Demonstranten in Peking halten zum Zeichen des Protests leere Papierblätter hoch / dpa

Corona-Proteste in China - „Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit“

Der Unmut in China über die Zero-Covid-Politik und die rigorosen Corona-Beschränkungen wächst. Seit Jahrzehnten hat das Land nicht mehr solche Demonstrationen erlebt wie am vergangenen Wochenende. Der chinesische Staat reagiert mit harten Repressionen. Weiten sich die Proteste dennoch aus?

Cicero Cover 12-24

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Trotz der größten Proteste seit Jahrzehnten in China will die Regierung nichts von einer Unzufriedenheit im Volk mit ihrer strikten Null-Covid-Strategie wissen. „Was sie ansprechen, spiegelt nicht wider, was in Wirklichkeit passiert ist“, sagte Außenamtssprecher Zhao Lijian am Montag in Peking auf eine Journalistenfrage nach dem Unmut vieler Bürger und den Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern in mehreren Metropolen. In seiner auffällig kurzen Reaktion äußerte sich der Sprecher zudem überzeugt, dass der Kampf gegen die Corona-Pandemie erfolgreich sein werde – „unter der Führung der Kommunistischen Partei und mit der Unterstützung des Volkes“.

Es sind die größten Demonstrationen seit der Demokratiebewegung 1989 in China, die das Militär damals blutig niedergeschlagen hatte. Protestmärsche gab es am Wochenende in der Hauptstadt Peking und anderen Millionenstädten wie Shanghai, Chengdu, Chongqing, Wuhan, Nanjing, Xian und Guangzhou. Sie richteten sich gegen die strikten Maßnahmen der chinesischen Null-Covid-Politik wie wiederholte Lockdowns, Corona-Massentests und Zwangsquarantäne.

Die Demonstrationen dauerten bis in die Nacht zum Montag an. Auch an Hochschulen wie der Tsinghua-Universität in Peking regt sich Unmut. Wie viele Menschen festgenommen wurden, war unklar. In China herrschte praktisch eine Nachrichtensperre. Soziale Medien waren voll mit Videoaufnahmen, die von der Zensur aber schnell wieder gelöscht wurden. In den frühen Nachtstunden ging ein Großaufgebot der Polizei in Peking noch gegen Hunderte nahe dem Diplomatenviertel vor.

Weitere Protestaktionen waren angekündigt. Doch hat die Regierung starke Sicherheitskräfte mobilisiert. Augenzeugen berichteten unter anderem von großer Polizeipräsenz an neuralgischen Punkten in Shanghai.

Viele Millionenstädte sind weitgehend lahmgelegt

Auslöser der seltenen öffentlichen Unmutsbekundungen war ein Wohnungsbrand in der Metropole Ürümqi in Xinjiang in Nordwestchina am Donnerstagabend mit mindestens zehn Toten. Viele äußerten den Verdacht, dass die Rettungsarbeiten durch die strengen Corona-Maßnahmen behindert wurden.

Als Symbol des Widerstands und des Protests gegen die Zensur hielten viele Demonstranten unbeschriebene weiße Blätter hoch. Es wurde „Hebt den Lockdown auf“ und „Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit“ gerufen.

Durch die rigiden Maßnahmen gegen das Coronavirus hatte der Unmut in der Bevölkerung seit Wochen immer mehr zugenommen. Viele Millionenstädte sind weitgehend lahmgelegt. Die Menschen stören sich an ständigen Tests, Ausgangssperren, Zwangsquarantäne, lückenloser Überwachung durch Corona-Apps und Kontaktverfolgung, mit denen die Behörden versuchen, die sich leicht verbreitenden Omikron-Varianten des Virus in den Griff zu bekommen.

Bei den Protesten in Shanghai wurde der BBC-Reporter Ed Lawrence festgenommen und nach eigenen Angaben von Polizisten misshandelt. Die BBC zeigte sich „extrem besorgt“. Der Journalist sei geschlagen und getreten worden, obwohl er eine Akkreditierung habe. Erst Stunden später sei er freigelassen worden. Die britische Regierung rügte die die Festnahme. Es sei „inakzeptabel“, dass ein Journalist festgenommen wird, sagte Kabinettsmitglied Grant Shapps dem Radiosender LBC.

Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian begründete die Festnahme damit, dass der Reporter sich nicht als Journalist zu erkennen gegeben und seinen Presseausweis nicht freiwillig vorgezeigt habe. Der Club der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) kritisierte die Polizei wegen ihres harten Vorgehens gegen Journalisten bei den Protesten in Shanghai und Peking.

Die Proteste stehen noch ganz am Anfang

Trotz des strikten Vorgehens gegen das Virus wird das Milliardenvolk gegenwärtig wieder von einer Infektionswelle heimgesucht. Die Gesundheitskommission meldete am Montag mit rund 40.000 Neuinfektionen wieder einen Höchststand im Land. In Peking waren es knapp 3900 Fälle. Ein Fünftel der zweitgrößten Volkswirtschaft und damit Hunderte Millionen Menschen dürften landesweit von Lockdowns betroffen sein, schätzen Experten.

Viele Unternehmen stoßen an ihre Grenzen. Beschäftigte und gerade Wanderarbeiter müssen häufig schmerzhafte Lohneinbußen hinnehmen. Schon bei einzelnen Infektionen oder Verdachtsfällen werden ganze Wohnblöcke und Wohnanlagen abgeriegelt. Verärgerte Bewohner rissen in Peking und anderswo errichtete Absperrungen nieder. In der Hauptstadt sind ohnehin Geschäfte, Restaurants und Schulen geschlossen.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich glaube schon lange, dass die Null-Covid-Politik der Kommunistischen Partei Chinas zum Scheitern verurteilt ist. Der Druck in der Bevölkerung steigt wie in einem Dampfkessel und bricht sich nun erstmals Bahn.“ Die Verbindung von Corona-Protesten mit Forderungen nach Freiheit und Demokratie im Hochschulwesen habe „eine neue Qualität“.

In Politbüro und Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas könne das nur als Bedrohung des eigenen totalen Herrschaftsanspruchs gewertet werden, sagte Lambsdorff. „Man muss daher eine sehr harte Reaktion des Regimes befürchten. Die Proteste stehen noch ganz am Anfang. Es wäre naiv zu glauben, dass sie in diesem Stadium bereits zu fundamentalen Veränderungen führen könnten.“

Quelle: dpa

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Urban Will | Mo., 28. November 2022 - 14:20

Proteste berichtet wurde, weht doch auf einmal der Geist der Freiheit über China hinweg.

Stopp!
War da nicht auch mal was in diesem unserem Lande?
Gab es nicht auch hier Proteste gegen unsinnige, die Grundrechte entstellende Corona – Maßnahmen? Gegen Impflicht, etc?
Gab es nicht auch hier in Deutschland Widerstand gegen eine Politik, die viele nicht verstanden? Die jeden noch so großen Schwachsinn als notwendig verkaufte?
Und ich denke, jeder weiß noch, wie über diese Proteste berichtet wurde.
Wie man die Menschen als „Covidioten“, „Schwurbler“, etc. stigmatisierte.
Es gab Wasserwerfer und was weiß ich noch.

Es geht nicht darum, ob in China im Ggs zu D ganze Wohnbezirke, etc. abgeriegelt werden.
Es geht um eklatante Freiheitseinschränkungen, die wir auch hier im Lande hatten.

Es ist schon der Gipfel der Doppelmoral (das geht jetzt selbstverständlich nicht gg den CICERO! Ihr habt immer neutral berichtet), wie man nun diese Proteste in China, die ich sehr begrüße, begleitet.

Christa Wallau | Mo., 28. November 2022 - 14:43

Auch in Deutschland gab es eine Gruppe von Virologen und Co. , die tatsächlich eine Null-Covid-Strategie vehement vertreten haben.
Lauterbach wäre ihnen sofort nachgelaufen, wenn er damals schon Gesundheitsminister gewesen wäre.

