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Gastlose Zeiten / dpa

Mittelständler in der Coronavirus-Krise - „Plötzlich soll ich alles aufbrauchen, bevor ich Hilfe kriege“

In der Coronavirus-Krise starten die Bundesländer mit ihren Soforthilfe-Programmen für kleine und mittelständische Unternehmen. Doch was gut gemeint ist, scheint nicht zu funktionieren. Ein Hotelier aus Baden-Württemberg klagt an, es würden die Falschen unterstützt und die Richtigen geschröpft.

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

So erreichen Sie Bastian Brauns:

Herr Geiger, Sie haben ein Landhotel zwischen Stuttgart und München. Wann mussten Sie die Sonnenhalde in Bad Boll schließen?
Im Endeffekt seit Mitte März. Zu etwa 20 Prozent haben wir noch geöffnet. So versuchen wir noch die Geschäftsreisenden mitzunehmen. Das ist ja noch erlaubt.

Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Im Endeffekt haben wir seit dem 16.3. einen wirklich massiven Umsatzeinbruch, resultierend aus einer hohen Menge an Stornierungen. Also tatsächlichen Buchungen, die storniert wurden von den Kunden. Wir haben damit von Mitte März bis Ende Juni komplett zwei Monate an Einnahmen verloren. Und das allein durch Stornierungen. Ein Teil des Hotelgebäudes ist angepachtet – wir haben nun mit dem Verpächter gesprochen, ob er uns mit 3 Monatspachten entgegenkommt. Wir haben versucht, die Lohnkosten durch Kurzarbeit zu senken und den Wareneinkauf so organisiert, dass wir so wenig verbrauchen wie möglich.

Die baden-württembergische Landesregierung verspricht Soforthilfen für Betriebe wie den Ihren.
Ja, aber die Soforthilfe muss beantragt werden und die Voraussetzungen dafür sind wirr und nicht gleichberechtigt.

Eigentlich klingt die Regelung aber doch ganz übersichtlich. Solo-Selbstständige und bis zu 5 Beschäftigte bekommen für drei Monate eine Soforthilfe von 9.000 Euro, bis zu 10 Beschäftigte 15.000 Euro, bis zu 50 Beschäftigte 30.000 Euro.
Genauso habe ich das am Anfang auch gesehen. Wunderbar. Der Antrag kommt. Ich beantrage, dann ist die Sache da. Und dann kann jedem geholfen werden, egal in welcher Situation. Dann meldete sich aber mein Steuerberater. Ich sei gar nicht antragsberechtigt, weil ich ja noch liquide Mittel hätte. Da ist mir die Hutschnur geplatzt.

Dann haben Sie ein Video bei Facebook hochgeladen und sich über die Situation beklagt. Inzwischen wurde es von Tausenden geteilt.
Es ist einfach der Wahnsinn, was da über Nacht passiert ist. Das Video wurde mehr als tausendfach geteilt, hunderte Menschen haben mir geantwortet. Ich glaube, ich habe tatsächlich vielen aus der Seele gesprochen.

Jens-Michael Geiger
Jens-Michael Geiger / privat

Warum beklagen Sie sich gerade auf Facebook?
Also zuerst habe ich ja bei der IHK angerufen. Die sagten, leider sei es tatsächlich so, dass ich erst die liquiden Mitteln aufbrauchen muss. Man hat mich auf eine Passage im offiziellen Merkblatt der Regierung zu den Voraussetzungen hingewiesen. Da steht drin, dass man privates Vermögen einsetzen soll, dass man es aber bis zu einem angemessenen Betrag zurückhalten darf. Aber das versteht kein Mensch. Ja, muss ich denn erst so abgebrannt sein, dass ich überhaupt erst eine Hilfe erfahren kann? Muss es denn überhaupt so weit kommen?

Was bedeutet denn, man darf einen „angemessen Betrag zurückhalten“?
Eben. Jeder sieht angemessen völlig anders. Der eine fährt Porsche, der andere fährt einen Dacia. Warum sollte der mit dem Dacia weniger Geld zurückhalten dürfen als der mit dem Porsche? Nur weil der einen höheren Lebensstandard fährt? Das hat sehr viele gestört. Und hinzu kommt noch, dass man all das noch an Eides statt versichern muss. Da fühlen sich viele derart in einer Rechtspresse gefangen, dass sie sich lieber als nicht förderfähig einstufen, bevor sie nachher im Gefängnis landen.

Und jetzt hoffen Sie, auf anderem Wege gehört zu werden?
Klar, über Facebook erreichst du einfach wahnsinnig viel, schnell, eine Wahnsinnsmenge von Menschen. Das war aber eigentlich nicht mein Hauptziel. Ich wollte einfach mal ein Statement abschicken an meinen direkten Freundeskreis. Da sind ja viele Kollegen, Gastronomen und Selbständige drunter. Aber dass das dann so stark geteilt wurde und so eine Reichweite bekommen hat, konnte ich vorher nicht ahnen. Aber es freut mich natürlich, dass dieses Thema so weiter getragen wurde, dass es sogar die Medien erreicht.

