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Soziale Durchmischung in Gefahr - Berliner Mieten steigen rasant

Nirgendwo sonst in Deutschland sind die Mieten zuletzt so stark gestiegen wie in der Hauptstadt. Während sich der Immobilienmarkt abgekühlt hat, spielt Berlin eine Sonderrolle. Drohen der Hauptstadt nun Verhältnisse wie in London oder Paris?

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Seit Jahren kennen die Mieten in Berlin nur eine Richtung: nach oben. Doch in den vergangenen Monaten hat sich der Anstieg nochmals rasant beschleunigt. Immobilienexperten sehen Berlin bei den Angebotsmieten schon als zweitteuerste Stadt Deutschlands. Die Kaufpreise halten sich derweil trotz des Abwärtstrends bei Immobilien auf hohem Niveau, wie neue Daten zeigen. Knapper Wohnraum, hohe Zuwanderung, hochschnellende Mieten: In Berlin zeigen sich die Probleme am deutschen Wohnungsmarkt wie unter einem Brennglas.

Das verdeutlichen am Donnerstag veröffentlichte Zahlen des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp), der die wichtigsten Immobilienfinanzierer hierzulande vertritt. Demnach sind die Neuvertragsmieten in der Hauptstadt im zweiten Quartal um satte 9,5 Prozent zum Vorjahreszeitraum geklettert – der größte Zuwachs unter den sieben deutschen Metropolen. Im Bundesschnitt lag das Plus bei 6,2 Prozent.

Währenddessen gaben die Immobilienpreise in Berlin laut vdp binnen Jahresfrist um 3,6 Prozent nach, so wenig wie in keiner anderen deutschen Großstadt. In Frankfurt sackten die Preise um gut neun Prozent ab und in München und Hamburg um mehr als sechs Prozent. „In Berlin werden schon seit Jahren zu wenige Wohnungen gebaut gemessen am Zuzug“, sagt vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. „Die Stadt hat schon lange eine sehr geringe Leerstandsquote.“ Gemessen am ersten Quartal sanken auch die Immobilienpreise in Berlin leicht. Doch nur rund ein Fünftel der Menschen dort wohnt im Eigentum – Berlin gilt als Hauptstadt der Mieter.

Umso stärker schlägt der rasante Mietanstieg durch. Der Großmakler Jones Lang LaSalle (JLL) beobachtete bei den Angebotsmieten im ersten Halbjahr enorme Zuwächse in Berlin. Bei den Neuvertragsmieten wurden demnach in der Hauptstadt 17,50 Euro je Quadratmeter in Inseraten aufgerufen, damit lag Berlin auf Platz zwei hinter München (22,50 Euro) und vor Frankfurt und Stuttgart. Zwar bedeuten Angebotsmieten noch keine Abschlüsse. Doch auch das Portal Immowelt meint: Berlin sei binnen weniger Monate bei den Angebotsmieten zur zweitteuersten Stadt Deutschlands geworden. 

Ein Grund: die starke Zuwanderung. Ende 2022 hatte Berlin gut 3,8 Millionen Einwohner – so viele wie nie seit der Wiedervereinigung. Zudem hat die Hauptstadt wegen ihrer Lage im Nordosten Deutschlands besonders viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Im Februar, rund ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges, lebten laut der damaligen Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) etwa 60 000 Ukraine-Flüchtlinge in Berlin.

Zudem hinkt der Neubau dem Bedarf hinterher. Allein 2022 wanderten laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg unterm Strich fast 77 800 Menschen in die Hauptstadt zu. Derweil seien aber nur gut 17 000 Wohnungen fertiggestellt worden, sagt JLL-Wohnimmobilienexperte Roman Heidrich. Ziel des Senats sind pro Jahr 20 000.

Berlin ist bei weitem nicht die einzige Stadt mit hohen Mieten. Bei den Bestandsmieten bleibt die Stadt sowohl im Vergleich mit München oder Hamburg als auch mit internationalen Hauptstädten wie London oder Paris „vergleichsweise günstig“, sagt Jutta Kreuzinger, Sprecherin der Immobilien- und Pfandbriefbank Berlin Hyp. Das zeigen auch Daten des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Demnach lag 2022 die ortsübliche Vergleichsmiete laut Mietspiegel in München um 85 Prozent höher als in Berlin.

 

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Doch die nun stark steigenden Preise bedrohen aus Sicht mancher Beobachter die soziale Durchmischung der Stadt. Jahrzehntelang hatte Berlin mit seinen günstigen Mieten eine besondere Anziehungskraft auf Menschen mit niedrigen Einkommen und oft alternativen Lebensentwürfen. „Aus historischen Gründen lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf deutlich unter dem Durchschnitt der Nation, was sehr ungewöhnlich für Hauptstädte in Europa ist“, sagt Kreuzinger von der Berlin Hyp.

„Berlin hat das Glück, bisher eine sozial gemischte Stadt zu sein“, betont auch Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. „Aufgrund seiner Teilungsgeschichte sind ehemalige Randlagen seit 1989 Innenstadtbereiche und trotzdem mit Sozialwohnungen ausgestattet.“ Doch die soziale Durchmischung und das alternative Image der Stadt führten dazu, dass Berlin auch international für viele Menschen attraktiv wurde.

