- Trotz alledem: Jetzt Spargel genießen
Unser Genusskolumnist findet es befremdlich, dass deutscher Spargel trotz Nachtfrösten jetzt schon auf den Markt kommt. Aber den allgemeinen Trend zur Entkopplung einstmals saisonaler Spezialitäten von ihren Anbautraditionen kann er nicht aufhalten. Deswegen wird er zu Ostern Spargel essen.
Weißer Spargel ist eigentlich der Inbegriff des saisonalen Edelgemüses in Deutschland. Traditionell begann die Ernte immer dann, wenn die Böden im Frühjahr warm genug waren, um dem Spargel gute Wachstumsbedingungen zu schaffen.
Doch diese Anbindung von Produkten an Jahreszeiten und Wetterverläufe ist inzwischen wenig mehr als eine historische Reminiszenz. Die klassische „Spargelsaison“, die in der Regel Mitte April – manchmal aber auch erst im Mai – begann und am 24. Juni, dem Johannistag, endet, taugt heutzutage hauptsächlich für das Marketing. Im ganzen Land gibt es dann temporäre Verkaufsstellen, Restaurants werben mit „Spargelwochen“, und die Anbaubetriebe veranstalten große „Spargelfeste“.
Spargelfelder werden beheizt
Von der klassischen Saison hat sich der Spargelanbau auch in Deutschland längst entkoppelt. Inzwischen gehören bei vielen Betrieben nicht nur wärmespeichernde Folientunnel, unter denen das Gemüse reift, zum Standard, sondern auch Bodenheizsysteme. Das klingt in Zeiten deutlich gestiegener Energiepreise einigermaßen absurd. Doch vor allem Wärme, die aus im Betrieb anfallender Biomasse gewonnen wird, oder Abwärme von nahe gelegenen Industriebetrieben kann dafür so genutzt werden, dass es ökonomisch einigermaßen darstellbar ist.
Am 18. Februar berichtete die Tagesschau über einen Betrieb im bayerischen Plattling, der die seinerzeit noch gefrorenen Böden mit seinem Rohrsystem auf 19 Grad erwärmte und somit optimale Wachstumsbedingungen für den Spargel schaffen konnte, der bereits Anfang März geerntet und vermarktet wurde. Auch auf etwas feineren Berliner Wochenmärkten konnte man Mitte März bereits frischen deutschen Spargel kaufen, für rund 20 Euro pro Kilo. Einige Brandenburger Großbetriebe, etwa aus Beelitz und Kremmen, haben trotz Nachtfrösten ebenfalls angekündigt, dass ihre Spargelsaison bereits zum Osterfest beginnt.
Billigkonkurrenz aus dem Ausland
Aber warum ist es so wichtig, schon so früh Spargel anzubieten? In dem Tagesschau-Bericht hat Geschäftsführer Karl Baumann vom Gemüse- und Obstbetrieb Baumann im niederbayerischen Plattling eine sehr einfache Antwort: Weil die Nachfrage da sei. Zwar eine beschränkte, aber der Handel verlange danach. Und wenn keine Produkte aus Deutschland kommen, würden eben Spargelstangen aus dem Ausland geordert und verkauft.
Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:
- Vielfalt statt Einfalt: Speiseöl – ein kulinarischer Tausendsassa
- Unsitten in der Gastronomie: Das Küchenkabinett des Grauens
- Lasagne al forno: Die Definition des guten Lebens
- Bald kommt der Frühling: Zeit für frische Kräuter
- Kiezküchen: Nicht nur für arme Menschen
Tatsächlich müssen Spargelfreunde in Deutschland schon längst nicht mehr auf spargelfreundliches Wetter in der Heimat warten. Im Herbst und Winter sorgt Spargel aus Peru für Ersatz, und spätestens im Februar kommt auch weißer Spargel aus Griechenland und Spanien auf dem Markt. Der kann zwar geschmacklich nicht mit regionalem Spargel mithalten, weil dieses Edelgemüse frisch eben am besten mundet. Aber er ist nun mal da und zudem vergleichsweise billig – für viele Konsumernten unschlagbare Kaufargumente.