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dieter schimanek | Mo., 30. März 2020 - 15:25

Der Mann soll zu seiner Hausbank und sich einen Kredit holen, so wurde es auch kommuniziert. Den würde er auch bekommen, da durch die KfW zu 90% abgesichert.

durch die Hausbank, könnte allerdings etwas länger dauern. Insbesondere wenn der Kredit für die laufenden Kosten und nicht für Investitionen benötigt wird

dieter schimanek | Di., 31. März 2020 - 12:09

Antwort auf von Bettina Jung

Der Unternehmer kann seine Angestellten in Kurzarbeit zum Arbeitsamt schicken, muß also keinen Lohn bezahlen. Falls es ein gesundes Unternehmen ist, wird er 6 - 8 Wochen überbrücken können. Er kann danach einen langfristigen zinslosen Kredit auch zurück bezahlen. Seine Angestellten bekommen von AA auch nur 60% vom Gehalt und müssen damit klar kommen ohne weitere Geschenke. Die staatliche Hilfe ist als Überbrückung gedacht, der Rest ist unternehmerisches Risiko.

Leider wird es auch gegenwärtig so sein, daß sich die Falschen um die staatlichen "Fleischtöpfe" scharen, während die wirklich Notleidenden Kleinunternehmer und die sonstigen Selbständigen am Rande des Existenzminimums verharren müssen.
Wer macht den die Gesetze? Na klar, die Lobbyisten für ihre Konzerne und Großunternehmen.
So lange also beispielsweise die Unionsparteien "regieren" (treffender: durch den Wirtschaftslobbyismus gesteuert werden), so lange ändert sich auch in Zukunft nichts.
Dies zu erkennen ist Aufgabe von uns Wählerinnen und Wähler - und dann daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen...

mit einem Kredit? Den muß er ja auch tilgen, irgendwann. Nur wo von denn? Wird er nach der Krise die Betten doppelt belegen müssen? Werden die Gäste dann doppelt solange einchecken? Werden die Gäste doppelt so viele Tische reservieren?
Der Mann braucht einen Zuschuß ohne Auflagen! Aber ist ja nur ein "Klein Hotelier". Der kommt schon klar. Und die Rücklagen in "Millionenhöhe" soll er erst mal aufbrauchen. Ist wie bei Hartz 4. Haben sie Rücklagen für´s Alter angespart-Pech gehabt-her damit. Andere haben nie was eingezahlt oder sonst irgend wie Ansprüche erworben. Die bekommen aber die gleichen Leistungen. Und der getunte BMW steht vor der Tür von Soziamt.

Bettina Jung | Mo., 30. März 2020 - 15:25

wie viele Mitarbeiter eine Shisha-Bar oder Döner-Bude hat. (Triggerwarnung an den Frühling)
Ernsthaft: Herr Geiger hat völlig recht. Wenn ein Unternehmen einen Monat ohne oder mit reduzierten Umsätzen nicht überleben kann, dann erfüllt er quasi den Ausschlussgrund der Soforthilfe, nämlich dass das Unternehmen vor dem 11. März noch frisch gewesen ist. Der "Selbstbehalt" oder Rückstellungen sind ebenfalls nicht definiert. Mit der heißen Nadel gestrickt, aber gut gemeint. Ähnlich wie mit den Mietzahlungen. Vielleicht fällt dem Gesetzgeber das ja noch auf. Ich vertraue darauf, dass die Nachprüfungen mit betriebswirtschaftlichem und realitätsbezogenen Sachverstand erfolgen werden.
Jedenfalls muss man hier ganz klar die Bayerische Regierung loben, von der ich weiß, dass sie die Anträge schnell bearbeitet hat

Christa Wallau | Mo., 30. März 2020 - 15:30

In einer solchen Krise darf nicht derjenige bestraft werden, der gut gewirtschaftet und Rücklagen gebildet hat, während ein anderer, der ohnehin fast pleite war, Geld nachgeworfen bekommt.

Zwar ist ein solches Verhalten Usus in der gesamten EU (Auch hier werden die Länder, die sparsam wirtschaften, immer in Haftung genommen für solche mit unsoliden Verhältnissen), aber damit wird das Prinzip keinen Deut besser. Ebenso wenig ist es richtig, daß in D
j e d e r Mensch vom Staat Leistungen erhält, der danach ruft, ohne Berücksichtigung von Fakten, die zu seiner Mittellosigkeit geführt haben und ohne Ansehen der persönlichen Integrität. Dies wirkt in hohem Maße demoralisierend und destabilisierend auf alle Bürger.

