- „Obama ist schlimmer als Bush“
Keine Jubelstürme für Barack Obama: Am heutigen Nachmittag haben Datenschützer unter dem Motto „YES WE CAN: Obama die rote Karte zeigen“ zur Demonstration aufgerufen. Im Cicero-Online-Interview erklärt der Organisator, Ricardo Cristof Remmert-Fontes von der Aktion Freiheit statt Angst e.V., was ihn so am US-Präsidenten stört
Herr Remmert-Fontes, was hat für Sie konkret das Fass zum Überlaufen gebracht?
Ganz klar: das Bekanntwerden des Prism-Programms des NSA durch Edward Snowden. Der „Patriot Act“ war nur ein kleiner Teil all dieser Maßnahmen; erst unter Obama sind die USA zum Vorreiter für Überwachung geworden – im negativen Sinne. Was die USA tun, hat automatisch Auswirkungen auf andere Länder. Mehr noch: Die USA verlangen ähnliche Gesetze dann auch in der EU. Dagegen wehren wir uns.
[[{"fid":"54449","view_mode":"teaser","type":"media","attributes":{"height":147,"width":220,"style":"width: 220px; height: 147px; margin: 5px 10px; float: left;","class":"media-element file-teaser"}}]]Die Mehrheit der Amerikaner unterstützt Obama: 56 Prozent der Bürger halten Telefonüberwachung für eine sinnvolle Maßnahme zur Bekämpfung von Terrorismus.
Da haben Sie recht. Was soll ich dazu sagen. Man könnte das damit rechtfertigen, dass mittlerweile noch ganz neue Details ans Licht gekommen sind. Aber die meisten Leute, die sich nicht tiefer gehend mit diesem Thema beschäftigen, kommen schnell zu einer einfachen Akzeptanz.
Würden Sie auch sagen: Ignoranz?
Nicht im böswilligen Sinne. Ich kann niemandem vorwerfen, dass er sich nicht tagein, tagaus mit solch komplexen Themen auseinandersetzt. Das ist sicherlich ein Desinteresse – aber auch eine Überforderung durch die Medien. Es wird ja heutzutage kaum noch ausführlich in den Medien diskutiert. Außerdem werden diese Fragestellungen eher technisch und weniger philosophisch betrachtet, wie es eigentlich notwendig wäre, um damit mehr Menschen zu erreichen.
Was sollte die Bundeskanzlerin Obama bei ihrem Treffen am Mittwoch sagen?
Dass die Datensammlung von EU-Bürgern gestoppt wird. Das fängt bei den Fluggastdaten an und geht bei Prism weiter. Aber das wird natürlich nicht passieren.
Ihr Protest müsste sich eigentlich auch gegen Brüssel richten: Die EU hat bereits vor einem Jahr der Weitergabe von Fluggastdaten an Washington zugestimmt.
Richtig. Wir haben damals auch 50.000 Unterschriften gesammelt und Demos organisiert. Jetzt fordern wir von Obama, dass er die wohl verfassungsgefährdenden Maßnahmen….
…was heißt verfassungsgefährdend? Nach allem, was man weiß, sind die ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Anti-Terror-Gesetze des „Patriot Acts“ gingen nach dem 11. September durch den Kongress.
Ob die verfassungskonform sind, steht aber auf einem ganz anderen Blatt. Einige dieser Gesetze sind geheim. Sie standen nicht allen US-Senatoren zur Verfügung – und der Öffentlichkeit schon gar nicht. Deswegen wollen wir, dass Obama sich an seine ursprünglichen Versprechen hält – und keinen rechtsfreien Raum schafft.
Nicht nur in den USA gibt es solche Überwachungen. Der britische Geheimdienst spähte 2009 Teilnehmer zweier G-20-Gipfeltreffen in London aus, wie Snowden dem Guardian verriet. Und der Bundesnachrichtendienst will dem Spiegel zufolge sein Budget für Internetüberwachung in den kommenden Jahren um 100 Millionen Euro aufstocken.
Das ist richtig. Wir beobachten diese Gesetzesvorhaben, all die Maßnahmen zum Ausbau des Sicherheitssektors – vor allem innerhalb der EU – schon seit Jahren.
Hat Ihr Verein in den letzten Wochen starken Zulauf bekommen?
Ja, ich denke schon. Bei uns gibt es jetzt mehr Aktivität als in den Monaten zuvor.
Wie sehr hat Barack Obama Sie enttäuscht?
Obama ist eine Katastrophe. Wir hatten alle gedacht, dass es nach Bush eigentlich nicht mehr schlimmer werden könne. Im Gegenteil: Obama hat eine 180-Grad-Wende vollzogen. Die Überwachung ist unter ihm ausgeweitet, Befugnisse für Polizei und Geheimdienste sind verlängert und teilweise neu eingeführt worden. Obama ist im Grunde noch schlimmer als sein Vorgänger.
Politiker der Opposition und der FDP fordern: Politisches Asyl für den CIA-Techniker Edward Snowden. Sie auch?
Ja. Wenn sichergestellt ist, dass er dann auch volle Aufenthaltsrechte erhält.
Herr Remmert-Fontes, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Petra Sorge
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