Doch die Menschen stoßen in Berlin auf immer weniger bezahlbaren Wohnraum. Jedes Jahr fallen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung, als neue Sozialwohnungen hinzukommen. Auch politische Entscheidungen wirken nach: Ein relativ hoher Leerstand und die hohe Verschuldung führten dazu, dass Berlin in den 2000er Jahren einen großen Teil der landeseigenen Wohnungen verkaufte. „Heute sind durch den Aufkauf dieser Bestände die großen börsennotierten Unternehmen Vonovia/Deutsche Wohnen und andere auf dem Berliner Wohnungsmarkt aktiv und die Stadt hat einen relativ eingeschränkt lenkbaren gemeinwohlorientierten Sektor“, kritisiert Hamann vom Mieterverein.

Droht Berlin also bald ein ähnliches Preisniveau wie München, London oder Paris? Jutta Kreuzinger von der Berlin Hyp ist zuversichtlich. „Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass wir in der deutschen Hauptstadt eine vergleichbare Entwicklung sehen“, sagt sie. „Durch Maßnahmen des Gesetzgebers werden Mieten in Deutschland in den Großstädten gebremst, der Mieterschutz garantiert, in Berlin dazu noch verstärkt mittels Ausweisung von Milieuschutzgebieten.“ Voraussetzung sei aber ein deutlich stärker forcierter Neubau.

vom Mieterverein sieht die Entwicklung deutlich kritischer. „Wenn hier nicht sichtbar gegengesteuert wird und neben der Regulierung der Mieten massiv in einen gemeinwohlorientierten Sektor investiert wird, wo dauerhaft preiswerter Wohnraum erhalten bleibt, können wir in den nächsten Jahrzehnten vermutlich mit ebenso starken Segregationstendenzen rechnen wie in Paris oder London.“

Quelle: dpa

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Heidrun Schuppan | Do., 10. August 2023 - 17:32

Doch die Anstrengungen werden sich weiter auf Sozialwohnungen konzentrieren. Aktuell sind Neubauten hier sowieso bereits für Flüchtlinge "reserviert". Und wenn der "Wohnungsmarkt" entlastet wird durch zusätzliche Neubauten, dann sind das hochpreisige Wohnungen sowie ETW (auch hier in Frankfurt) – die sich nur die leisten können, die entweder geerbt oder zu den Top-Verdiener gehören. Katastrophal sieht die Lager weiterhin für die untere Mittelschicht, für Normalverdiener und für Rentner aus. Da D bei Wohneigentum in der EU ganz unten liegt, suchen die Genannten wohl vergebens etwas Bezahlbares zum Mieten. Man bleibt, wenn man kann, da wo man ist (Bestand). "Zecken" hat ein Kommentarschreiber (FAZ) diese Mieter genannt – sie sitzen in alten Bestandswohnungen fest, wo sie doch längst raussollten, zwecks Neuvermietung, die höhere Mieten verspricht. D in Jahre 2023, dafür bald klimaneutral. Ein sicheres Zuhause hat nur der, der sich eins kaufen kann.

Ingofrank | Do., 10. August 2023 - 18:36

Gut so für die woken Grün linken Herrmann‘s & Co. das die Mieten steigen und dann, wenn der grüne Guru noch sein GEG umsetzt, kommt noch ein Schlag Miete hinzu. Tja, da gibts nur eins, die Flucht ins preiswertere Umland und sich auf die Segnungen des ÖNV verlassen oder gleich in einen ohne Subventionen coolen Elektro- Schlitten zu investieren.damit das Lebensniveau so auf 50 Jahre zurückgeschraubt wird. Damals lebte sich es auch ganz gut ….. zumindest im Westen ! Oder nicht ?
Leute, der Preis wird bestimmt aus Angebot und Nachfrage. Ich leiste mir auch keinen Porsche und bin durchaus zufrieden mit unserem Diesel SUV mit 4 Ringen. Auch der verursacht eine „Menge Fahrspaß“ und der Hänger, mit 1,5 to Zuladung den man auf dem Land bracht, bereitet auch keine Probleme. Also immer nur eine Frage der Perspektive wo man seinen Lebensmittelpunkt auswählt. Und Kultur? Die findet man durchaus, wenn man nur kulturell interessiert ist.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Henri Lassalle | Do., 10. August 2023 - 22:54

Die sind schon existent und werden sich verstärken. Wie lautet eine alte Weisheit: Geld geht zu Geld, Immobilien sind, wenn es sich nicht um Schrottimmobilien handelt, für profitbewusste Anleger eine lohnende Sache. Auch werden die Migrationszuflüsse nicht abnehmen, im Gegenteil. Die Migranten mit anerkanntem Stauts wollen in der Stadt wohnen, nicht irgendwo auf dem Land. Ich nehme an, die Zahl der Wohnungslosen wird steigen. Betroffen werden icht nur jene sein, die von Sozialtransferts leben. Gewisse Dinge des täglichen Lebens sind mittlerweile für viele Bürger ein Luxusgut geworden.

Ronald Lehmann | Fr., 11. August 2023 - 13:35

Wenn es eine Vermischung gäbe, würden unsere Neuankömmlinge auch in den Wohn-Gegenden wohnen, wo Regierung, Eliten, Medien-Mogule & oberste Justiz wohnen & leben würde.
Aber nicht nach Auswahlverfahren, sondern nach Zufall-Verfahren.

Aber da könnten diese ja dann aus ihren Dream-Land erwachen & in die Realität zurück geholt werden