Menschen protestieren im Stadtzentrum gegen das Gesetz über ausländische Agenten / dpa

Massenproteste in Georgien - Kampf für eine Zukunft in Europa

Georgien erlebt ein Déjà-Vu: Wieder fordern fast täglich zehntausende Demonstranten eine Änderung des Kurses der Regierung. Sie werfen Premierminister Irakli Kobachidse vor, seine Bekenntnisse zur EU seien nur dreiste Lügen.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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Dieses Mal zeigte sich die Führung der Regierungspartei „Georgischer Traum“ von den seit Wochen anhaltenden Massenprotesten unbeeindruckt. Im Parlament zu Tiflis brachte sie am Dienstag das umstrittene Gesetz über Nichtregierungsorganisationen (NGO) durch: Diese müssen in Zukunft ihre Buchführung offenlegen, sofern mehr als ein Fünftel ihrer Einnahmen aus dem Ausland kommen. Noch vor einem Jahr hatte die Regierung das Projekt zurückgezogen. Mehrmals gingen damals Hunderttausende mit Europafahnen gegen das „russische Gesetz“ auf die Straße. Es orientiert sich offenkundig am „Gesetz gegen ausländische Agenten“, das dem Kreml in Moskau den pseudolegalen Rahmen für die Unterdrückung der Zivilgesellschaft gibt.

Mit dem zweiten, nun erfolgreichen Anlauf missachtet der Georgische Traum allerdings Warnungen der Europäische Union. Nach Auffassung Brüssels schränkt das neue Gesetz grundlegende Bürgerrechte ein. Es stehe nicht im Einklang mit dem Kandidatenstatus für Georgien, den die EU im Dezember 2023 dem kleinen Kaukasusland nach dem russischen Überfall auf die Ukraine zugestanden hat. Für die Opposition ist klar: Die Regierung sei an einem EU-Beitritt gar nicht interessiert, ihre führenden Köpfe seien von Moskau gekauft oder würden von den Russen erpresst. Die Debatte über das Projekt artete am Dienstag in eine handfeste Schlägerei im Parlament aus.

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Gerhard Lenz | Mi., 15. Mai 2024 - 14:59

der durchgeknallte Großimperator im Kreml, der wahrscheinlich von Gott höchstpersönlich den Auftrag erhielt, das Sowjetreich in russischen Grenzen wieder auferstehen zu lassen. Wiederholt sich nun die Tragödie, die einst in der Ukraine stattfand? Man setzte eine Regierung unter Druck (sofern das überhaupt nötig ist), einen russlandfreundlichen, anti-westlichen Kurs zu fahren. Da den außer einigen weggetretenen Putin-Marionetten niemand will, kommt es zwangsläufig zu Demonstrationen. Die in der Lesart des Regimes, nach Moskauer Vorgaben, natürlich als Einmischung des Westens "entlarvt" werden. Früher wäre die Sowjetunion kurzerhand auf "Einladung" der jeweiligen Regierung einmarschiert und hätte mit den "Aufrührern" kurzen Prozess gemacht. Dank Putins Aggressionpolitik dürften wir bald wieder soweit sein: Der russische Kriegsverbrecher kann damit rechnen, dass aus dem Westen ausser ein paar klaren Worten nicht viel folgen wird, das ihn bremsen könnte.

Skrupellosigkeit siegt immer...

Großimperator und Kriegsverbrecher dürfte diesen kaum interessieren, zumindest solange es "Staatenlenker" gibt, die sich mit ihm abgeben. Und schon aus dem Grund, dass selbst nach EU-Bewertung der Krieg Georgiens gegen RF nicht von Letzterer ausgelöst wurde, dürfte von der Wiederholung einer Tragödie, wie sie einst in der UA stattfand, keine Rede sein.
Die ursprüngliche Fassung des "Gesetzes über ausl. Agenten" der RF wurde im Übrigen mit Berufung auf das diesbezgl. US-Gesetz ausgearbeitet und in Kraft gesetzt. Später erfuhr es eine "Verschärfung".
Man kann sich natürlich auf seine einzigartigen Werte berufen, und davon ausgehend andere Staaten belehren und sich in innere Angelegenheiten einmischen, auch wenn man selbst "Dreck" am Stecken hat. Man kann z.B. aber auch als Diplomat mit der Duma-Dame ein Gespräch anbahnen, die hinsichtlich von Homosexualität eine "Scharfmacherin" ist. Da deren Sohn schwul ist, erinnert es an entspr. Konstellationen in US-Filmen der 50-/60-er Jahre.

