- „Es geht uns nicht ums Naturschutzrecht“
Damit Tesla im brandenburgischen Grünheide sein erstes Werk in Europa bauen kann, musste ein Wald gerodet werden. Dagegen hatte die Grüne Liga geklagt. Ohne Erfolg. Dabei geht es dem Verein gar nicht um Naturschutz. Aber wozu dann der Aufstand?
Hans-Herwig Mascher ist Landesvorsitzender der Grünen Liga in Brandenburg. Bei dem Verein handelt es sich um einen bundesweit agierenden Umweltverband, das als „Netzwerk ökologischer Bewegungen“ in der DDR gegründet wurde.
Herr Mascher, dass das Silicon Valley nach Brandenburg kommt, polarisiert. Manche in Grünheide haben das Gefühl, sie seien von der Politik hintergangen worden. Was motiviert Sie, sich in der Sache zu engagieren?
Ich habe Ähnliches in meiner Kindheit erlebt. Da erschienen eines Abends Funktionäre im Gemeinderat und teilten mit, dass mitten durch mein Heimatdorf die heutige A24 gelegt werden wird. Einem Gemeindevertreter fiel zum Glück auf, dass mein damals gerade errichtetes Elternhaus im Weg war – die Trasse wurde etwas verlegt, und das war es dann schon an Information und Mitsprache, bevor mit dem Schaffen von Tatsachen begonnen wurde.
Der Ort wurde regelrecht überfahren. Da lobe ich mir heutige bundesrepublikanische Planungsstandards. Aber natürlich schockiert es erstmal, wenn einem Ort derart gravierende Veränderungen angekündigt werden. Hier hat ein Investor mit dem Finger hingezeigt, und sofort begann eine Riesenmaschine zu arbeiten: Medien, Politiker, Planer… Und man wusste vorher von nichts und fühlt sich erst einmal hilflos. Diese Empfindungen vieler Grünheider kann ich voll nachempfinden.
Sie haben mit einer Klage beim Verwaltungsgericht interveniert, die jetzt abgelehnt worden ist. Was hatten Sie sich von dem Rodungsstopp erhofft? Eine Aussetzung hätte ja nicht bewirkt, dass die Diskussion „Tesla“ vom Tisch gewesen wäre…
Es ging uns nicht um eine naturschutzrechtliche Frage, sondern um eine umfassendere: Darf zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht einmal alle Stellungnahmen von Bürgern, Behörden und Verbänden vorliegen und die später im Genehmigungsverfahren zu lösenden Probleme noch nicht vollumfänglich bekannt sein können, schon mit der Durchführung von Arbeiten mit irreversiblen Folgen wie einer Rodung begonnen werden?
Was meinen Sie mit irreversiblen Folgen?
Ein neu gepflanzter Forst braucht Jahrzehnte zum Aufwachsen! Das Gericht hat meine Frage bejaht mit einer Begründung, die den Behörden hellseherische Fähigkeiten zuschreibt. So etwas hatten wir nicht erwartet, denn man könnte auf solche Beteiligungsverfahren ja generell verzichten, wenn die Behörde eh schon allwissend ist.
Finden Sie nicht, dass diese Sonderbehandlung ein fairer Handel ist? Immerhin schreibt Tesla den Klimaschutz groß, und das Unternehmen will in Brandenburg bis zu 8000 Arbeitsplätze schaffen?
Ich sehe hier viel eher einen für den Umweltschutz und im Grunde auch für unsere Demokratie gefährlichen Präzedenzfall. Wenn Tesla das Werk gegen alle Bedenken wirklich in nicht einmal zwei Jahren von Ankündigung bis Eröffnung fertiggestellt bekommt, werden das große Staunen und das Fragen danach beginnen, warum denn so etwas plötzlich möglich ist.
