Drohnen-Bild der Ortschaft Ocheretyne im Raum Donezk, 04.05.2024 / picture alliance

Ukrainer auf dem Rückzug - Russen erobern weitere Ortschaft

Die ukrainischen Truppen verlieren an Boden. Nach Awdijiwka erobern die Russen nun die Ortschaft Archanhelske. Präsident Selenskyj lobt die eigene Flugabwehr nach russischen Angriffen. Ein Überblick über die Geschehnisse in der Nacht.

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Die Ukraine ist an der Front im Osten des Landes stark unter Druck. Nach dem Fall der zur Festung ausgebauten Kleinstadt Awdijiwka im Februar sind die ukrainischen Streitkräfte ständig auf dem Rückzug.

Russische Truppen rückten laut Medienberichten im Osten der Ukraine weiter vor. Das russische Militär habe die Siedlung Archanhelske besetzt, berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur Unian am Samstag unter Berufung auf den bekannten Militär-Telegramkanal «DeepState». Russische Militärblogs hatten die Eroberung bereits einige Stunden zuvor gemeldet. Offiziell gab es zunächst aus Kiew keine Reaktion zu den Berichten über den Verlust einer weiteren Ortschaft.

Archanhelske liegt etwa 15 Kilometer nördlich von Awdijiwka. Seit dem Verlust der Stadt gelang es Kiew nicht, die Front in dem Abschnitt zu stabilisieren. Grund sind anhaltende Probleme bei der Waffen- und Munitionsversorgung durch das lange Ausbleiben der westlichen Hilfslieferungen. Der zunächst als neue Verteidigungslinie geplante Raum zwischen Sjewerne, Orliwka und Berdytschi ist inzwischen unter russischer Kontrolle. Auch der Versuch, die Russen vor Otscheretyne zu stoppen, scheiterte. Nach Ansicht von Experten der US-Denkfabrik ISW können die russischen Angreifer nun wählen, ob sie weiter nach Westen auf die Kreisstadt Pokrowsk vorrücken oder gen Norden ziehen, um den Druck auf das strategisch wichtige Tschassiw Jar bei Bachmut zu verstärken.

Selenskyj lobt nach russischen Luftangriffen eigene Flugabwehr

Auch aus der Luft sieht sich die Ukraine weiter schweren Angriffen ausgesetzt. Die Millionenstadt Charkiw im Osten des Landes wurde innerhalb eines Tages gleich dreimal von schweren Angriffswellen erschüttert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lobte trotz einer Reihe von Einschlägen die eigene Flugabwehr. „Heute hatten unsere Verteidiger des Himmels den ganzen Tag über viel Arbeit“, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Beschuss habe es in Charkiw, Odessa und im Gebiet Donezk gegeben.

„Besonders hervorheben möchte ich die 110. mechanisierte Brigade für den Abschuss einer weiteren russischen Su-25 über dem Gebiet Donezk heute“, sagte Selenskyj. Eine unabhängige Bestätigung für den Abschuss des Kampfflugzeugs gab es zunächst nicht. Selbst der ukrainische Generalstab hatte in seinem Lagebericht zuvor nur das Abfangen einer russischen Lenkwaffe vom Typ Ch-59 als Erfolg für die Flugabwehr vermeldet.

Russland schreibt Selenskyj zur Fahndung aus

Selenskyj selbst wies in der Vergangenheit immer wieder auf die Probleme der Flugabwehr aufgrund des Mangels an Munition und modernen Systemen hin. Trotz der weiter schwierigen Lage an der Front sowie den Schäden und Verletzten in den Städten nach den russischen Luftangriffen demonstrierte Selenskyj diesmal allerdings Zuversicht. Russland könne zum Frieden nur gezwungen werden. Dies werde aber gelingen dank der Stärke des ukrainischen Volkes und dem internationalen Zusammenhalt, sagte er Bezug nehmend auf die Unterstützung des Landes durch westliche Partner.