Es scheinen jedenfalls soviel gewesen zu sein, dass die georg. Wahlen eine entsprechende Parlamentsmehrheit hervorbrachten. Und das der "Westen" auch mal gerne mehr liefert als nur klare Worte zeigt ja wohl dessen UA-Unterstützung.

Tröstend möchte ich Ihnen aus meinen "Lebenserfahrungen" mitteilen, Skrupellosigkeit siegte nicht immer.

Ich würde es nicht als Sieg bezeichen, wenn sich Skrupellosigkeit durchsetzt, aber durchgesetzt hat sie sich in der einen oder anderen Form, mal mehr, mal weniger, wenn ich meine Lebenserfahrungen betrachte.
In den Märchen gibt es zwar meist ein Happy End, aber nicht weil diese so realistisch angelegt wären.
Wenn man Skrupel hat, verliert man die auch dann nicht, wenn es angezeigt wäre, der Skrupelosigkeit ff., Einhalt zu gebieten.
Die Intelligenten unter den Nationalsozialisten oder jene, die noch Skrupel hatten, hätten z.B. Hitler evtl. nicht an die Macht kommen lassen.
Wenn wir Glück haben, passiert nicht soviel, während Skrupellosigkeit an der Macht ist.
Meine Erfahrung ist die, dass man hässlich wird, wenn man selbst hasst.
Nun habe ich aber Sinn für Schönheit und Liebe.
Ich empfehle in diesem Zusammenhang die Kurzserie "Shardlake" auf Disney+.
Ich empfinde "den Tod am Kreuz" auch nicht als Lösung, weshalb ich den Da-Vinci-Code von Dan Brown auch so beruhigend fand.
Sehr schwierig

Als Kind hat mich sehr berührt die weise Entscheidung Salomos, der Mutter das Kind zu geben, die es im Streit loslässt, weil so schützt.
Was machte Brecht daraus?
Die gute Magd gewinnt das Kind, weil die Mutter es festhält?
Das ist evtl. an Absurdität nicht zu überbieten?
Die Händelfstspiele beginnen bald wieder in Halle an der Saale.
Es ist nicht mehr meine Zeit, ich hörte mir zuhause "Belshazzar" von Händel an.
Ich würde das eine Tragödie nennen, wie auch Jephta.
Eine Mutter muss den Untergang ihres Sohnes gewissermassen auch noch gut heissen und wird dafür vom Sieger "adoptiert".
Es hat mich sehr beruhigt, dass Mozart mit dem Don Giovanni m.E. evtl. einen Widerpart gegen die Opferung des Sohnes geschrieben hat.
Auch Don Giovanni muss für sein Übermass zahlen, aber die Liebe Donna Elviras bleibt und das Bekenntnis zur Lebensfreude, das Bekenntnis zur "Libertad" wird nicht zurückgenommen.
Wenn man genau wüßte, was was ist, wie kann man es schützen?
Keine Märtyrer im Namen der Liebe

Jochen Rollwagen | Mi., 15. Mai 2024 - 15:05

1. Das komplette Versagen des Westens in Georgien hat Putin ermutigt, exakt das identische Drehbuch in der Ukraine abzuspielen: gewaltsame Landnahme mit "kleinen grünen Männchen", danach Etablierung von "Volks-Republiken", (Zwangs-)Umsiedlung von Russen, Schein-Wahlen, danach Propaganda, das wäre "schon immer Rußland gewesen", danach Etablieren einer Marionetten-Regierung incl. weiterer Landnahme und Terror.
2. Ein weiterer Grund für die Proteste ist, daß ein Teil der Russen, die seit Kriegsbeginn aus Rußland geflohen sind (geschätzt zwischen fünf und sieben Millionen) nach Georgien gingen. Diese Russen sind nach wie vor extrem nationalistisch eingestellt, die Georgier bekommen also das Schlechteste von zwei Seiten: einerseits die Repression durch Rußland, andererseits die "Flüchtlinge" aus Rußland, die an ihrer "russischen Kultur" auch in der Diaspora festhalten. Das ist nicht immer angenehm.

A.W.Mann | Mi., 15. Mai 2024 - 15:18

Die üblichen Verdächtigen orchestrieren wieder einmal eine Demonstration, Geld dafür scheint immer vorhanden und der "Menschenfreund" im Hintergrund George Soros und seine Open Society Foundation, finden natürlich auch hier keinen Eingang in den Artikel des Herrn Urban. Übrigens es sind fast immer diese Art von Menschenfreunde, die ihre so friedliche Wirkung auf dem Maidan 2014, in Moldawien derzeit, heute in Tiflis oder im armenischen Jerewan, vor ca. 4 Wochen in Budapest gegen Viktor Orban zeigen durften. Ich weiß das auch Putin gern zu dieser Art von Propaganda neigt. Wenn ich dem Autor also recht verstehe, dann ist wenn ich seiner Argumentationskette folge, auch der ein guter Mensch. Ich für meinen Teil könnte auf einen Großteil dieser "guten Menschen" verzichten und glaube fest daran, diese unsere Welt wäre dann überschaubarer und besser.
Da bin ich so frei, Dreck bleibt für mich Dreck, ob aus Spekulation oder Regierungsmacht entstanden, die Ziele sind wohl gleich - mehr Dreck.

wenn sich die Menschen dagegen wehren, an Putin verschachert zu werden, während ihnen gleichzeitig die Tür nach Europa zugeknallt wird, liegt es an Soros?

