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Deutsche Bahn - Wem schadet die Misere in Mainz?

Ein paar fehlende Mitarbeiter in Mainz haben die DB-Führung blamiert. Auch im Wahlkampf wird die Misere Thema. Für wen es ungemütlich wird

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Brönstrup, Carsten

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Bahn-Managern dürfte es nicht immer leichtfallen, ihren Job zu mögen. Regelmäßig müssen sie sich voller Demut öffentlich entschuldigen – wenn mal wieder S-Bahnen und Klimaanlagen ausfallen oder ruppige Schaffner Fahrgäste aus dem Zug werfen. Am Mittwoch traf es Ulrich Weber, den Personalvorstand des Unternehmens. Ein „Debakel, das nicht hätte passieren dürfen und auch nicht mehr passieren darf“, nannte er am Mittwoch den massenhaften Ausfall von Zügen am Mainzer Hauptbahnhof als Folge von Personalengpässen im Stellwerk. Falsch sei aber, dass es keine Personalplanung bei der Bahn gebe.

 

Wie geht es bei der Bahn weiter?

Doch genau den Vorwurf der falschen Planung machen die Gewerkschaften dem bundeseigenen Unternehmen derzeit.

Sie nutzten ein Treffen mit den Personalchefs der Konzernsparten, um ihrem Unmut über den Personalmangel vor allem in den Stellwerken Luft zu machen. „Mainz ist die Spitze des Eisbergs“, sagte Alexander Kirchner, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. Konzernweit seien acht Millionen Überstunden und neun Millionen Stunden ausstehender Urlaub aufgelaufen. „Unsere Forderung ist eine Personalplanung, die sicherstellt, dass die Kollegen ihren Urlaub bekommen und freie Tage tatsächlich frei sind.“ Bei dieser Planung wollen Kirchner und seine Leute stärker mitreden. Genaue Zahlen, wie viele Fachkräfte der Bahn fehlen, nannte er allerdings nicht.

Bei dem Treffen einigten sich die Bahn und die Gewerkschaft EVG darauf, dass der komplette Personaleinsatz des Konzerns überprüft werden soll. Der Vereinbarung zufolge sollen die gerade laufenden Personalplanungen für das kommende Jahr in sämtlichen rund 400 Konzernbetrieben gemeinsam mit den Beschäftigten zu überprüft werden. Die bis Mitte Oktober zu erarbeitenden Ergebnisse sollen am 4. November in gleicher Runde erneut diskutiert werden. Die Eisenbahngewerkschaft rechnet nach den Worten von Kirchner mit zusätzlichen Einstellungen. Bereits am Dienstag hatte es ein Krisentreffen zwischen Bahn-Managern und rheinland-pfälzischen Landespolitikern gegeben. Dabei hatte die Bahn zugesagt, ab kommendem Wochenende wieder mehr Züge in Mainz einzusetzen und ab dem Monatsende wieder den regulären Fahrplan zu erfüllen.

EVG-Chef Kirchner griff am Mittwoch außerdem Bahn-Chef Rüdiger Grube an. Der hatte Mitarbeiter aus dem Stellwerk Mainz persönlich per Telefon um eine Verschiebung ihres Urlaubs gebeten. Dies sei ein „Ding der Unmöglichkeit“ kritisierte Kirchner.

Was treibt die Gewerkschaften an?

Für Kirchner und seinen Konkurrenten Claus Weselsky, Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL, ist der Konflikt in Mainz eine Chance zur Profilierung. EVG und GDL konkurrieren um Mitglieder – zwar nicht aktuell, aber ab 2014 wieder. So lange hat sich die GDL verpflichtet, sich allein um die Belange von Lokführern und Zugbegleitern kümmern zu wollen. Endet dieser Burgfrieden aus dem Tarifkonflikt 2008, werden die Karten neu gemischt – der Gewerkschaft, die sich am rührendsten kümmert, winken am ehesten Mitgliederzuwächse.