Anbau und Absatz sind rückläufig
Ob die Heizoffensive der seit einigen Jahren kriselnden deutschen Spargelwirtschaft wirklich zu einem neuen Aufschwung verhelfen kann, ist eher unwahrscheinlich. Nach den Einbrüchen in der Corona-Krise, als vor allem der Absatz in die Gastronomie wegen der Lockdowns einbrach und es zeitweilig auch gravierende Probleme beim Einsatz von Saisonarbeitern gab, sorgt nunmehr die Inflation für deutliche Kaufzurückhaltung bei „Luxusprodukten“ wie Spargel. Der Absatz brach bereits im vergangenen Jahr deutlich ein, und die Anbaufläche ist nach Jahren stetigen Zuwachses seit 2021 deutlich rückläufig. Viele Landwirtschaftsbetriebe suchen nach Alternativen. So hat sich die Anbaufläche für Körnersonnenblumen für die Speiseölproduktion in Deutschland binnen zwei Jahren mehr als verdoppelt. Das ist unmittelbar auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen, dem bislang wichtigsten Lieferanten.
Besinnliches Fest mit Spargel und Silvaner
Die Spargelbauern blicken jedenfalls mit einer Mischung aus Hoffen und Bangen auf die jetzt anlaufende Spargelsaison. Die Kosten sind nicht nur für Energie beträchtlich gestiegen, denn erstmals gilt nun auch für die zumeist ost- und südosteuropäischen Erntehelfer ein gesetzlicher Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde. Und die hohen Investitionskosten für Hightech-Ernteroboter sind für viele Betriebe nicht zu stemmen. Große Spielräume für Preiserhöhungen gibt es aber nicht, sowohl wegen der wachsenden Konkurrenz aus dem Ausland als auch wegen der verbreiteten Konsumzurückhaltung.
Aber Genuss ist bekanntlich Notwehr. Und wer Spargel mag, sollte gerade die besinnlichen Ostertage im Kreis der Familie oder mit Freunden dazu nutzen, erstmals in diesem Jahr ein paar Stangen köstlichen, frischen deutschen Spargel und eine Flasche trockenen Silvaner (oder auch zwei) auf den Tisch zu stellen. Am besten natürlich „nur“ mit Kartoffeln und zerlassener Butter und keinesfalls mit Sauce Hollandaise! Aber das ist ein anderes Thema. In diesem Sinne wünsche ich ein besinnliches und genussvolles Osterfest!
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Wir wohnen mitten im Spargelanbaugebiet und essen Spargel in allen Variationen. Da hat jeder so seine Vorlieben. Als Salat, mit Butter ausgelassen, als Gemüse usw. Meine Frau ist da sehr ideenreich, während ich der Genießer bin.
Seit drei Wochen sehe ich die Spargelbalken unter Folie eingepackt und früh morgens und abends bereits die Spargelstecher aus Osteuropa auf dem Feld, sind die Verkaufsstände schon geöffnet. Ja, Spargel macht Arbeit, wirft aber auch ordentlich Profit ab. Und mein letzteres Argument steht für eine aus reiner Gier und Essenskulturvergessenen Gesellschaft, die alles immer zu jeder Zeit haben will und keine Ahnung hat, wie es angebaut wird und woher es letztlich kommt und das es eigentlich eine von der Natur vorgegebene Saison gibt, nicht nur für Spargel, sondern auch andere Gemüsearten und Früchte. Cancel Cultur mal anders. Und wenn es der Bauer nicht hat, dann eben der Discounter, egal woher und unter welchen Bedingungen erzeugt, geerntet, geliefert und gekauft.
Das Angebot aus Südeuropa zwingt unsere Spargelbauern regelrecht zu diesen Maßnahmen, und offensichtlich gibt es eine Käuferschicht, die EUR 20,-/kg zu bezahlen fähig und willig ist. Wir warten jedenfalls, bis der deutsche oder polnische Spargel erschwinglich ist und genießen ihn mit zerlassener Butter und Himbeersalz (Internet oder selbst gemacht).