Heute hört man nichts mehr von diesen Leuten,
die sich mit ihrem gefährlichen Unsinn ja bis auf die Knochen blamiert haben. Der angerichtete Schaden wäre noch viel größer, wenn es ihnen gelungen wäre, sich durchzusetzen.
Die tatsächlichen Schäden durch viele falsche Entscheidungen in Sachen Corona reichen ja auch wirklich dicke aus.

Ich kann den Chinesen nur wünschen, daß sie es schaffen, sich bald aus der Tyrannei der
kommunistischen Partei zu befreien - zumindest schon mal im Hinblick auf die Corona-Maßnahmen.

Ronald Lehmann | Mo., 28. November 2022 - 16:24

Weil dies ein Land ist, wo das geschriebene Wort Demokratie nicht einmal in einer dunklen Kellerwand steht gescheige eingefordert wird & fmp. CHN ideologisch-politisch gleich nach Nord-Korea kommt.

Jedenfalls wünschen ich denen ALLEN viel Mut, Ausdauer, Standhaftigkeit & Ur-Vertrauen in ihre Angelegenheit!
Möge Gott Sie beschützen & stärken.

PS:
Ich war gestern mit der Straßenbahn zum Strietzelmarkt gefahren.
Erkenntnis:
Fast 2/3 aller Fahrgäste benutzen weiterhin die Maske (egal welche Uhrzeit & wieviel Fahrgäste) um dann durch Menschenmengen ohne Maske sich im Konsumentenrausch zu frönen.

Mein Verstand bringt dies nicht auf die Reihe - Sorry!

BHZentner | Mo., 28. November 2022 - 20:07

die haben es bei ihren Protesten gegen ihr ,,Null"-Covid-Regime,mit seinen,,lock downs"u. Ausgangssperren ungleich schwerer als wir.Freie Meinungsäußerung ist in China viel gefährlicher,da die Staatsmacht dort nicht durch ein Grundgesetz u.Verfassungsgericht-wie bei uns-an Kriminalisierung, u. Gewaltanwendung gegen seine Bürger gehindert wird(man hört dort nichts von ungeimpften Volksschädlingen!).Dazu, haben sie keinen eigenen wirksamen Impfstoff wie heute im SWR berichtet,weshalb lt.diesem nochmal der segensreiche von Biontec-wie schon von Scholz bei seinem Besuch bei Xi-angeboten werden sollte. Im selben Bericht wurde beklagt,daß das Regime soz.Medien abschöpft bzw.blockiert; Berichte über Demos unterdrückt,als würde es sie nicht geben. Eben wurde noch im DLF betont, daß die digitale Überwachung in China die Repression noch wirkungsvoller macht. BuSteinmeier hat sich auch schon,wie bei seinem Volk,mäßigend eingelassen.,,Verkehrte ÖRR-Welt"! Mir Covidiot gehts einfach zu gut im N.D.

Ernst-Günther Konrad | Di., 29. November 2022 - 15:12

@ Urban Will - genau die gleichen Gedanken durchzogen meine Hirnwindungen als ich den Artikel las und mit den Überschriften und Artikeln in den Msm verglich. Sie haben völlig recht Herr Will. Bis heute werden und wurden Pandemiekritiker stigmatisiert, ausgegrenzt, übelst beschimpft und teilweise existenziell bedroht und strafrechtlich verfolgt, von den vielen Geldbußen wegen div. Verstöße gegen unsinnige und widersinnige Einzelmaßnahmen mal abgesehen, wenngleich niemand erschossen wurde. Etliche Kritiker und vor allem Wissenschaftler und alternativ berichtende Journalisten werden noch immer medial angegangen, einige mussten ins Ausland flüchten, Auftrittsverbote, Kündigung von Bankkonten/Arbeitsplatz, von den Bedrohungen und der Hetze in den asozialen Medien ganz zu schweigen. Und nun wird das Ganze im Falle China gerade umgedreht.
Jetzt wird gar ein medial ein Sturz in China für möglich gehalten. Wo sind die Lichterketten, die Binden und öffentlichen Bekundungen zur chin. Bevölkerung?