GDL-Chef Claus Weselsky / dpa

Passiv-aggressive Gesellschaft - Das Weselsky-Prinzip

Auseinandersetzungen, ideologische Debatten und Streiks gab es schon immer. Aber die derzeitige Kommunikationsverweigerung ist besorgniserregend. Wir sind zu einer passiv-aggressiven Gesellschaft mutiert.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Manchmal verdichten sich Banalitäten zu Symptomen. Auch in der Geschichte eines Landes. Dann wird irgendeine Nebensächlichkeit zum Seismographen des Zustandes einer Gesellschaft. Das kann ein Sportereignis sein, eine Kulturveranstaltung oder ein politisches Geschehen

Eine solche symbolische Begebenheit, die sehr viel aussagt über die Stimmung in Deutschland im Jahre 2024, ist der Streik der GDL. Eigentlich ist dieser Arbeitskampf trivial. Eine unwichtige kleine Gewerkschaft, angeführt von einem noch unwichtigeren Funktionär, versucht, ihre Schäflein zu nähren. Teils aus berechtigten Gründen. Teils aus durchsichtigen Motiven.

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Hans Jürgen Wienroth | Sa., 27. Januar 2024 - 11:28

Was mir in Ihren Ausführungen fehlt, Herr Dr. Grau, ist der Einfluss der Medien auf das Handeln der Personen. Selbst der frühere Vermittler Ramelow (not my favorite) hat das Angebot der Bahn als nicht verhandelbar gesehen. Was ist der Öffentlichkeit bekannt: Ein Angebot der Bahn von 13 % in Portionen. Das ist doch mehr als die Bürgergelderhöhung in diesem Jahr. Nur gilt das Angebot für 2,5 Jahre! Was haben andere Gewerkschaften (z. B. EVG), eng mit SPD und Grünen verbunden, für ihre Mitglieder erreicht? Weniger als den Inflationsausgleich, wenn ich mich richtig erinnere. Man nimmt an, dass diese im nächsten Jahr niedriger wird, weshalb der Staat gleich kräftig an der Preisschraube (CO2-Preis) drehte.

Sollen sich die Partner tagelang zusammen setzen, um miteinander zu sprechen, ohne sich näher zu kommen? Sollen die Lokführer mit ihrer Verantwortung für Menschenleben (weil alte Sicherheitstechnik nicht ersetzt wurde) nachgeben, mehr arbeiten, weil das für andere zu unattraktiv wurde?

Maria Arenz | Sa., 27. Januar 2024 - 11:37

Habe wegen der beschriebenen Zustände das Bahnfahren seit 2 Jahren eh aufgegeben. Das große Psycho-Besteck scheint mir aber etwas weit hergeholt . Im Grunde hat der Mann einfach eine Meise. Bei auch bei der DB hinten und vorne fehlenden Fachkräften eine so drastische Arbeitszeitverkürzung- bei vollem Lohnausgleich trotz leerer Kassen!-zu verlangen, läßt keine andere Interpretation zu. Vielleicht tut sich jetzt was mit dem Streikrecht (verpflichten- de Schlichtung vor Streik bei für die Infrastruktur kritischen Unternehmen, AUS für Minige-werkschaften als Bühne für soche Typen), vielleicht beschleunigt man den Ersatz der Lokführer durch Technik. Auf jeden Fall beißen sich die Herren von der GDL auf mittlere Sicht in's eigene Hinterteil. Noch ne Idee. Weselsky einen Job als Frühstücksdirektor anbieten. Hat schonmal funktioniert bei einem anderen Gewerkschafter. Das schönste Eckbüro dazu, großer Audi als Dienstwagen und dann um ihn rumarbeiten lassen.

