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US-Flaggen sind im Iran nicht gern gesehen / dpa

Bevorstehender Regierungswechsel in Washington - Ein kritischer Moment für den Iran

Unter Donald Trump sind die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen. Joe Biden war als Vizepräsident seinerzeit maßgeblich am Abkommen beteiligt und will Trumps Schritt rückgängig machen. Einfach dürfte das nicht werden.

Autoreninfo

Botschafter a.D. Rüdiger Lüdeking war während seiner Zeit im Auswärtigen Dienst (1980-2018) in verschiedenen Verwendungen, u.a. als stv. Beauftragter der Bundesregierung für Abrüstung und Rüstungskontrolle und Botschafter bei der OSZE, mit Fragen der Sicherheits- und Rüstungskontrollpolitik intensiv befasst.

So erreichen Sie Rüdiger Lüdeking:

Als krankhaft selbstbezogener Mensch ist Trump ein schlechter Verlierer.  Mit juristischen Winkelzügen hat er versucht, sich an der Macht zu halten. Die von ihm behaupteten Wahlfälschungen, die ihn angeblich um seinen Sieg gebracht haben, wurden von amerikanischen Gerichten bisher fast ausnahmslos als haltlos zurückgewiesen.

Zwar ist er offenbar zur Einsicht gelangt, dass sein Versuch des Klammerns an die Macht gescheitert ist. Dennoch ist weiterhin mit einem destruktiven Verhalten zu rechnen, mit dem er die Machtübergabe an Biden erschweren, sein politisches Erbe sichern und die Politik des künftigen Präsidenten in seinem Sinne präjudizieren will. Zudem ist nicht auszuschließen, dass er sich als erfolgssüchtig-narzisstischer Mensch bis zu seinem Abtritt am 20. Januar durch spektakuläre Entscheidungen und Aktionen noch um Applaus bei seiner Gefolgschaft bemühen wird. Dies verheißt nichts Gutes.

Iran ist nicht vom Tisch

Anlass zur Sorge sollte die Nachricht in der letzten Woche sein, dass Trump einen Militärschlag gegen Iran erwogen habe. Zwar sollen seine Berater ihm davon abgeraten haben, dennoch stellt sich die Frage, ob damit das Thema zu den Akten gelegt wurde.

Die Rückkehr zum Nuklearabkommen mit Iran aus dem Jahr 2015 ist ein zentrales außenpolitisches Versprechen von Biden. Hierfür dürfte sich auch der voraussichtlich nächste US-Außenminister Anthony Blinken mit Nachdruck einsetzen; er war als Vizeaußenminister während der Obama-Administration an der Aushandlung des Abkommens beteiligt. Dieses Versprechen lässt sich jedoch nicht einfach mit einem Federstrich umsetzen.

Es geht um die Verhinderung einer Eskalation

Nicht nur aufgrund der Unwägbarkeiten des Verhaltens von Trump in den letzten Wochen seiner Amtszeit handelt es sich um eine schwierige Herausforderung, bei der den europäischen Partnern Deutschland, Frankreich und Großbritannien, den Begründern der nuklearen Verhandlungen mit Iran, (unterstützt vom Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell) eine möglicherweise zentrale diplomatische Rolle zukommt.

Dabei geht es zunächst um die Verhinderung einer Eskalation und die Bewahrung des Nuklearabkommens in der verbleibenden Zeit der Trump Administration. Hierzu bedarf es nicht nur der nachhaltigen und sichtbaren Einwirkung auf relevante Kräfte in Washington und Teheran, sondern auch der Überzeugungsarbeit gegenüber den das Nuklearabkommen im Nahen Osten ablehnenden Staaten Saudi-Arabien und Israel. Dabei geht es darum, unbedachten und voreiligen Schritten in den letzten Wochen der Trump Administration nach Möglichkeit den Boden zu entziehen und einen erneuten US-Beitritt zum Nuklearabkommen vorzubereiten. Hierbei sind vor allem folgende Gesichtspunkte von Bedeutung:

Maximaler Druck ist gescheitert

•    Die von den USA verfolgte Politik des maximalen Drucks gegenüber Iran ist gescheitert. Durch die von Iran, in Reaktion auf die amerikanische Aufkündigung des Abkommens, ergriffenen Maßnahmen, ist die Möglichkeit eines Ausbruchs Irans aus dem Atomwaffensperrvertrag näher gerückt. Die regionalen Konfliktrisiken haben sich verschärft. Die sich ohnehin gegen Reformen und eine internationale Öffnung stellenden konservativen und klerikalen Kräfte des Iran könnten sich ermutigt fühlen, auf die Verfolgung eines Nuklearwaffenprogramms zu drängen. Dies wäre ein fataler Präzedenzfall sowohl für die Nichtverbreitungspolitik wie die regionale Stabilität.