Lange Zeit war es ruhig um Bahn-Chef Rüdiger Grube und seinen Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer, sie waren im Urlaub. Doch die Affäre Mainz schadet dem Image der Bahn erneut stark, zudem geht es um ein bundesweites Problem. Grube und Kefer wissen, dass sie nicht mehr alles der Sparpolitik von Ex-Chef Hartmut Mehdorn zuschreiben können. Schließlich steht Grube seit Mai 2009 an der Spitze. Auch deshalb haben schon drei Spitzenleute aus der Netz-Sparte ihren Job verloren. Gegenwind aus dem Aufsichtsrat des Konzerns, in dem die Bundesregierung den Ton angibt, droht aber vorerst nicht. Zwar soll das Thema Mainz bei der nächsten Sitzung des Gremiums umfangreich diskutiert werden, wie am Mittwoch mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats sagten. Aber Versäumnisse sehe man bei den Herren nicht. Kein Wunder: Noch mehr Turbulenzen bei der Bahn können Union und FDP im Wahlkampf nicht gebrauchen. Grube weiß das, zeigte aber trotzdem Flagge in Mainz: Er besuchte am Mittwoch seine Leute im dortigen Stellwerk und sprach mit ihnen über die aktuelle Lage. Welche Vorstellung hat die Politik von der Bahn in Deutschland? Am Mittwoch schaltete sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in das Thema ein. Die Beeinträchtigungen in Mainz seien ein „sehr ernstes Problem“, sagte sie dem Sender Phoenix. Es gehe nun erst einmal darum, „dass ausgebildetes Personal da ist und dass man daran arbeitet, diese Personaldecke so auszustatten, dass auch in Krankheits- und Urlaubsfällen nicht jedes Mal Tausende von Menschen leiden müssen“. Merkel weiß, dass der Bund mit seiner Bahn im Dilemma steckt. Zum einen ist sie seit der Bahnreform 1994 eine Aktiengesellschaft, arbeitet global und soll Rendite abwerfen. 525 Millionen Euro überwies sie für 2012 dem Finanzminister, 2015 sollen es gar 700 Millionen Euro sein. Zugleich ist die Bahn als letzter bundeseigener Konzern ein Politikum – 190 000 Menschen arbeiten für sie, mehr als sieben Millionen Kunden befördert sie jeden Tag. Politiker fürchten, dass Unmut über Probleme im riesigen Bahn-Reich auf sie zurückfallen könnten. Hat der Skandal das Zeug zum Wahlkampfthema? Einen guten Monat vor der Bundestagswahl ist der Streit darüber entbrannt, wer für die Misere von Mainz verantwortlich ist. „Seit 2010 presst die schwarz-gelbe Bundesregierung eine halbe Milliarde Euro pro Jahr aus der Deutschen Bahn als Dividende heraus und stopft damit Löcher im Bundeshaushalt“, befand SPD-Chef Sigmar Gabriel. Dies gehe „auf Kosten der Beschäftigten und der Zuverlässigkeit“. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sei mit der Bahn aber „ganz offensichtlich überfordert“. Das lässt Ramsauer nicht auf sich sitzen. „Die christlich-liberale Bundesregierung hat die Scherben aufgekehrt“, sagte er. Peer Steinbrück, damals Bundesfinanzminister und heute Kanzlerkandidat, sowie Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hätten früher eine Privatisierung des Konzerns vorangetrieben. Dabei sei Personal „sträflich heruntergefahren“ worden. Unions-Politiker wie Fraktionschef Volker Kauder wittern die Vorbehalte gegen das Thema Privatisierung bereits. „Für mich löst eine Privatisierung (...) kein Problem bei der Bahn“, sagte er der „Leipziger Volkszeitung“. In ihrem Wahlprogramm lehnen CDU und CSU einen Börsengang in der kommenden Wahlperiode ab. So stehen die Liberalen mit ihrer Forderung derzeit ziemlich allein. „Ein freies Unternehmen im Wettbewerb könnte sich so etwas nicht leisten“, hatte ihr Spitzenmann Rainer Brüderle erklärt. Die Bahn AG an die Börse zu bringen, halte er „zum richtigen Zeitpunkt für überlegenswert“.

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