Dann wird man feststellen, dass Tesla von den Behörden sehr viele Zugeständnisse bekommen haben wird, die anderen Investoren nicht gemacht wurden, vom einfachen Bürger gar nicht zu reden. Und dann werden sich weitere Investoren, auch solche mit wenig edlen Zielen, darauf berufen können und vielleicht sogar vor Gericht Recht bekommen – wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung. Die Genehmigungsverfahren sind aber nicht Selbstzweck, sondern sollen einen Konsens stiften zwischen den Belangen der Wirtschaft, der Umwelt und der betroffenen Bürger.
Was befürchten Sie?
Wer diese Verfahren zur Formalie verkommen lässt, schürt also Neid und Misstrauen – in einer Gesellschaft, in der jetzt schon viel zu viele Ressentiments und Verschwörungstheorien umgehen. Ich habe in den vergangenen Tagen eine Zuschrift bekommen, in der uns Unterstützung „im Kampf gegen diesen amerikanischen Irren“ angeboten wurde – da fühlte sich ein Reichsbürger mal wieder in seinen kruden Ansichten bestätigt. Ein Einzelfall, aber wer weiß, was uns aus dieser Ecke noch erwartet?
Also werfen Sie den Behörden mangelndes Umwelt- und Gesellschaftsbewusstsein zugunsten der Wirtschaft vor?
Man hat Tesla Vorteile gegeben: wir machen nur zwei Wochen lang Untersuchungen und rechnen diese dann hoch. Das ist ja schon heikel, aber darüber könnte man noch hinwegsehen. Aber die zweite Sonderbehandlung – noch nicht einmal abwarten bis alle Einwände da sind und schon Fakten schaffen – das war das Problem, was uns zur Klage veranlasst hat. Das war nichts Naturschutzrechtliches in dem Sinne, sondern die Frage: Arbeitet die Verwaltung hier richtig. Vielleicht hat man ja jetzt auch einen kleinen Warnschuss gehört, dass man da jetzt nicht zu voreilig abnickt und zu schnell über die Dinge hinweg sieht.
Was erwarten Sie jetzt von der Politik? Was von Tesla?
Ich erwarte von der Politik mehr Behutsamkeit und ein Eingehen auf die Befürchtungen und Ängste Betroffener sowie ein rechtlich und fachlich sauberes Prüf- und Genehmigungsverfahren für alle im Zusammenhang mit dem Tesla-Werk in Zusammenhang stehenden Bedenken und offenen Fragen. Weniger zeitlicher Druck von Seiten Teslas würde dem Ganzen unbedingt guttun.
Sie haben für die Klage auch intern sehr heftige Kritik bekommen, weil Sie die Klage ohne Absprache mit den anderen Vereinsmitgliedern eingereicht haben. War das wirklich der Grund?
Ein länger anhaltender Rodungsstopp hätte ja im Zweifelsfall auch Umweltschützern, die grundsätzlich gegen Tesla sind, in die Hände gespielt. In der Grünen Liga gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, ob Elektromobilität wirklich eine Alternative zu herkömmlichen Fahrzeugen ist. Eine Mehrheit sieht das vermutlich allenfalls als eine Brückentechnologie für die Zeit, bis der ÖPNV so gut ausgebaut ist, dass es kaum noch Autos braucht. Tesla mit seinen Öko-SUVs“ ist nochmal ein Thema für sich. Eine Beschlusslage pro oder contra haben wir nicht. Vor Gericht gingen wir der Gesetzesauslegung wegen, nicht weil gerade Tesla Begünstigter war. Das ist das Eine.
Und das Andere?
