- Satire oder Sadismus?
Die Wiederauflage der Großen Koalition zeigt, dass man aus Schaden auch dümmer werden kann. Unser Autor Malte Lehming arbeitet sich an den bereits verpatzten Themen des Kabinetts Angela Merkel III ab
Masochisten sehnen sich nach Unterordnung und Demütigung. Man kann sie auch als passive Sadisten bezeichnen: Sie fügen andern mit Lust Leid zu, leiden aber auch selbst gerne. In der deutschen Geschichte ist diese Doppelung als Zustand des Kollektivs wiederholt aufgetreten. Man hat die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu den Füßen, soll Winston Churchill einmal gesagt haben. Und einen Restbestand dieser sadomasochistischen Neigung findet sich im Verhältnis der Deutschen zur Großen Koalition. Kein Zufall jedenfalls, dass die etwas xenophobe Armutszuwanderungsdebatte gleichzeitig mit dem Abnicken der drastischen Neuverschuldungspläne geführt wird. Aggressivität hier, Passivität dort.
Die Wiederauflage der Großen Koalition zeigt jedenfalls, dass man aus Schaden auch dümmer werden kann. Vor acht Jahren wurde mal eben die Mehrwertsteuer um satte drei Prozentpunkte erhöht. Heute wiederum wird eine Rentenreform auf den Weg gebracht, die bis 2030 mal eben 160 Milliarden Euro kostet. Dazu muss man wissen, dass Deutschland schon jetzt rund zwei Billionen Euro Schulden hat, die Zinszahlungen dafür sind mit rund 40 Milliarden Euro der zweitgrößte Etat im Haushalt. Trotz eines Rekords bei den Steuereinnahmen pumpen sich Angela Merkel und Sigmar Gabriel fröhlich neues Geld. Die schwäbische Hausfrau hat den Reiz des Prassens entdeckt. Nach ihr die Sintflut.
Zur Begründung hat Merkel in ihrer Regierungserklärung einen schönen Satz gesagt. „Niemand, der ein Herz hat“, sagte sie, könne gegen die neuen Rentenzahlungen sein. Nun ist das mit dem Herzen so eine Sache. Man verschenkt lieber sein ganzes Herz als sein ganzes Geld, wie kommt das? Nun, man verschenkt sein Herz, hat es aber noch, das Geld aber ist weg. Wer allein mit dem Herzen argumentiert und nicht an die Wiedergeburt vom Sterntaler glaubt, landet über kurz oder lang in Griechenland. „Niemand, der ein Herz hat“, kann gegen eine Bafög-Erhöhung sein, gegen eine Hartz-IV-Erhöhung, gegen neue Krankenhäuser, mehr Geld für die Bildung, bessere Pflege. Herz kostet.
Frieden schaffen mit deutschen Waffen
Das merkt der Verbraucher auch beim zweiten Projekt der GroKo, der Energiewende. Schon jetzt zahlt der durchschnittliche Privathaushalt für den Ausbau der erneuerbaren Energien 260 Euro extra im Jahr, Tendenz weiter steigend. Und weil Kohle billiger ist als Gas, werden laufend neue Kohlekraftwerke in Betrieb genommen. Der Ausstoß von Kohlendioxid nähert sich DDR-Werten an. Der Economist bilanziert das Experiment mit den Worten „sunny, windy, costly and dirty“. Merkel umschreibt das mit den Worten, das Ausland sehe mit „Neugier und Skepsis“ zu. Dabei verschweigt sie freilich die Prozentzahlen: 95 Prozent Skepsis, fünf Prozent Neugier.
Nur gut, dass wir die Bundeswehr aufgrund ihrer in Afghanistan so glorreich bestandenen Feuertaufe demnächst nach Afrika schicken werden. Ursula von der Leyen und Frank-Walter Steinmeier wollen die „Kultur der Zurückhaltung“ aufgeben. Stattdessen: Frieden schaffen mit deutschen Waffen – in Zentralafrika. Den Segen von Joachim Gauck werden sie dazu auf der Münchner Sicherheitskonferenz bekommen. Deutschland wechselt gewissermaßen den Leithammel: Goodbye Obama, bonjour Hollande! Nie wieder Stimmenthaltung im UN-Sicherheitsrat wie bei Libyen! (Hm, waren es nicht Waffen aus Libyen, die gen Süden geschmuggelt wurden und afrikanische Al-Qaida-Rebellen aufrüsteten? Ach, egal.)
So wird sie weitermachen, die GroKo, vier lange Jahre. Bislang gab’s erst einen Vorgeschmack. Beim Hauptmenü werden wieder Milliardenbeträge in die nächste Euro-Rettung gesteckt. Und am Ende will’s keiner gewesen sein. Wie dichtete einst die „Distel“? „Denn was uns nicht passt, das vergessen wir auch, und was wir vergessen, das war nicht. Denn das ist in Deutschland ein alter Brauch, und Bräuche vergessen wir gar nicht.“ Viel Spaß noch!
Hinweis: In einer früheren Version hieß es, Deutschland habe rund eine Billion Euro Schulden. Laut Bund der Steuerzahler liegt die aktuelle Staatsverschuldung tatsächlich aber bei mehr als zwei Billionen Euro. Außerdem wurde die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte erhöht, nicht um drei Prozent. Die Sachverhalte wurden korrigiert.
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