Uli | Sa., 27. Januar 2024 - 11:41

Daran gibt es absolut nichts auszusetzen. Arbeit gegen Geld ist ein Handel, der auf Angebot und Nachfrage basiert. Die Nachfrage nach Lokführern ist groß und das seit vielen Jahren. Das sollte die Führung mal langsam kapieren. Aber stattdessen setzt sie lieber auf die Neid Debatte für das der Deutsche ja so empfänglich ist. Jeder kann gerne bei der Bahn anfangen und sich dann im 24h Schichtdienst mit besoffenen Schlägern, Türblockierern und jeder Menge Idioten herumschlagen, die nicht kapieren, dass der Lokführer nichts für die Verspätung kann. Dafür gibt's dann 2300€ netto. Ich habe das ein paar Jahre gemacht. S Bahn Frankfurt. Das Schlimmste, was einem als Lokführer passieren kann. Wer darauf neidig ist, dem ist nicht zu helfen. Seid froh, dass es überhaupt noch Leute gibt, die diesen Job machen!

Ernst-Günther Konrad | Sa., 27. Januar 2024 - 12:24

Das haben wir doch inzwischen bei vielen Lebenssachverhalten. Minderheiten schwingen sich mit ihrem, sicher berechtigten, aber eben nur eine Minderheit betreffenden Problem auf, es aussehen zu lassen, als ginge die Welt unter, die Bahn hört auf zu funktionieren, wenn nicht.......Ich habe mir inzwischen nochmal in Ruhe den Vorschlag der Arbeitsgeber angeschaut und den Forderungen der GDL gegenüber gestellt. Ich persönlich muss auch sagen, dass wäre doch eigentlich verhandelbar mit geräuschlosen kleineren Änderungen machbar gewesen. Im Nachhinein verstehe ich auch nicht mehr so richtig, warum da nicht verhandelt wurde, sondern die harte Gangart gewählt wird. Ich kenne Weselsky nicht, allenfalls von ein paar Interviews. Sicher ein harter Hund. Ob ihre psychologisches Bild zutrifft lasse ich dahin gestellt. Nur eines trifft auch hier, wie bei allen Problemen inzwischen zu. Es findet fast keine inhaltliche Diskussion mehr statt, aber der persönlich Angriff hat Konjunktur.

Peter William | Sa., 27. Januar 2024 - 12:42

nutze die Bahn aber gern und beschätige mich wann immer möglich, sehr gern mit diesem Thema. Für die ganzen Fehlentscheidungen des Managments der Bahn muss immer und immer wieder die einfache Belegschaft büssen, vielleicht wird ja ein Manage gefeuert, dann aber mit Millionan an Abfindung. Ich kann Weselsky vestehen und letztendlich setzt er nur die Beschlüsse der Gewerkschaft um, auf die er aber natürlich zuvor Einfluss nimmt. Ich denke sie haben das Thema noch nicht ausreichend für sich beleuchtet um eine psychologische Analyse vornehmen zu können werter Herr Grau.

Christa Wallau | Sa., 27. Januar 2024 - 12:53

treffen Sie ins Schwarze, lieber Herr Grau.
Diese grassiert im heutigen D wie eine epidemisch gewordene Krankheit, die nicht mehr ausheilt. Kein Wunder, daß infolgedessen der Egoismus übelste Blüten treibt.

Wer sich überhaupt nicht mehr sachlich mit den Argumenten des Gegners beschäftigen bzw. dessen Interessen auch anerkennen will, der verläßt die Ebene jeder vernünftigen Einigung u. Verständigung.

Herr Weselsky handelt in seiner Sturheit nicht anders als die herrschenden Parteien im Gleichschritt mit den Medien:
Sie spielen auch ihre MACHT gegenüber ihren Gegnern, v. a. der AfD, g n a d e n l o s aus,
und zwar ohne Rücksicht auf die vielen Kollateralschäden, von denen Millionen Bürger betroffen sind.

In dieser Situation haben in Deutschland die Abhängigen u. Ohnmächtigen g a r keine Chance, ihre Ansprüche durchzusetzen o. auch nur ihre Rechte zu wahren. Sie werden daher zunehmend aggressiv u. aufmüpfig.
Am Ende stehen dann zwangsläufig Straßenkämpfe und schwere Unruhen.

