gelassen auf die Wahl blicken kann. Zwar gibt es im Land derzeit viel Unruhe wegen der Schulreform, und er muss nach einer Volksabstimmung nun gegen seine Überzeugung den höchst umstrittenen unterirdischen Hauptbahnbahnhof in Stuttgart zu Ende bringen. Aber Kretschmann hat keinen ernsthaften Herausforderer. Bei der CDU laufen sich gleich drei Gegenkandidaten warm, aber die Partei kann den Mappus-Malus noch immer nicht abschütteln.
Mag sein, dass die Landes-Grünen weit hinter Kretschmanns Beliebtheitswerten zurückbleiben. Aber irgendwie verbreitet Kretschmann schon nach zwei Jahren das Gefühl, als wäre er schon immer im Amt gewesen. Auch das verbindet ihn mit der Kanzlerin.
Das nächste Foyer-Gespräch findet am 2. März in Berlin statt. Alexander Marguier, stellvertretender Chefredakteur des Cicero, und Cicero-Kolumnist Frank A. Meyer diskutieren mit Thilo Sarrazin über die Grenzen der Meinungsfreiheit. Mehr Informationen finden Sie HIER.
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