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Debatte um Pegida - Vom rechten Umgang mit den Rechten

Dialog oder Distanz? Wie soll man mit den Pegida-Demonstranten umgehen? Die etablierten Parteien sollten die Auseinandersetzung mit Pegida nicht scheuen, plädiert Dieter Rulff

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Dieter Rulff ist freier Autor in Berlin.

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Spätestens seit am Sonntagabend die Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel von Günther Jauch die Weihe der Talkshow-Tauglichkeit verliehen bekam, hadert die Republik um den rechten Umgang mit den Rechten. Während das CDU-Vorstandsmitglied Jens Spahn noch in der gleichen Runde seine Dialogbereitschaft bekundete, anbot, nach Dresden zu kommen, sah zwei Tage später die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in einem solchen Vorgehen ein „wiederaufkeimendes Verständnis für die Bewegung und ihre Anhänger“, das sie nicht nachvollziehen könne: „Das wäre das falsche Zeichen, dort jetzt hinzugehen und das zu unterstützen.“ Ähnlich hatte sich zuvor bereits der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir eingelassen, der mit der „Mischpoke“ nichts zu tun haben will und sich darin im Einklang mit der Linken-Vorsitzenden Katja Kipping wie der Bundeskanzlerin befindet.

Hasenfüßigkeit der Medien
 

Auch in den Medien dominiert eine abwertende Haltung, die das Erkenntnisinteresse, das eine augenscheinlich gesellschaftlich derart gespaltene Stadt wie Dresden weckt, nicht unbedingt befriedigt. Vor wenigen Tagen hat an dieser Stelle Petra Sorge die wohl von vielen geteilte Befürchtung geäußert, der Dialog mit Pegida sei in seiner jetzigen Form eine „Anbiederung“, die Wasser auf ihre Mühlen leitet: „Gibt man Pegida in Kirchen, Rundfunkanstalten oder staatlichen Einrichtungen jetzt trotzdem das Mikrofon, dann überlässt man ihnen das Wort, die Interpretation, den Triumph.“

Es ist schon eine erstaunliche Hasenfüßigkeit, die aus diesen Worten und Haltungen spricht, gerade so, als fürchte man, dass die halbe Republik ins Trudeln geraten könnte, wenn die – wie sie auch tituliert wurden – „ Rattenfänger“ ihre ausländerfeindlichen Töne flöten. Abgesehen von dem vernichtenden Befund, den man damit der Urteilsfähigkeit der Bevölkerung ausstellt, könnte Pegida diesen Triumph doch nur feiern, wenn ihre Interpretation der Lage unwidersprochen Allgemeingut würde. Unzweifelhaft schürt Pegida auch Ressentiments gegen Muslime und Ausländer, wie Fahimi feststellt. Doch was folgt daraus? Dialogverweigerung? Totschweigen? Ließe sich eine solche Strategie durchhalten, wenn der Populismus noch weiter um sich greift? Wie tief reichen die Stimmungen, die da montags auf die Straße getragen werden, in die Gesellschaft hinein? Dessen ist man sich augenscheinlich nicht sicher, wie die erratischen Reaktionen auf die Pegida-Bewegung, auf die AfD und auf den weit massiveren Aufschwung des Populismus in den Staaten Europas zeigen.

Die SPD-Generalsekretärin wäre gut beraten, sich ein Beispiel an einem ihrer Vorgänger im Amt zu nehmen. Peter Glotz ist zu seinen Zeiten als Bundesgeschäftsführer der SPD und auch danach keiner Auseinandersetzung mit den Rechten aus dem Weg gegangen. Seinerzeit feierten die Republikaner unter Franz Schönhuber und in Österreich Jörg Haiders FPÖ ihre Hochzeit. Die waren nicht nur rechtslastiger als Pegida und AFD heute, sie waren zudem populistische Rhetoren, die Bierzelte und Säle füllen und in Talkshows den Moderatoren den Schneid abkaufen konnten.

Gerade deshalb suchte Glotz die Auseinandersetzung mit ihnen – und scheiterte dabei nicht an ihnen, sondern bisweilen an seiner eigenen Partei: Unter dem 22. Januar 1994 schreibt er in seinem Tagebuch, dass er dem Vorstand seines Wahlkreises für den anstehenden Bundestagswahlkampf moderierte Streitgespräche vorschlägt, unter anderem mit Schönhuber und Haider: „Ein Sturm der Entrüstung bricht los. Keiner bestreitet, daß ich diese Diskussionspartner bekomme. Keiner bestreitet auch, daß jede dieser Kontroversen einen überfüllten Saal brächte. Aber es ist das alte Lied, die verschmockte, besserwisserische Angst der Drahtzieher vor dem blöden Volk. Wir bieten doch dem Schönhuber kein Podium. Statt die Gegner zu widerlegen, will man sie wegdrücken, totschweigen, ausschmieren.“  

Armutszeugnis für die Demokratie
 

Die gleiche Verschmocktheit atmet auch der aktuelle Umgang mit Pegida. Fahimis Diktum, Hingehen bedeute Unterstützung, heißt, wir bieten denen doch kein Podium. In die rechte Ecke wegdrücken ist auch Kippings Anliegen, wenn sie dekretiert, dass wer sich mit diesen Leuten an einen Tisch setze, sich bereits mit dem rechten Mob gemein mache. Mittlerweile dürfte dieses Verdikt auch auf den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislav Tillich und die Dresdner Stadtregierung zutreffen, die sich mit Pegida-Anhängern trafen.

Diese Haltung ist ein Armutszeugnis für ein Demokratieverständnis, das auf die diskursive Kraft des besseren Arguments vertraut. Dabei würde die diffuse Zusammensetzung der Pegida-Bewegung, die – wie Umfragen zeigen – vom rechten Rand bis in die bürgerliche Mitte der Gesellschaft reicht, es angesagt erscheinen lassen, diesen Gegner zu widerlegen und nicht wegzudrücken. Auch Kipping weiß zu berichten, dass „viele, die sich zu Pegida bekennen und in meinem Wahlkreisbüro anrufen, nachvollziehbare Gründe aufzählen, warum es ihnen nicht gut geht.“ Deren Haltung zu Ausländern dürfte weit weniger manifest rechts sein, als die seinerzeitige der Republikaner.

Ein vergleichender Blick in die Presse des Jahres 1993 und 2014 lässt unschwer den Wandel der gesellschaftlichen Haltung hin zu einer größeren Offenheit erkennen. Nur müssen die Repräsentanten dieser Gesellschaft bereit sein, diese Offenheit auch dort zu verteidigen und für sie zu kämpfen, wo es schwierig und schmuddelig ist, wo ihnen mit Ressentiments und kruden Argumenten begegnet wird. „Die wahrhafte Widerlegung“, wusste schon Hegel, „muß in die Kraft des Gegners eingehen und sich in den Umkreis seiner Stärke stellen; ihn außerhalb seiner selbst angreifen und da Recht zu behalten, wo er nicht ist, fördert die Sache nicht.“  In diesem Sinne fehlt der SPD, aber auch den anderen Parteien, bisweilen ein Glotz.

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