Kleiner Tip: kaufen sollte man am Samstag nachmittag, da gibt es manchmal richtig gute Preise, falls noch was vorhanden ist.?
War die vergangenen Wochen schon zwei mal auf unseren Speiseplan und ein Geschenk.
Aber die Qualität (lange Transportwege) war nicht berauschend. Viel Abfall, wenig Aroma, Enden trocken, strohig und bräunlich verfärbt.
Gekauft hätte ich ihn nicht.
Deutscher Spargel (frisch am Wegesrand gekauft) spielt da schon in einer anderen Qualitätsliga.
Neulich im Garten. Recht angesäuert von mindestens 10 neuen Maulwurfshügeln stand ich im Garten und sinnierte vor mich hin, als ich hinter den nicht heimischen Zypressen eine Gestalt erblickte. Verdutzt erkannte ich den Osterhasen, ins Gespräch vertieft mit zwei anderen Anwärtern, die einen etwas herunter gekommenen Eindruck machten Was denn los sei und ob ich helfen könne, wollte ich eifrig wissen, als ich abrupt und etwas unwirsch unterbrochen wurde. Was ich eigentlich für Vorstellungen hätte, ob ich überhaupt wisse unter welch desolaten Arbeitsbedingungen sie neuerdings malochen müssten? Nein, ich wüsste es nicht, entgegnete ich etwas lahm. Nun, die Eier seien komplett aus, die Hühner hätten eine Identitätskrise und das Eierlegen aus Protest gegen Hähne und männliches Patriarchat vorläufig eingestellt. Im übrigen hätten sie erhebliche Zweifel an ihrer Geschlechtszuweisung und ausnutzen ließen sie sich erst recht nicht! (Fortsetzung folgt...)
Auf der Suche nach Alternativen sei man dann auf Holzeier umgestiegen, die aber nach kürzester Zeit aus dem Verkehr gezogen wurden, weil das Nachhaltigkeitszertifikat der Bäume nicht erbracht werden konnte. Im übrigen stünden Bäume gerade im „Sitzstreik“, sie wären mit der Gesamtsituation auch unzufrieden, Klima und so…Ja was es denn jetzt gäbe zu Ostern, fragte ich etwas eingeschüchtert. Ja nix halt. Der Robert, der hätte uns doch letztes Jahr so ein schönes „Osterpaket“ ins heimische Nest gelegt, das wirke doch nachhaltig für die nächsten 100 Jahre….sprach’s und hoppelte von dannen.
Ich fürchte, Ostern fällt auch dieses Jahr wieder aus;-)
Danke für Ihre kleine Ostergeschichte. Der Tag fängt für mich lustig und ausgeglichen an. Werde jetzt rüber zu den Enkeln gehen und freudige Kinderaugen betrachten, wenn ihre Suche nach Osternestern ein Leuchten in die Augen zaubert. Mag der Fliegende Robert, so wie im Kinderbuch nachhaltig davon fliegen. Jedenfalls wir lassen uns Ostern nicht vermiesen. Dank auch solcher Geschichten, wie Sie in der Lage sind mit dem politischen Wahnsinn zu verbinden.
Allen und besonders auch Ihnen liebe Sabine Lehmann ein schönes Ostern.
Danke. Ihnen und Ihren Lieben auch ein schönes Osterfest, werter Herr Konrad.
Das "Osterpaket" vom fliegenden Robert gab es übrigens wirklich letztes Jahr. Er hatte die Frechheit und die Infantilität das auch noch so zu nennen. Denn darin wurden all die schönen "Eier" kreiert und ins deutsche Nest gelegt, die in diesem Jahr nach dem "Abpellen" ihre wahre Fratze für alle Hausbesitzer zeigen dürfen......
Frohe Ostern wünsche ich auch der Redaktion, allen Autoren und den Teilnehmern dieses Forums und in all meiner Güte wirklich Allen;-)
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