- Aber bitte schnörkellos
Die Pfifferling-Saison ist in vollem Gange. Fast immer kommen die Pilze aus Osteuropa. Darf man so etwas heutzutage überhaupt kaufen? Ja, meint unser Genusskolumnist. Er rechnet mit dem ganzen Boykott-Unfug ab und serviert nebenbei einfach gebratene Pfifferlinge aus Belarus.
Wer sich sein Gespür für saisonale Lebensmittel bewahrt hat, wird derzeit frohlocken. Denn überall gibt es jetzt Pfifferlinge, sozusagen als Opener für die beginnende Pilzsaison. Wer allerdings auf regionale Produkte setzt, wird selten fündig. Denn die meisten Wildpilze unterliegen in Deutschland der „Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten“ und dürfen lediglich in geringen Mengen für den eigenen Bedarf gesammelt werden. Zwar können die jeweiligen Naturschutzbehörden Ausnahmegenehmigungen erteilen, sodass es auf regionalen Märkten manchmal auch heimische Pfifferlinge zu kaufen gibt. Doch einen relevanten Beitrag zur Befriedigung des Pilzhungers liefert das nicht. Und züchten kann man Pfifferlinge nicht.
Müssen Pilze politisch korrekt sein?
In Osteuropa ist man da weniger zimperlich. Derzeit findet man sehr oft Pilze aus Belarus und Polen. Aber „darf“ man die überhaupt kaufen? Schließlich haben wir es in Belarus mit einer brutalen Diktatur zu tun, und auch die polnische Regierung fällt seit Jahren immer wieder unangenehm durch Beschränkungen der Freiheitsrechte und Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz auf. Also vielleicht lieber boykottieren und gezielt nach Importen aus etwas „korrekteren“ Ländern wie Litauen suchen?
Boykott-Debatten begleiten mich schon seit Jahrzehnten. Mal waren in gewissen Kreisen französischer Wein und Käse tabu, weil die Regierung Atomwaffentests in Überseeprovinzen durchführte. Immer wieder gerieten Produkte aus den USA in den Fokus, etwa im Rahmen der beiden Irak-Kriege. Und eine quasi permanente Boykottkampagne gibt es gegen Israel, wegen der Siedlungspolitik (BDS; Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen). Obwohl das wegen gewisser historischer Parallelen („Kauft nicht bei Juden“) eigentlich tabu sein sollte.
Auch der Ernährungssoziologe ist ratlos
Aber wo ist die Grenze? Eine Frage, die auch der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl nicht eindeutig beantworten kann. Zweifellos sei die Regierung in Belarus, etwa im Gegensatz zu Polen, in keiner Weise demokratisch legitimiert. Aber es sei „schlichtweg ungerecht, die gesamte Bevölkerung und alle wirtschaftlichen Akteure in Kollektivhaft zu nehmen für ein diktatorisches Regime, das mit Foltermethoden regiert“, sagt Kofahl. Vielleicht helfe der Konsum von Pilzen aus dem Land „einem ehrenwerten Produzenten, womöglich unterstützt man mit dem Konsum dennoch Lukaschenko und seine Mannen“. Es bleibe „Ratlosigkeit, wie mit einer von solchen Personen regierten Nation, aber auch den in ihr lebenden Menschen gerecht umzugehen“ sei.
Doch auch Einkäufe aus „Solidarität“ haben mitunter etwas Absurdes. Auch ich war aus der Ferne Anhänger der sandinistischen Revolution in Nicaragua, mit der 1979 Diktator Somoza gestürzt wurde. Aber den linken „Kaufbefehl“ für den Kooperativen-Kaffee „Sandino Dröhnung“ habe ich systematisch verweigert, denn das Zeugs schmeckte einfach grauenvoll.
Trocken putzen, sonst droht Matsch
Zurück zu den Pfifferlingen. Ich kaufe sie jedenfalls nicht nach Herkunft, sondern nach dem optischen Eindruck und vor allem niemals in Folie verpackt. Denn da kann es gewaltig matschen und sogar schimmeln. Die Pilze sollten dottergelb und fest sein. Trockene, verfärbte oder schwammige Stielenden zeigen, dass die Pilze schon längere Zeit lagern. Und eine oberflächliche Geruchsprobe kann ebenfalls bittere Enttäuschungen verhindern.
Es folgt die schwerste Hürde vor der Zubereitung: Das aufgrund der unvermeidlichen Erd- und Sandreste notwendige sorgfältige Putzen. Die schonendste, aber aufwendige Methode ist die trockene Reinigung mit einem Pinsel. Dann schneidet man noch die Stielenden ab und entfernt mit einem kleinen, spitzen Küchenmesser braune Stellen, falls vorhanden. Leichter und etwas schneller geht es auch mit angefeuchtetem Küchenkrepp. Aber auf keinen Fall unter einem Wasserstrahl oder im Wasserbad putzen. Pfifferlinge saugen sich blitzschnell voll, werden matschig und verlieren ihr herrliches Aroma.
Einfach braten, keine Rahmsoße
Jetzt kann‘s losgehen. In der beschichteten Pfanne neutrales Pflanzenöl und Butter erhitzen und die Pfifferlinge circa drei Minuten anbraten. Dann etwas runter mit der Hitze und in Ringe geschnittene Frühlingszwiebeln dazugeben. Acht bis zehn Minuten garen lassen, mehrmals schwenken und kurz vor Schluss gehackte Petersilie dazu und mit Salz und weißem Pfeffer abschmecken. Das war‘s eigentlich schon. Varianten mit Aufgießen und einer sämig-sahnigen Soße steht die Geschmackspolizei eher kritisch gegenüber. Denn der Pfifferling ist – ähnlich wie weißer Spargel – ein äußerst feiner geschmacklicher Solitär, den man vor unziemlichen Versoßungen oder gar seiner Degradierung zu einer Beilage bewahren sollte. Dazu Kartoffelpüree. Anschließend kann man gerne darüber sinnieren, wie man denn den demokratischen Widerstand in Belarus unterstützen könnte.
Zutaten für 4 Personen
800 g Pfifferlinge
2-3 Lauchzwiebeln (mit Grün)
Pflanzenöl, Butter, Petersilie, Salz, weißer Pfeffer
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Ich liebe Kochsendungen...
Das Bild ist auch ganz toll und ich verstehe, dass man sich zum September hin gerne in Gelb kleidet.
Also wir essen unsere Pfifferlinge, die wir immer noch in Schweden leicht während unserer Wanderungen quasi nebenbei finden, nur pur...nat. mit einer Prise Salz.
Einfach lecker.
Pilze nach ihrer pc zu kaufen ist doch nur lächerlich.
Ich putze Pilze mit einem Rasierpinsel, den ich extra dafuer bestellt habe.