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Heiko Maas - Kein Held des Datenschutzes

Justizminister Heiko Maas versuchte, sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Datenschützer zu inszenieren. Das Vorhaben ist gescheitert. Die schwarz-rote Vorratsdatenspeicherung kommt. Ein Kommentar

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Manchmal ist es für Fachpolitiker oder Newcomer ein sagenhaftes Glück, wenn sie auf einer Empörungswelle mitreiten und so zum Helden werden können. Seit den Snowden-Enthüllungen ist das weder in dieser noch in der letzten Legislaturperiode sehr vielen Politikern gelungen. Zu den wenigen gehört etwa der Grüne Hans-Christian Ströbele, mit seinem Spontanbesuch bei dem Whistleblower in Moskau. Vielleicht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die sich als Justizministerin vier Jahre lang gegen die Vorratsdatenspeicherung sperrte. Auch im Europäischen Parlament gibt es zwei mutige Kämpfer an der Datenschutz-Front: Jan Philipp Albrecht (Grüne) und Alexander Graf Lambsdorff (FDP).

Das großkoalitionäre Angebot ist in dieser Hinsicht eher fragwürdig: Niemand weiß etwa, was Andrea Voßhoff – eine Befürworterin der Vorratsdatenspeicherung – zur Bundesdatenschutzbeauftragten qualifiziert. Man ahnt nur: Indem die Große Koalition eine Gleichgesinnte auf diesen Posten hob, hat sie frühzeitig sichergestellt, dass es von dieser Seite bei der geplanten Einführung der Richtlinie keine Widerworte gibt.

Den wichtigsten Posten aber hat Heiko Maas, der neue Justizminister. Es hätte in der SPD viele geeignete Kandidaten für dieses Amt gegeben: Thomas Oppermann – der bisherige Oppositionsführer und jetzige Fraktionschef inszenierte sich im Sommer als schlitzohriger Kritiker in der NSA-Affäre. Oder Brigitte Zypries, die das Ministerium schon einmal geleitet hatte. Warum also Maas, fragten sich viele Beobachter, dieser Blasse, Unbekannte aus dem Saarland?

Da war es für den Neuling verführerisch, gleich zu Jahresbeginn einen Paukenschlag zu inszenieren. Zum Beispiel, indem er sich mit der verschreckten Netzgemeinde versöhnt: Maas, der Robin Hood des Internets? Der Rächer der Beschnüffelten? Das hat doch was. 

Tatsächlich gelang dem Sozialdemokraten der Coup beim Thema Vorratsdatenspeicherung: In einem Spiegel-Interview kündigte er an, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben vorerst auf Eis zu legen. „Ich lege keinen Gesetzesentwurf vor, bevor der Europäische Gerichtshof endgültig geurteilt hat, ob die Richtlinie die Rechte der EU-Bürger verletzt oder nicht“, sagte er. Sollten die Richter die Vorlage verwerfen, müsse man über die Vorratsdatenspeicherung „ganz neu reden“. Maas‘ Plan ging zunächst auf: Er war in allen Schlagzeilen. Der sozialdemokratische Datenschutz hatte plötzlich ein Gesicht.

Dass es Widerstand von der Union geben würde, hat er einkalkuliert. Den Ärger von den eigenen Genossen aus den Ländern aber hat er wohl unterschätzt. Etwa von Baden-Württembergs SPD-Innenminister Reinhold Gall. Oder von Hessens Oppositionsführer Thorsten Schäfer-Gümbel, der im Gespräch mit Cicero Online sagte, seine SPD setze sich für eine grundgesetzkonforme Vorratsdatenspeicherung ein.

Vor allem aber hat Maas unterschätzt, wie sein Vorstoß von der Presse eingeordnet würde: Er war nicht etwa der Datenschützer, nicht der Bürgerrechtler. Sondern er stand in den Medien als derjenige da, der Streit in der Koalition entfacht hatte. Spiegel Online selbst titelte: „Maas sorgt für Zoff bei Schwarz-Rot“. Der Tenor war gesetzt, die Medienmeute folgte dieser Interpretation. Eine zeternde Regierung – das war das letzte, was die Beteiligten jetzt wollten. Die Erinnerungen an den verpatzten Start von Schwarz-Gelb, an den Dauerkrach und die Sticheleien sind noch nicht verblasst. Der Wähler lastete all das damals dem kleinen Koalitionspartner FDP an. Für die SPD ist das eine stete Mahnung: Also war Maas plötzlich der Böse, auch und vor allem in den eigenen Reihen.

