- „Arbeitslose, Jugendliche und Frauen sind heute einsamer“
Die britische Ökonomin Noreena Hertz über ihr Buch „Das Zeitalter der Einsamkeit“ und die Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit in Zeiten der Pandemie - und warum Regierungen gut daran täten, auf vorbeugende Maßnahmen zu setzen.
Noreena Hertz, 53, ist Honorarprofessorin am Institute for Global Prosperity des University College London. Die britische Ökonomin erfreut sich des Rufs, so schrieb einmal das US-Businessmagazin Fast Company, dass ihre „Vorhersagen seit zwei Jahrzehnten akkurat und ihrer Zeit voraus“ seien. Hertz war „Economics Editor“ des britischen Fernsehkanals ITV, sie gibt TED Talks und Keynote Speeches am „World Economic Forum“ in Davos. Der britische „Observer“ hielt Hertz 2005 für eine der wichtigsten 300 Intellektuellen im Vereinigten Königreich. In ihrem Buch „The Silent Takeover“ warnte sie 2001 vor unreguliertem Kapitalismus und den Gefahren von einflussreichen Banken auf demokratische Institutionen; „Eyes wide open“ wurde 2013 als „Anleitung zum kritischen Denken im digitalen Zeitalter“ gelobt. In ihrem jüngsten Buch „Das einsame Zeitalter”, soeben auf Deutsch erschienen, beschreibt die Londonerin die Folgen von Einsamkeit für Seele, Körper und die Wirtschaft.
Frau Hertz, Sie sagen, Einsamkeit sei schlecht fürs Geschäft. Wieso?
Während der Pandemie sind sehr viele Leute im Homeoffice gelandet. Es wird jetzt darüber diskutiert, ob das bis zu einem gewissen Grad beibehalten werden soll. Die britische Bank HSBC hat schon angekündigt, ihren Büroplatz um vierzig Prozent verkleinern zu wollen. Ich würde davor warnen. Denn im Homeoffice steigt auch die Einsamkeit. Untersuchungen haben gezeigt, dass Angestellte besser arbeiten, die zwischenmenschlichen Kontakt haben. Gemeinsame Mahlzeiten, das haben die Untersuchungen auch gezeigt, fördern die Produktivität ebenso.
Also raus aus dem Homeoffice und zurück in die Büros?
Ja, es ist für Menschen und Business besser. Firmen sollten genug Platz zur Verfügung stellen. Sie müssen nicht gleich eine ganze Kantine bezahlen, aber wenn es einen kommunikativen Raum gibt, in den man sich mit seinem Lunch hinsetzen kann, dann hilft das allen Beteiligten, besser zu arbeiten.
Einsamkeit kostet Firmen Profit. Das sollten sich vermutlich auch Regierungen zu Herzen nehmen?
Klar. Die Corona-Pandemie hat das Bewusstsein dafür geschärft, wie schädlich Einsamkeit für die Menschen ist. In Deutschland sagten schon vor der Pandemie zwei Drittel der Menschen, dass sie sich zumindest manchmal einsam fühlen. Arbeitslose, Jugendliche und Frauen sind heute einsamer als früher. Manche Regierungen in Europa – Norwegen, die Niederlande und das Vereinigte Königreich – haben jetzt sogar eigene Gelder bereitgestellt, um Einsamkeit zu bekämpfen.
Was soll denn damit passieren?
Zehn oder zwanzig Millionen Euro ist nur ein Notpflaster. Auf jeden Fall kann man die Hotlines für geistige Gesundheit besser ausstatten. Wir wissen aus Studien, dass größere Einsamkeit zu größerer Angst führt. Einsame Menschen sind depressiver. Einsame Menschen sind selbstmordgefährdeter. Einsamkeit ist aber nicht nur eine psychische Krankheit, sie kann auch physische Auswirkungen haben.
Einsamkeit kann ihre Gesundheit gefährden?
Einsame Menschen haben weitaus höhere Erkrankungen der inneren Organe. Das Risiko für Herzkrankheiten ist 29 Prozent höher, Gehirnschläge sind 32 Prozent häufiger und Demenz tritt 64 Prozent öfter bei einsamen Menschen auf. Wer länger einsam ist, stirbt früher – die Wahrscheinlichkeit liegt hier bei dreißig Prozent. Einsamkeit wirkt auf den Körper wie Rauchen, und zwar wie schweres Rauchen. Etwa fünfzehn Zigaretten pro Tag im Durchschnitt. Neuseeland hat das früh erkannt und der Finanzminister trifft Entscheidungen für das Budget nicht nur danach, was sie für das Wirtschaftswachstum bedeuten, sondern auch, ob sie Einsamkeit verringern helfen.
In Großbritannien hat die Regierung 2017 eine eigene Ministerin für Einsamkeit eingesetzt. In Boris Johnsons Regierung ist es Baroness Barron, sie ist genau genommen Unterstaatssekretärin für Zivilgesellschaft und Loneliness im Ministerium für Sport und Kultur. Was macht die Ministerin gegen Einsamkeit?
