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Flüchtlingsdebatte - Wir warten auf die Rede an die Nation

Trotz Merkels Optimismus in der Flüchtlingskrise zeigen sich bei den Deutschen erste Ermüdungszeichen. Viele Helfer fühlen sich überfordert. Die Bundeskanzlerin sollte sich ihrer in einer großen Rede annehmen, findet die Berliner Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele

Portraet Andrea Roemmele

Autoreninfo

Andrea Römmele ist Politikwissenschaftlerin und Professorin an der Hertie School of Governance in Berlin.

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Angela Merkel muss jetzt liefern. Auf ihre Worte zum Flüchtlingsthema müssen Taten folgen – grundlegendere und auch symbolträchtigere als ein neues Gesetzespaket zum Asylverfahren.

Auf den Webseiten der Kanzlerin und der Bundesregierung steht es ganz vorne: „Wir schaffen das, wir helfen Menschen in Not.“ Bei Anne Will bestätigte Merkel: „Deutschland ist ein Land, das die Flüchtlinge freundlich empfängt.“ Beim Bürgerdialog in Nürnberg warnte sie: „Hass wird uns nicht voranbringen.“

Warum reicht das nicht? Weil sich trotz Merkels Optimismus nicht das Gefühl einstellt, dass die Herausforderung zu bewältigen ist. Zu präsent ist die Pegida-Bewegung, zu hetzerisch sind all die Kommentare im Internet, und zu viel Chaos überfordert überall Haupt- und Ehrenamtliche. Ein notwendiger Schritt wäre jetzt ein Appell an alle Menschen in diesem Land, ein Aufruf zu Solidarität und eine ernstgemeinte Einladung, die Integration aller Geflüchteten aktiv, demokratisch und gerecht mitzugestalten. Es ist Zeit für eine Ansprache zur Lage der Nation.

Neben dem unmittelbaren Ernst der Lage hat die Kanzlerin auch ein strategisches Interesse an einer solchen Rede. Ihre Umfragewerte sinken – nicht so dramatisch wie oft behauptet, aber merklich. Laut Politbarometer würde, wären jetzt Wahlen, die Union noch immer 39 Prozent erreichen. Zum Vergleich: in der Bundestagswahl 2013 erreichte sie 41,5 Prozent, und noch im Juli dieses Jahres lagen die Umfragewerte bei 43 Prozent.

Deutschland braucht Antworten bei der Flüchtlingsfrage


Merkel sollte um ihrer Beliebtheit willen aktiv um Unterstützung in der Bevölkerung für ihren Kurs werben – aber vor allem, um „Wutbürgerinnen“ und -bürger abzufangen und vielleicht ein paar von ihnen wieder aus dem verfassungsfeindlichen Raum heraus zu lotsen. Auch die, die loyal hinter der Kanzlerin stehen, verdienen angemessene Informationen, ein Diskussionsforum und eine positive Vision. Nur so kann der Rückhalt auch anhalten, sind Merkels Unterstützer doch in einer schwierigen Position: Einerseits fehlt es ihnen an essenzieller Infrastruktur, aber sich kritisch über Merkels „Wir schaffen das“ zu äußern, klingt leicht nach „Das Boot ist voll“ und spielt unfreiwillig denen mit rechter Gesinnung in die Hände.

Kurzum: Ganz Deutschland braucht jetzt Antworten, oder wenigstens einen gesamtgesellschaftlichen Anlauf, welche zu finden.

Abgesehen von Merkels persönlicher Lage und der innenpolitischen Spaltung der Bevölkerung rechtfertigt die momentane Einwanderung allein durch ihr Ausmaß eine Ansprache an die Bevölkerung. Nicht ohne Grund ist oft die Rede von der größten Herausforderung seit der deutschen Wiedervereinigung – eine Aufgabe, die Mut und kollektive Entschlossenheit braucht. Ein rituelles Beisammensein der Nation könnte uns beides geben.

Franklin D. Roosevelts „Four Freedoms“-Rede half einst beim Zusammenschluss gegen Hitler, Martin Luther King Jr.s „I Have a Dream“ inspirierte weit mehr als die amerikanische Bürgerrechtsbewegung – und im Ernst: Warten wir jetzt nicht alle auf ein „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger“?

Lesen Sie dazu auch die Kolumne von Alexander Kissler: Frau Merkel, es ist Zeit für eine Rede an die Nation!

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