•    Eine Eskalation – sei sie militärisch oder auch durch weitere wirtschaftliche Maßnahmen – dürfte kein iranisches Einlenken zur Folge haben, sondern nur den konservativ-klerikalen Kräften im Iran weiter in die Hände spielen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass im Juni 2021 im Iran Präsidentschaftswahlen sind, bei denen sich diese Kräfte aufgrund der miserablen Wirtschaftslage des Landes, die nicht zuletzt durch die von der Trump Administration verschärften Sanktionen ausgelöst wurde, gute Chancen ausrechnen. Ein Wiederbeitritt der USA zum Nuklearabkommen würde demgegenüber die moderaten Kräfte um Präsident Rohani stärken.

Amerikanischer Wiederbeitritt zum Atomabkommen

•    Für einen amerikanischen Wiederbeitritt muss Iran zu einer vollständigen Einhaltung der Bestimmungen des Abkommens zurückkehren sowie eine Rücknahme der US-amerikanischen Sanktionen von 2018 erfolgen. Für eine abgestimmte Sequenzierung und Umsetzung dieser Schritte könnte Europa eine wichtige Mittlerfunktion zufallen. Iran muss alle Bedingungen des Abkommens ohne Abstriche erfüllen und dazu auch die inzwischen produzierten überschüssigen Mengen an angereichertem Uran ausführen (die Gesamtmenge beläuft sich inzwischen auf 2,4 Tonnen, ist damit allerdings noch deutlich niedriger als der über acht Tonnen liegende Bestand vor Abschluss des Nuklearabkommens 2015).

•    Angesichts des verbleibenden engen Zeitfensters bis zu den Präsidentschaftswahlen im Iran birgt der Versuch eines „Draufsattelns“ beim Nuklearabkommen – nach Berichten in US-Medien soll auch eine Biden-Administration entsprechende Absichten hegen – erhebliche Risiken. Das Nuklearabkommen mit Iran ist das Ergebnis über 12 Jahre andauernder schwierigster diplomatischer Bemühungen. Die mit ihm erreichte Verhinderung eines iranischen Nuklearwaffenprogramms stellt einen konkreten Sicherheitsgewinn für die Region Nahost dar; zudem hat es Modellcharakter für die internationale Bekämpfung von Proliferationsgefahren.

Allen Beteiligten – auch den USA – war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Nuklearabkommens bewusst, dass damit die Besorgnisse über die hochproblematische Rolle Irans im regionalen Kontext, über das iranische Raketenprogramm ebenso wie über die prekäre Menschenrechtssituation, weiter bestehen bleiben würden. Die Begrenzung der Verhandlungen auf die Nuklearfrage entsprang der realistischen Einschätzung der Aussichten. Auch jetzt gilt ein solcher realpolitischer Ansatz. Dabei könnte die erfolgreiche Umsetzung des Nuklearabkommens das nötige Vertrauen und die Grundlage schaffen, um zu einem späteren Zeitpunkt auch in Verhandlungen zu anderen Fragen tragfähige Lösungen zu erreichen.

Es liegt in vielen Händen

•    Flankierend werden zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein. Einerseits geht es darum, Anreize für ein konstruktives Verhalten insbesondere auch seitens des iranischen „Obersten Führers“ und der konservativen Kleriker zu setzen. Hierzu könnten Maßnahmen zur Milderung der akuten Wirtschaftskrise ebenso wie Angebote zur Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Kernenergie zählen. Andererseits sollten aber auch Schritte zum Abbau von Spannungen und zur Vertrauensbildung im Nahen Osten initiiert werden; hierzu gehören beispielsweise die Förderung eines Dialogprozesses zur Erreichung eines Friedens im Jemen ebenso wie Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherheit des Schiffsverkehrs im Persischen Golf.

In mittelfristiger Perspektive bleibt es ein wünschenswertes Ziel, dass die Staaten des Nahen Ostens – trotz fortbestehender Gegensätze – einen an den Erfahrungen des KSZE/OSZE orientierten mehrschichtigen Prozess zur Zusammenarbeit und zur Gewährleistung von Sicherheit in der Region schaffen. Europa kann hier seine Expertise einbringen und Pate stehen.