Die Ministerin für Einsamkeit hat kein großes Budget. Sie kann Kurse veranstalten lassen, in der Männer gemeinsam schnitzen oder Frauen zusammen boxen. Es gibt aber darüber hinaus viele Möglichkeiten, wie Regierungen ressortübergreifend Einsamkeit bekämpfen können. Einsamkeit hat strukturelle Ursachen. Die Regierung muss eingreifen. So wie man in den 90er-Jahren gegen die allmächtigen Tabakkonzerne vorgegangen ist. Am Anfang dachten die Leute auch, dass man gegen diese Konzerne kaum ankommen wird.
Was genau können Regierungen also tun?
Die großen Social-Media-Firmen müssen reguliert werden. Ich habe einige Jahre damit zugebracht, die wissenschaftlichen Daten auzuwerten und Jugendliche zu interviewen. Die Medien-Plattformen sind absichtlich so gestaltet, dass sie abhängig machen. Das macht uns einsamer, weil es uns von denen entfernt, mit denen wir zusammenleben. Mein Mann und ich sitzen oft nebeneinander und sind so absorbiert von unseren Feeds am Telefon, dass wir nicht mehr miteinander kommunizieren. Das kann man ändern. Man muss die Algorithmen umprogrammieren, damit Hass und Polarisierung nicht gefördert werden. Wir brauchen null Toleranz gegenüber Hate Speech. Dazu kommt, dass man sich auf den sozialen Medien oft inszeniert und sich besser darstellt, als man ist. Gerade für junge Menschen ist es oft schwer, die Online-Persönlichkeit mit der wahren Identität zu vereinen. Wer gibt schon zu, dass man abends auf dem Sofa Kekse isst?
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Frau Hertz ist Wissenschaftlerin, Professorin und und.
Sie bespricht hier ein ernstes Thema und belegt dabei Kompetenz und Sorgfalt.
Aber warum nur, darf auch in diese Beitrag irgend etwas politisch korrektes nicht fehlen???
Hate Speech. Toll! Wo ist der Zusammenhang zum Thema? Was bitte soll das?
Ein Mensch, der ernst genommen werden möchte, sollte sich derartige Ausrutscher verkneifen. Für mich ist Frau Hertz damit erledigt - keinen Gedanken mehr wert. Schade für ihr Anliegen - aber selbst schuld.
"I feel terribly sorry for those poor creatures" der HSBC, oder anderer Banker und sonstiger Großunternehmen.
Denen sowas zuzumuten...
Das Resultat ist immer das gleiche, wenn sich Wirtschaftsfachleute der kollektiven, mentalen Verfasstheit der Bevölkerung widmen.
Am Ende kommen immer unternehmens- bzw. wirtschaftsfreundliche Empfehlungen heraus.
Dass die Bekämpfung der todbringenden Corona-Pandemie signifikante Kollateralschäden verursacht, bezweifelt doch niemand.
Aber es geht nicht um ein "entweder oder...".
Die Alternative zu den Massnahmen bedeutet, stark ansteigende Todeszahlen und schwere, oft langwierige Erkrankungen nebst langanhaltenden Spätfolgen bei vielen Menschen zu akzeptieren.
Das kann kein vernünftiger Mensch wollen.
In Amerika kann man also Freunde mieten. Mit Verlaub, das ist krank. Ein globales Startup "Money for Nothing" a` la Uber schwebt mir vor.
War das nicht der Eröffnungs-Song von MTV?
Ewig her - Dire Straits!
Na klar!
01.08.1987!
https://www.youtube.com/watch?v=oIDYl-bfvw0
Ich bin ob der "Einsamkeit" von Zeitgenossen inzwischen anderer Meinung als zu Beginn des "Corona-Gedöns".
Natürlich ist das ein Hype, ein gefundenes Fressen für "die üblichen Verdächtigen".
Ich könnte jetzt seitenweise schreiben ... warum aber,?
Ein schlichtes reales Beispiel - (wie so oft).
Eine ältere Bekannte "verfiel" der Demenz, Alzheimer.
Hey ho, sie war die Inhaberin "unseres" Stammlokals.
Erklärungen würden ausufern.
Es kam täglich eine "Cariteuse" (Caritas) und ging mit ihr spazieren, redete mit ihr.
Wie man eben mit Dementen reden kann.
Eine "Cariteuse als gemietete" Freundin?
Sie war ja täglich eine Unbekannte!
Vielleicht hinkt dieser Vergleich - egal.
Noorena Hertz ist sicherlich eine kompetente Zeitgenossin.
Jedoch ist sie auch in der Lage sich medienwirksam zu präsentieren, zu "verkaufen". Why not?
FROHE OSTERN an alle "Einsamen!"