Norbert Heyer | Sa., 27. Januar 2024 - 13:17

Herr Weselsky ist ein Streithansel. Nicht eine einzige Tarifverhandlung der GDL wurde unbestreikt beigelegt. Er hat ein weit verbreitetes Problem: Sich zusammensetzen, die Probleme bereden, Lösungen finden und sich einigen. Aber das ist nicht seine Linie, er will den Streik, er will die Verärgerung der Bahnkunden, er liebt die Gefechte mit der Geschäftsleitung. Er presst sie gerne aus wie eine Pampelmuse, man wirft sich gegenseitig vor, die daran schuldige Seite zu sein. Was bei der Bahn passiert, ist bald überall Standard: Es wird keine Einigung erzielt, also befeuert man über die Medien die Gegenseite. Der Kampf gegen Rechts ist eigentlich eine Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition und Kanzler, Baerbock u.a. marschieren mit, zum Schaden unseres Landes. Ich glaube, dass die Ausgrenzung anderer Meinungen und Vorstellungen der Todesstoß unserer Demokratie sein kann. Betonköpfe verstehen das nicht, sie lieben Aussortierung, das gibt ihnen Macht zur Zerstörung einer Kultur.

Karl-Heinz Weiß | Sa., 27. Januar 2024 - 13:40

Der für Schichtarbeiter bahn-brechende GDL-Chef, der raffgierige Bahnvorstand und der ratlose Eigentümer des ganzen Gebildes: perfekte Verkörperung des derzeitigen Zustands der Republik.

Stefan Jarzombek | Sa., 27. Januar 2024 - 13:55

"Die Deutsche Bahn AG ist ein bundeseigener Mobilitäts- und Transportkonzern mit dem Kerngeschäft Eisenbahn. Das Unternehmen ist als Aktiengesellschaft organisiert und befindet sich vollständig im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr.'
Die Bahn sollte wie früher komplett verstaatlicht werden und angesichts der Transformation zum Kernstück deutscher Infrastruktur. Wenn man es schaffen will Umweltschutz und Mobilität in Einklang zu bringen gehört dazu Struktur und das schaffen von Anreizen die Bahn auch zu nutzen. In 90% der eigenen Bahnfahrten war ich unzufrieden. Nichts hat geklappt und wurde teilweise zum Stressfaktor.
Mehr Geld für die Streikenden? Wenn sie dann eine sehr gute Leistung bringen zum Beispiel, Pünktlichkeit oder guten Service, dann ja.
Ich persönlich glaube jedoch nicht daran, dass sich personaltechnisch oder im Bezug auf Pünktlichkeit viel ändern wird, selbst wenn die Bahn das geforderte Geld bezahlt.

Bernhard Homa | Sa., 27. Januar 2024 - 16:47

basierend auf infantiler Küchenpsychologie und ad-hominem-Attacken, womit Herr Grau selbst die Verhaltensweisen zeigt, die er anderen vorwirft. Dabei sind Weselsky/GDL nur das fast zwangsläufige Ergebnis einer jahrzehntelange verfehlten Politik, Stichworte: Bahnreform, Börsenwahn, Investitionsrückstau, DB-Organisationschaos, Tarifeinheitsgesetz (Folge: EVG und GDL überbieten sich in den Forderungen) usw. Sowohl im DB-Managmenent als auch im Aufsichtsrat sitzen kaum "echte Eisenbahner", Ergebnis bekannt – kein Wunder, dass die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen sich dem Nullpunkt nähert.

Übrigens: Die Forderung der GDL bzgl. Arbeitszeitreduktion ist keineswegs nur "egoistisch", sondern soll auch den Beruf attraktiver machen. Herr Grau kann sich ja mal um eine Hospitanz im Lokführer-Schichtbetrieb bewerben – vielleicht kuriert das seine Vorurteile.

Gerhard Lenz | Sa., 27. Januar 2024 - 17:41

an Bahn-Manager nur wegen Übererfüllung der Frauenquote?

War das mal wieder ein Stimmungsaufheller für die geschätzten, AfD-affinen Foristen? Oder der Versuch einer Zuspitzung, für eine Tatsache, die da lautet, sonst hätten die Manager nichts geleistet?

Wenn Letzteres zutrifft, ist das misslungen.

Wobei kaum einer bestreiten würde, dass das genannte Management miserabel und die Bonus-Zahlungen überall auf Unverständnis treffen.

Aber das kann man auch anders, ohne populistische Polemik ausdrücken.