- Liebe FDP, so wird das nix
Auf dem Bundesparteitag will die FDP ihr Personal für einen Aufbruch im Wahljahr wählen. Doch anhaltende Querelen zwischen den Spitzenkandidaten und um die liberale Programmatik könnten den Plan gefährden
Eigentlich hätte es so gut aussehen können für die FDP. Nach dem Pannen-Jahr schien es, als könne die Partei in den Umfragen wieder zulegen. Parteichef Philipp Rösler erhielt Rückenwind nach der erfolgreichen Landtagswahl in Niedersachsen – und verhinderte einen Putsch in den eigenen Reihen. Er wirkte souverän, als er dem Rassismus-Vorwurf gegen die FDP einfach den Stöpsel zog.
Auch inhaltlich konnten die Liberalen punkten. Auf kuriose Weise bescherte ihnen die Sexismus-Debatte um Rainer Brüderle einen Mitleidsbonus. Schließlich kam ihnen das Thema Homosexualität zupass: Die FDP steht neben der prüden Union als Treiber des Fortschritts da.
Die leise Programmarbeit hat Wirkung gezeigt: Von mickrigen zwei Prozent zum Jahreswechsel kletterte die FDP in Umfragen zwischenzeitlich über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Vorstandswahlen beim Bundesparteitag am Wochenende in Berlin sollten Rösler nun weiteren Schwung verleihen. Mut machen für das Wahljahr.
Daraus wird wohl nichts. Bundeswirtschaftsminister Rösler hat mit seinem Eingriff in den Armutsbericht ein Klischee heraufbeschworen, das an der Partei klebt wie ein Kaugummi an den Schuhen: Es ist jenes von der Partei der Besserverdienenden. Der Partei des herzlosen Neoliberalismus, der sozialen Kälte.
Rösler mag sich gedacht haben, seine Arbeit besser verkaufen zu können, wenn er den Hinweis auf die ungleiche Verteilung der Privatvermögen aus dem Bericht streicht. Vielleicht dachte er auch, neoliberales Kernklientel zu überzeugen.
Dabei hatte die Partei gerade erst Beweglichkeit bewiesen, als sie sich beim Thema Mindestlohn wenigstens auf die Idee von Lohnuntergrenzen einließ. Sogar Röslers Vorgänger, Außenminister Guido Westerwelle, spricht sich für mehr Solidarität aus: „Drei Euro Stundenlohn hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts mehr zu tun“, sagte er. Zudem hatte das FDP-Präsidium am Montag in einem Grundsatzbeschluss ihre Vorstellung der „Sozialen Marktwirtschaft“ skizziert. Das Wort sozial ist darin groß geschrieben. Dieses programmatische Hick-Hack wird aber weder die Gegner noch die Befürworter des Mindestlohns überzeugen.
Da es beim Bundesparteitag aber nicht um Inhalte geht, wird das Thema so schnell nicht vom Tisch sein. Stattdessen geht es ums Spitzenpersonal.
Seite 2: Rösler könnte gleich zwei Kritiker an seine Seite bekommen
Da hat Philipp Rösler ein zweites Problem: Christian Lindner. Der Ex-Generalsekretär wird wohl in den Bundesvorstand zum Stellvertreter Röslers gewählt und damit als Sieger aus dem Parteitag herausgehen.
Der Machtkampf zwischen den beiden früheren Weggefährten, der mit dem Rücktritt Lindners vor anderthalb Jahren vorerst beendet war, könnte dann wieder aufflackern. Rösler landet in Beliebtheitsumfragen stets ganz hinten – wie zuletzt im ZDF-Politbarometer.
Außerdem wird es am Wochenende zu einem Gerangel um weitere Präsidiumssitze kommen, weil Gesundheitsminister Daniel Bahr seine Kandidatur angekündigt hatte. Um die drei Posten als Beisitzer bewerben sich noch Wolfgang Kubicki und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel. Der vierte Kandidat könnte derjenige werden, der bei den Wahlen um die drei Stellvertreterposten unterliegt – und dann auf den Beisitzerposten drängt.
Doch weder Bahr noch Niebel können gute Beliebtheitswerte aufweisen. Beobachter geben Niebel kaum noch Chancen. Würde Kubicki gewählt, der vor allem mit seinen Attacken gegen die Bundespartei auffällt, hätte Rösler einen weiteren Kritiker an seiner Seite. Wir erinnern uns: Als Stefan Raab in seinem Pro-Sieben-Polittalk sagte, er hoffe, Rösler würden beim Zugucken „nicht die Stäbchen aus der Hand“ fallen, kicherte Kubicki.
Ob die FDP nach dem Wochenende ihr Personalproblem gelöst haben wird, ist offen. Die Piraten sollten den Liberalen eine Warnung sein. Die anhaltende Kritik gegen deren Geschäftsführer Johannes Ponader, der auf dem nächsten Parteitag zurücktreten will, stürzte die Piraten in ein Umfragetief: zwei Prozent.
Wenn die FDP im Wahlkampf ernst genommen werden will, muss sie geschlossen auftreten. Nicht nur beim Personal, auch beim Programm.
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