Und so brauchte es nur eine Woche, bis seine Initiative in sich zusammenfiel. Am Sonntag triumphierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im ZDF: „Wir haben eine Einigung im Verfahren erzielt.“

Am Montag dann demonstrative Einigkeit: Die Sprecher des Justiz- und Innenministeriums saßen Seite an Seite in der Bundespressekonferenz. Die Vorratsdatenspeicherung, verkündeten sie, werde auf der Kabinettsklausur am kommenden Mittwoch auf Schloss Meseberg behandelt. Außerdem neu: Die beiden Minister würden zukünftig gemeinsam jedes absehbare Problemfeld in einer Vierer-Runde mit ihren Staatssekretären besprechen. Ein kreatives Wort hatten sie dafür auch: „Kleeblatt-Gespräch“. Das erinnert so an Glück, Harmonie. Hauptsache, vor Meseberg haben sich wieder alle lieb.

Ob Maas‘ Versprechen, die Vorratsdatenspeicherung auszusetzen, damit hinfällig sei, wollte der Justiz-Sprecher indes nicht bestätigen. Ein Journalist hakte beim Innenministeriumssprecher nach – die putzige Antwort soll hiermit einmal aus dem offiziellen Regierungssteno zitiert werden:

Journalistenfrage: Das hört sich für mich nicht ganz deckungsgleich an: Wir reden darüber in Meseberg oder bis Ostern passiert gar nichts, weil wir das Urteil abwarten.

Antwort des Ministeriumssprechers: Ich glaube, wenn man Einigkeit darüber erzielt hat, dass man sich im Verfahren einig ist (…), dann sind das entscheidende Verfahrensschritte. (…) Wenn man einig ist, wie man im Verfahren weiter vorangeht, dann öffnet das den Weg, (…) dann dort auch zu einem Ergebnis zu kommen. Aber erst einmal ist man sich über das Verfahren einig. Dieser Weg eröffnet dann eine Diskussion in der Sache. Das ist genau das, was mein Kollege gesagt hat. Ich sehe keinen Unterschied.

Nicht selten laufen Regierungsbefragungen so ab.

Am Donnerstag meldete die Mitteldeutsche Zeitung dann unter Berufung auf „SPD-Kreise“, Maas wolle direkt nach Meseberg – also noch in der kommenden Woche – mit der Arbeit an einem Gesetzentwurf beginnen.

Das Justizministerium bestätigte den Bericht auf Cicero-Online-Anfrage indes nicht. Die Sprecherin verwies auf die „SPD-Kreise“. Sie ließ auch offen, ob man im Haus schon an einer Vorlage arbeite. „Vor der Kabinettsklausur werden wir gar nichts sagen.“

Die SPD ihrerseits verwies zurück ans Justizministerium und erinnerte an den Beschluss des Bundesparteitags 2011. Dort einigten sich die Genossen auf eine Speicherfrist von drei bis sechs Monaten.

Dass de Maizière die Vorratsdatenspeicherung noch vor dem Luxemburger Gerichtsurteil im Frühjahr durchdrückt, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn dann wäre er ja der Buhmann. Auch Merkel wird vermutlich dafür Sorge tragen, dass ihrem Kronprinzen nichts passiert. Die Finger soll sich also lieber Maas schmutzig machen. Beide Minister wissen ohnehin: Der Europäische Gerichtshof wird die Richtlinie aller Voraussicht nach sowieso – mit einigen Änderungen – durchwinken. So kritisch das Gutachten des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón ausfallen ist, lehnt es die Vorratsdatenspeicherung nicht grundsätzlich ab. Sie wird daher wohl kommen. Trotz NSA-Affäre, trotz schon jetzt flächendeckender Überwachung durch die NSA.

Für Maas hat dieses Vorgehen einen tollen Vorteil: Er gilt nicht mehr als der Streithahn in der Regierung. Er kann sein öffentlich gegebenes Versprechen aufrechterhalten – und sich trotzdem an den Koalitionsvertrag halten.

Einen Nachteil wird Maas allerdings in Kauf nehmen müssen: Dass er damit kein Held des Datenschutzes mehr wird.

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