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gabriele bondzio | Di., 24. November 2020 - 17:16

Der Herr Lüdeking ist bezüglich Trump auch sehr voreingenommen. Seine Meinung teile ich nicht. Siehe auch FOCUS-Kolumne von Jan Fleischhauer:
"Kaum stand Biden auf der Bühne, hat man sich Trump fast schon wieder zurückgewünscht"...hier ist meine Meinung besser begründet.
Der Zertifizierungsprozess der Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahlen ist noch längst nicht in Sack unt Tüten. Auch der der Vorsitzende der Federal Election Commission, Trey Trainor, erklärt, dass die eidesstattlichen Erklärungen (von massenweise-unabhängigen Zeugen) belegen, dass es bei den Parlamentswahlen im November zu Betrug gekommen sei.
Und das Europa Pate zur Gewährleistung von Sicherheit in der Region schaffen könnte, sehe ich auch nicht wirklich. Wie lange murksen wir schon in Afganistan rum, Herr Lüdeking?

Mir war klar, dass sich das Cicero-Forum mit allen Mitteln gegen den Aufprall in der Realität wehren würde, nach all den autosuggestiven Beschwörungen ("Für mich steht fest: Trump macht das Rennen!" etc.) im Vorfeld. Aber dass man sich so winden kann, das hat mich dann schon etwas erstaunt, um nicht zu sagen: erschüttert.
Trumps Anwälte trauen sich ja nicht einmal, vor Gericht ihre haltlosen Betrugsvorwürfe zu erheben. Das machen sie nur vor den Kameras, da es dort straffrei ist.
Ein gut gemeinter Rat an Sie: Wenn sogar Tucker Carlson (FOX) die Segel streicht und konstatiert, dass Trumps legal team auf völlig verlorenem Posten steht, dann sollten Sie sich hier nicht für das letzte Aufgebot hergeben, sondern das Leuten überlassen, die wenigstens Geld dafür bekommen, dass sie sich im Gerichtssaal und vor laufenden Kameras zum Gespött machen für einen abgehalfterten Aufschneider, der mich immer mehr an den alten Mübarek aus der Balkan-Trilogie Karl Mays erinnert...

gabriele bondzio | Mi., 25. November 2020 - 10:50

Antwort auf von Kai Hügle

aber ich sehe im Gegensatz zu ihnen auch die positiven Erfolge von Trump. Seine Arbeitsmarkt fördernden Impulse, Schaffung vieler Jobs, Kampf gegen illegale Migration, Steuerreform, Abzug US-Truppen aus vielen Regionen der Welt, Vermittlung zwischen Israel und Emiraten. Kein kriegerischer Konflikt in seiner Amtszeit.
Dieses generell auf einen Menschen herum hacken (oft aus kleinlichen Gründen) gehört nicht zu meinem Stil. Schon ein Grund (wenn ich Amerikanerin wäre) ihn gewählt zu haben.
Joel B. Pollak schrieb kürzlich: Die Unruhen der „Black Lives Matter“-Bewegung, etwa in Portland und in Kenosha, liefern einen Vorgeschmack auf Jo Bidens Amerika. Wenn die Linke ihre politischen Ziele durch Gewaltanwendung erreichen kann, wird sie dies erneut tun.“ Es bleibt zu befürchten, dass die Randalierer bald im regierungsamtlichen Auftrag unterwegs sind.

aber Trump ist noch bis zum 20.Januar Oberbefehlshaber. Rein gefühlsmäßig könnte ich mir schon vorstellen, dass er bis dahin den Iran noch angreift, mit konventionellen, bunkerbrechenden Waffen, über die nur die USA verfügen. Dann wäre jede Vereinbarung mit dem Iran irreversibel null und nichtig. Allerdings wäre das Regime noch da, dem das Volk so unwichtig ist, wie eine Fliege im Palast. Es könnte also noch eine Weihnachtsüberraschung geben, auf die möglicherweise auch sleepy Joe nicht vorbereitet ist, die er aber rechtfertigen muss.

Es wird kräftig weitergebastelt an der Legende, dass Trump um eine weitere Amtszeit betrogen wurde. Wie man sieht, teilen Fans auch auf dieser Seite des Atlantiks Trumps mittlerweile allgemein als absurd erkannte Vorwürfe.
Der Mann hat angeblich bereits 30 (!) Prozesse verloren, in denen sein "Team" den Vorwurf erhob, es sei bei der Wahl zu Manipulationen gekommen.
Zu den Aussagen des Herrn Trainor hiess es in der durchaus konservativen Zeitung US Today:
Trainor's claims of election fraud echo baseless allegations made by President Donald Trump and his campaign.
https://eu.usatoday.com/story/news/factcheck/2020/11/19/fact-check-fec-…
Die Zeitung klärt auch über die Funktion des Herrn Trainor auf:
"The FEC only oversees finances and is one of multiple federal bodies that deals with elections".
Eine erste Klage in Pennsylvania wurde vom dortigen Bundesrichter förmlich in der Luft zerissen.
Trump is finished.