Na dann bitte noch viel mehr Soros!

Tomas Poth | Mi., 15. Mai 2024 - 15:39

Warum lädt man eigentlich nicht die RF zum Beitritt in die EU ein? Russland gehört doch auch zu Europa und hatte 1993 einen Beitrittsantrag eingereicht.
Damit würden sich doch viele Konflikte erledigen oder!
Könnte es sein, daß osteuropäischer Hass auf Russland hier die Bremse ist, der Russland nur die Feindrolle zuweisen will!
Die von Urban beklagten Opfer, sind vielleicht eher Opfer dieser bewußten Feindpolitik und Urban ein Treiber in dieser Angelegenheit.

Tomas Poth | Mi., 15. Mai 2024 - 16:58

Antwort auf von Tomas Poth

Es sind natürlich auch geopolitische Interessen der USA hier im Spiel, in Zusammenarbeit mit UK, die dies verhindern wollen.
Eigentlich läuft hier nur die angelsächsische Geopolitik der letzten 150 Jahre im Hintergrund. Nichts neues unter der Sonne.

Gerhard Lenz | Mi., 15. Mai 2024 - 22:54

Antwort auf von Tomas Poth

der Westen und insbesondere die USA schuld! Selbst wenn Putin mit einer MP vor Ihrer Nase Amok laufen würde, wäre der Westen verantwortlich!

Noch was Ernsthaftes, sozusagen als Abwechslung, zum Thema, oder bleibt's beim "Üblichen"?

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 16. Mai 2024 - 12:46

Antwort auf von Tomas Poth

nicht der Revolution in Russland zujubelte, sassen doch auch Verwandte auf dem Zarenthron, aber für das Deutsche Reich galt dasselbe.
Für die "Guten" überall gilt eventuell, dass sie nicht ein- noch auswußten, wie sie sich richtig verhalten konnten.
Deshalb bin ich im Ernst nicht darauf gekommen, dass Johnson und Macron? evtl. für Fake-Verhandlungen in der Ukraine waren.
Die Niederlande "verweigerten" einst Porochenko den EU-Handschlag?
Bin gespannt auf die NATO-Politik Ruttes.
Frau Merkel wertete die Opposition in Russland(Nawalny) und in Belarus evtl. stark auf, ich weiss aber nicht, inwieweit dies der SPD-Politik entsprach.
Ich kann also nur sagen, dass ich mir Fake-Verhandlungen seitens Frau Merkel sehr gut vorstellen konnte.
Ich wurde eines Besseren belehrt, es gab eine konzertierte Aktion?
Wie auch immer, so wichtig ich die Grünen in mancherlei Hinsicht finde, so doch nicht so sehr in der Aussenpolitik.
Ich wähle die SPD diesmal vor allem wegen ihrer bedachten Aussenpolitik.

Werte Dame, es geht tiefer, zurück bis zu den russisch-türkischen Kriegen 1768 bis 1774. Katherina II. erklärte die Krim 1783 endgültig zum russischen Reich gehörig.
In den Krimkriegen 1853 bis 1856 zwischen Russland und den Osmanen, wurden die Osmanen von Frankreich und England unterstützt. Es ging darum den Russen den Zugriff auf Bosporus und Dardanellen zu verweigern.
Russlands ewiger Traum, der ganzjährige eisfreie Zugang zu den Weltmeeren.
Dagegen Englands Anspruch unangefochten als Herrscher der Weltmeere zu agieren. Den Affenfelsen in Gibraltar wollen sie nicht an Spanien hergeben!
Es war/ist die alte angelsächsische Politik auf dem Kontinent eine Kräftebalance zu unterstützen, je nach Erfordernis in Allianzen die Russen, Franzosen und Deutschen zu unterstützen oder zu bekämpfen, um ungestört auf den Weltmeeren und in Übersee agieren zu können. Nach 1914 wurden die USA nach und nach in diese Rolle geschoben. Nach 1945 dann endgültig.
Diese Politik ist ungebrochen!