Verläßliches Haushalten (was immer mit gewissem Verzicht und Disziplin einhergeht) m u ß belohnt und darf nicht noch bestraft werden. Alles andere ist ein Hohn auf jegliche Gerechtigkeit und ein Verlachen verantwortungsbewußter Menschen.

Bernd Muhlack | Mo., 30. März 2020 - 18:06

Unsere Tochter arbeitet seit 2018 bei einem Finanzdienstleister in London.
Dieses Unternehmen vermittelt Kredite für Kleinunternehmen, Freelancer bis max. 500 tsd €.
Das funktioniert so ähnlich wie Crowdfounding.

Es gibt eine Niederlassung in Berlin und Paris, beide sind jedoch zurzeit geschlossen, bzw. operieren per Home Office; die Hauptfiliale in London übrigens auch.
Da viele Unternehmen aktuell geschlossen sind, keinen Umsatz generieren können, ist natürlich kein Investor bereit Kredite zu vergeben, sich zu beteiligen.
Man hat ja als privater Finanzdienstleister keine KfB als Bürgen, Haftenden im Rücken!

Das Unternehmen bei dem unsere Tochter arbeitet, ist in den letzten 3 Jahren stetig, fast exponentiell gewachsen.
Auf Grund Corona und Ausgangssperren, Schließungen wird es ad hoc eng.
Nein, es gibt (noch) keine hinreichenden Rücklagen.
Herr Altmaier sagte ja einmal "vollmundig" es werde kein Arbeitsplatz verloren gehen.
Für unsere Minister trifft das natürlich zu!

GLÜCKAUF!

Rob Schuberth | Di., 31. März 2020 - 19:36

Antwort auf von Bernd Muhlack

Herr Muhlack,

für das U. in dem Ihre Tochter da in GB arbeite, kommt diese C-Pandemie gerade zu einem Zeitpunkt, wie es ungünstiger kaum sein könnte.

Denn normalerweise beginnt jedes gesunde U. in dieser Phase die besagten Rücklagen zu bilden.
Das sollte auch für Startups gelten. Alles andere wäre nach betriebs- u. volkswirtschaftlichen Grundsätzen sehr leichtsinnig.

Es ist also m. E. echtes Pech u. gegen Pech kann man nicht vorsorgen.

Ich drücke Ihrer Tochter feste beide Daumen, dass es nicht sooo schlimm werden wird.

Herr Heil hat deutlich gesagt, dass es Arbeitsplatzverluste geben wird. Er will sie nur so gering wie möglich halten.

Und es ist die KfW (nicht KfB) die als Bürge agiert.

Rob Schuberth | Mo., 30. März 2020 - 19:43

Es wurde bislang zwar nur selten so gesagt (im ÖRR kam es vor) aber es stimmt.

Insolvenzen sind für eine Marktwirtschaft etwas ganz normales. Sie sollten nicht verteufelt oder negiert werden.

Sie dienen gerade auch der Marktbereinigung.
Denn nur gesunde Unternehmen soll(t)en (über-)leben.

Diese Pandemie wird quasi die Spreu vom Weizen trennen.

überholt ist, oder schlecht bzw. "falsch" agiert wurde, ist eine Insolvenz gerechtfertigt.
Aber wenn der "Laden" den Bach runter geht (Restaurant, Catering (hieß früher so schön: Partyservice) wg. der aktuellen Situation und unverschuldet, dann muß da geholfen werden! Hat Nichts mit: "Spreu vom Weizen trennen." zu tun.
Mich regt mehr auf, dass der Staat (also wir) hingeht, und auf Kosten des Steuerzahlers Urlauber "heim holt"! Kostet ja nur schlappe 50 Millionen €! Wie kann man denn auch noch nach Marokko, DomRep etc. fliegen?

Wenn den kranken, kaputten Unternehmen Geld in den Rachen geworfen wird, wie es jetzt im Augenblick geschieht, ist das völlig verfehlt.

Die Zombies sterben lassen wäre mehr als angemessen, eine umfassende Martbereinigung ist IMHO besser als das künstliche beatmen der nicht lebensfähigen Unternehmen. Da ist es nicht schade drum...

Susanne Mair | Di., 31. März 2020 - 15:03

bester Herr Geiger.
Tja, so ist das bei öffentlichen Hilfen: Sie setzen dann ein,wenn die Menschen es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen. Und zwar ganz egal, ob sie vorher sparsam gelebt haben oder ihr Geld verpulvert haben.

Warum, bitte, sollte man einem Unternehmen helfen, das noch liquide ist? Haben Sie wirklich so gut gewirtschaftet, wenn Sie nach zwei Wochen bereits bettelnd die Hand aufhalten müssen? Oder glaube Sie, dass es eine eine Art Rechtsanspruch auf Gewinne gibt - ohne Risiko?