Dieser Satz hat auch bei Netanjahu hohe Priorität. Pompeo, Netanjahu und der Saudi-Kronprinz waren in den letzten Tagen zusammen - niemand weiß worum es dabei wirklich ging. Alle wissen, dass es nach dem 20. Januar 2021 nicht mehr so geht wie bis dorthin. Die FEC und die Funktion von Trainor kann man googeln. Mit dem Wahlverfahren hat er nichts zu tun. Von " Beweisen " wurde immer nur vor TV-Kameras geredet ( free speech for alternative facts ! ) bei den zuständigen Gerichten sind nie welche angekommen. Mehr als 30 angestrengte Gerichtsverfahren, in mehreren Staaten, sind abgewiesen, oder mangels Beweisen eingestellt worden. In Philadelphia sogar von einem Bundesgericht. Die Hugo-Chavez-Software zum Verschwindenlassen von Wählerstimmen soll, nach Rudy Giuliani / Sidney Powell, auch Server in Frankfurt/Main benutzt haben. Wer diese, mit den vermuteten Millionen an Trump-Stimmen findet, kann eine zweistellige Millionenprämie bekommen.

Das Abkommen erlaubte Iran auf sehr kleiner Flamme weiter anzureichern - unter IAEA Überprüfung. Nachdem sie damit mindestens 15 Jahren bräuchten um nur 1 Bombe zu produzieren, würde damit ganz erheblich Zeit gewonnen. In dieser Zeit kann das Land sich im Interesse der Mehrheitsbevölkerung, die durchschnittlich viel besser gebildet ist als die arabischen Gesellschaften, ohne Sanktionen ganz erheblich weiterentwickeln - und auch das Mullah-Regime abschütteln. Unter der Knute von Sanktionen, und der Bedrohung wie sie seit Jahrzehnten besteht, wird der Iran kein " friedlicher Nachbar " in der Region, und, es entsteht auch im Inneren nicht die kritische Masse für eine wesentliche Regimeänderung. Wir sollten uns nicht einreden lassen, dass der Iran (oder Russland für Europa ) sozusagen von Natur aus, und unabänderlich, bösartig und feindselig seien. Wenn man sie aber über Jahrzehnte nur drangsaliert, dann werden sie schwer berechenbar.

Leider blendet Herr Lüdeking die Gründe vollständig aus, warum Trump dieses Nuklearabkommen aufgekündigt hat. Falls ich mich recht entsinne, hat dieses Abkommen den Iran in keinster Weise daran gehindert, seine atomare Aufrüstung unter den Augen der Weltöffentlichkeit voranzutreiben. Was das eigentliche Ziel dieses Abkommens war. Ist eine Rückkehr zu diesem Abkommen wirklich wünschenswert?

Romuald Veselic | Di., 24. November 2020 - 17:17

ich weiß es nicht, aber die D-Diplomatie, ist die schlechteste, die ich mir vorstellen kann, beginnend mit Bismarck und dem Berliner Kongress 1878, als man die Balkanfrage "löste".
Was den Iran angeht; dort gilt Scharia als Rechtsprechung (in unserem Sinne - Unrechtsprechung), und es werden jährlich ca. 1000 Leute hingerichtet. Ich verstehe ihre Nachsicht mit dem Iran nicht. Die Kleriker dort sind kein Deut besser, als die IS-Kalifat Schergen. Ronald R hatte recht gehabt - der Iran ist ein Schurkenstaat. Es gibt in EU kein anderes Land, nur D, das so viel Verständnis für das Kuttenträgerland aufbringt. Sogar Albanien zeigt dem Iran den gestreckten Mittelfinger.

Gisela Fimiani | Mi., 25. November 2020 - 12:00

Antwort auf von Romuald Veselic

Ihrem Kommentar stimme ich zu. Die überhebliche Besserwisserei, sowie die moralische Selbstüberhebung unserer politischen Klasse und deren Anhägerschaft empfinde ich als unerträglich. Herr Lüdekind besitzt offenbar ebenfalls die „Glaskugel“ und muss sich um politische Weitsicht und kühle Vernunft nicht mehr bemühen.