Derweil schrieb Russland Selenskyj russischen Nachrichtenagenturen zufolge zur Fahndung aus. Strafrechtlich gesucht werde Selenskyj, geboren 1978 in Krywyj Rih, Gebiet Dnipropetrowsk, Ukraine, heißt es dort. Den Grund für die Verfolgung nannte das Innenministerium im Fahndungsaufruf nicht. Später wurde bekannt, dass auch Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko und der Chef der ukrainischen Heerestruppen, Olexander Pawljuk, zur Fahndung ausgeschrieben sind.

dpa

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Urban Will | So., 5. Mai 2024 - 12:14

zunächst der Gepard (Luftabwehr) oder dann der Leo oder was auch immer, noch immer nichts bewirkt.
Es fehlt an Munition. Aha. Hätte kaum jemand erwartet. Dass Russland etwa dreimal soviel davon herstellt als der gesamte Westen... hat man wohl vergessen.
Aber der Taurus! Der wird es sein! Der fehlt noch und dann... wird den Russen endlich der entscheidende Schlag versetzt! Dann „isch over“!
Oder halt nicht.
Die Phrase, die Ukraine verteidige die gesamten westlichen Werte und Putin wird seine Panzer bis zum Atlantik jagen, muss man so langsam überdenken.
Oder halt doch Bodentruppen schicken und den dritten WK anzetteln. Denn ansonsten macht man sich unglaubwürdig (hat man zwar eh schon, doch merken Hinz und Kunz das halt noch immer nicht). Der Westen ist tolpatschig in die selbst gestellte Falle gelaufen.
Der unnötigste Krieg der Weltgeschichte geht indes hoffentlich so langsam in die entscheidende Phase. Jeder Ukrainer oder Russe, der da noch verreckt, kann einem nur leid tun.

Albert Schultheis | So., 5. Mai 2024 - 13:28

Ich bin kein Freund von Waffengewalt, zumal oder gerade weil ich meinen Wehrdienst vor 50 Jahren geleistet habe. Aber dennoch sage ich, endlich geht's voran! Und ich hoffe, dass die Russen dem Abschlachten bald ein Ende bereiten werden - bevor die nächsten Chargen aus USA und Deutschland ankommen. Sie würden den Blutzoll auf beiden Seiten nur noch erhöhen. Sollte der Westen tatsächlich sich erdreisten, mit Soldaten einzugreifen, dann schlagen wir ein ganz neues Kapitel auf, dann wird's sehr hässlich. Bis dahin hoffe ich, meine Kinder und Enkel aus dem Land der Verblödung rausgezogen zu haben.

Keppelen Juliana | So., 5. Mai 2024 - 13:33

begreifen dass sie für die Interessen der Nato verheizt werden. Es scheint als ob ein Teil der Menschen das so langsam begreifen. Selbst ein Oberster Militär deutet Verhandlungen an. Am Schluß werden die meisten Betroffenen sagen "und für was das Ganze" Minsk II umsetzen und Neutralität hätte uns dieses Desaster erspart. Hier noch ein Hinweis an Roderich Kiesewetter, Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter und Michael Roth stellvertretend für alle Kriegstreiber unsere Panzer stehen wieder in Russland sind sogar diesmal bis Moskau vorgedrungen euer Wunsch wurde erfüllt.

Tomas Poth | So., 5. Mai 2024 - 16:47

Die BZ titelt dazu:
'Höchste Zeit für Diplomatie – bevor es zu spät ist.'
Nehmen wir noch den Beitrag von J.F. Matlock, vor kurzen im Cicero, dazu, dann sollten eigentlich alle verstehen, daß es keine Alternative zu einem sofortigen Waffenstillstand gibt, um anschließend in Verhandlungen einzutreten.

Henri Lassalle | So., 5. Mai 2024 - 21:06

Ermüdungs-und Erschöpfungserscheinungen des ukrainischen Militärs (aber auch signifikant der Zivilbevölkerung) zunemend bemerkbar. Ausserdem passen sich die Russen dem Kriegsverlauf an, entwickeln Kriegsgeräte und sind bereit, ohne Skrupel ihre Soldaten zu verheizen. Sie schicken weniger gut ausgebildete Soldaten in die vorderen Linien, um die Lage zu sondieren, um dann gezielter besser ausgebildete und trainierte Truppen nachrücken zu lassen.
Es sieht nicht gut aus für die Ukraine, die Prognosen sind eher pessimistisch, die Russen sind jetzt dabei, den Krieg mit stärkerer Dynamik fortzuführen.