Deniz Yücel gründet neuen PEN - Die Löwen verlassen den Salon

Mit dem Bratwurstbude-Eklat ist es für alle Welt offenbar geworden: Die hehren Verteidiger der Meinungsfreiheit des PEN sind über ihre eigenen Ansprüche gestolpert. Deniz Yücel geht jetzt eigene Wege: Am kommenden Freitag bereits soll im Berliner Literaturhaus der PEN Berlin gegründet werden.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Ich liebe den P.E.N. Ich liebe ihn so sehr, dass ich sehr zufrieden bin, dass es zwei davon gibt. Es ist nur eine kleine Abwandlung eines recht berühmten Bonmots von Francoise Mauriac. Doch sie kommt einem fast automatisch in den Sinn, liest man dieser Tage von der zunächst recht unbedeutend klingenden Ankündigung, die über die Ticker einiger Nachrichtenagenturen ging. Nach dieser steht die Gründung eines neuen, eines zweiten PEN für Deutschland unmittelbar bevor. 

Nach 1934, dem Gründungsjahr des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland, sowie 1951, dem Jahr der Gründung des Deutschen PEN-Zentrums (Bundesrepublik), wäre das die Zementierung einer dritten deutschen Geistesteilung. Für diese stehen bereits 232 Autoren, Journalisten, Essayisten und sonstige Damen und Herren des freien Wortes in den Startlöchern: Von Seyran Ates über Diedrich Diederichsen bis Feridun Zaimoglu, von Patrick Bahners über Deniz Yücel bis Jan Wagner. Zusammen wollen die für Meinungsfreiheit und offenen Diskurs eintreten, für Solidarität und eine bessere Zukunft ohne Menschenhass.

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Ernst-Günther Konrad | Do., 9. Juni 2022 - 11:55

Das entspricht doch dem Deutschlandtrend. Alles spalten was geht. Alles in Frage stellen, selbst die Naturgesetze und die freie Meinung.
Ich mag Yücel nicht und halte ihn für einen üblen Ideologen und dennoch hat er das recht zu sagen was er denkt. Man muss ja seine Meinung nicht annehmen, kann dagegen argumentieren. Die Frage ist nur, welche "PEN" wird künftig freier in der Akzeptanz anderer Meinungen sein. Dürfen im neuen PEN Putinversteher und Querdenker ihre Meinung sagen? Welches PEN-Mitglied darf sein nächstes Buch bei welchem Verlag veröffentlichen?
Im Grunde ist mir das egal. Warum? Auf den Inhalt eines Buches kommt es an und nicht auf die politische Meinung des Autors. Und wenn mir eines von beiden nicht passt, brauche ich es nicht kaufen. So einfach ist die Welt, wenn man sie nicht spaltet.

Markus Michaelis | Do., 9. Juni 2022 - 12:20

Es geht auf allen Seiten viel um Solidarität, Menschlichkeit, offene Gesellschaft, Meinungsfreiheit, Demokratie, Weltoffenheit, universelle Werte usw usf

Seit einiger Zeit kann ich, je länger die Liste der hohen vertretenen Werte wird, umso weniger damit anfangen, da in meiner Wahrnehmung die Länge der Liste damit korreliert, dass man umso fester gegen alle möglichen Feindgruppen auftritt. So wie die Länge der Liste ist mir auch die Zahl der Feindgruppen zu sehr explodiert und ich blicke da nicht mehr durch.

Mein Bauchgefühl ist, dass die Welt ziemlich vielfältig und bunt ist und Vielfalt bedeutet viele Widersprüche, die sich auch nicht auflösen lassen. Das ist glaube ich eigentlich auch nicht notwendig und nicht als Endziel anzustreben, nur als Antrieb nicht stehenzubleiben. Ich arbeite an dem einen Widerspruch und weiß, dass ich damit in den nächsten falle.

Ich denke glaube ich mehr in Grenzen, weniger in weltumfassenden Wahrheiten.

Romuald Veselic | Do., 9. Juni 2022 - 12:45

wie Himmel und Hölle, bis einer die Läuterung noch dazwischen schob.

Mich freut's dass sich langsam auch die "Eliten" spalten. Ob 1, 2 oder 10 PEN-s in D gibt, ist mir persönlich so egal, wie der Unterschied zwischen Samstag u. Sonnabend.
Eigentlich an sich ein Zeugnis der immer stärkeren Divergenzen in der globalen (auch hiesigen) Gesellschaft. Bis irgendwann die "Mehrheit" sich von "Minderheit" nicht mehr gängeln lässt, sondern den Spies umdreht.

Irgendwann wird's dazu kommen, dass die Staatengemeinschaft zerfällt u. werden Interessengemeinschaften entstehen. ZB die Klimabekenner gg die Klimahäretiker. Jeder in seinem Sandkasten kann eigener Vorliebe ungehemmt frönen. Oder FKK-Jünger gg die klerikalen Neoprüderie. Hardcoresäufer gg Abstinenzler. Usw...
Oder nach mir die Sintflut.

Christoph Kuhlmann | Do., 9. Juni 2022 - 12:46

mehr was sie einmal waren. Berthold Brecht, Günter Grass oder Sartre habe ich ja noch gelesen. Bei Adorno habe ich mich immer gefragt warum er die Sache nicht zu Ende denkt. Irgendwann hat mir Niklas Luhmann mal Hannah Arendt empfohlen. Ich glaube die lese ich mal. Das ist ja das schöne an der Literatur. Sie ist zeitlos und man kann sie jederzeit aktualisieren wenn mal ein paar Jahrzehnte Dürre ist.

Karl-Heinz Weiß | Do., 9. Juni 2022 - 12:56

Dank der Neugründung schließt Deutschland wieder zur WELTliteratur auf. Selbst in einem Mitglied wie GG haben ja immer zwei Seelen in einer Brust gewohnt.
Ob man sich über diese deutsche Spaltung wie Francoise Mauriac freuen soll, steht auf einem anderen Blatt. Aber Herr Döpfner hat im Hintergrund nun ein neues Betätigungsfeld.

Jens Böhme | Sa., 11. Juni 2022 - 10:41

Welchen Bürgern, Buchkunden oder sonstwem jucken ein PEN, zwei PEN oder gar kein PEN?