Das Andere ist, dass hier ein Beschluss schnell gefasst werden musste und, bedingt durch die Erkrankung unseres Geschäftsführers gerade am entscheidenden Tag, die Kommunikation nach innen und außen alles andere als optimal war. Grundsätzlich muss dem Vorstand aber zugestanden werden, dass er auch schnelle Entscheidungen treffen können muss, ohne zuvor alle Mitglieder fragen zu können. Da muss Vertrauen da sein. Dieses ist jetzt erschüttert, und wir müssen als Vorstand überlegen, wie wir diesen Konflikt beilegen können. Es wird eine außerordentliche Mitgliederversammlung mit Neuwahl des Vorstandes geben. Ich möchte jedoch anfügen, dass es auch Zustimmung von Mitgliedern und Mitgliedsgruppen zum Vorgehen gab, ebenso Neueintritte und Spendenangebote. Der Riss geht mitten durch die Liga.
Bis zum 5. März kann jeder Bürger, Verein oder Behörde Anregungen und Bedenken einbringen. Steht für Sie ein weiteres Vorgehen auf dem Plan?
Wir werden uns im Rahmen unserer Möglichkeiten natürlich weiter an diesem Verfahren beteiligen. Das ist unser gutes Recht und auch unsere Pflicht als anerkannter Naturschutzverband, also als Wahrer der Belange der Flora und Fauna.
Wie schätzen Sie die Erfolgschance der andauernden Proteste ein?
Es ist schade, dass durch die Einmischung externer Akteure wenig erkennbar ist, wie breit die Protesthaltung in Grünheide wirklich ist. Da sich AfD-Anhänger blicken ließen, halten sich etliche Menschen fern, die sonst teilnehmen würden. Aussagefähiger wird die Teilnahme an den Beteiligungs- und Erörterungsverfahren sein, denn dann wird es konkret, und es wird auch erkennbar, wer sich über die Protestszene hinaus kritisch positioniert und mit welchen Argumenten.
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"Wenn Tesla das Werk gegen alle Bedenken wirklich in nicht einmal zwei Jahren von Ankündigung bis Eröffnung fertiggestellt bekommt, werden das große Staunen und das Fragen danach beginnen, warum denn so etwas plötzlich möglich ist."
Dann warten Sie ab Hr. Mascher, und fragen Sie dann die dort 8000 Beschäftigten, wie diese Arbeitnehmer, Ihre argumentative (Un)-Logik betrachten werden.
Wie viele Jahre wären sonst angebracht? Und: Wieviel Hektar Wald wird dadurch geopfert?
Sein Argument: Außenstehende Gutachter wurden da hineingezogen.
Innenstehende Gutachter weisen mehr Kompetenz auf? Wodurch?
Ich glaube nicht, dass Hr. Mascher autorisiert ist, für die breite Masse der Beschäftigten zu reden. Aus meiner Sicht sind obskure Vereine, wie Grüne Liga, die sich wichtig machen, und wollen dieses Land zurück zu feudalen Landwirtschaft zu führen. Was mich wundert, dass die Grüne-Liga-Leute nicht zuerst ihre Thesen, an sich selbst testen würden.
Es ist in der Tat erstaunlich, in welcher Geschwindigkeit der Projekt durchgezogen wird bzw. wurde. Wenn ich die Jahrzehnte bedenke, die bis zum Anschluss der A33 von Halle bis Bielefeld vergangen sind, ist das eine Rekordzeit, vor der auch chinesische Bauzeiten wie Schneckentempo erscheinen. Welch großer politische Druck muss in Grünheide geherrscht haben!
Das wird uns sicher noch länger beschäftigen. Wer kontrolliert dieses Subventionsmodell und stellt dies auch nach außen dar?
Es ist von Anfang an kein Modell für Umwelt- und Ressourcenschutz. Angefangen mit der Rodung des Kiefernwaldes bis hin zum späteren E-Mobil und die dafür eingesetzten Materialien.
Die Region erhält nun Arbeitsplätze, die am Ende aber aus Steuermitteln subventioniert sein werden, einschließlich des Ladestroms aus der Steckdose!!
Subventionen? Auf jeden Fall!!!!
Arbeitsplätze? War oder ist hier nicht von "polnischen Sprachkenntnissen" die Rede?
...sind Alimentierung unternehmerischen Versagens!"
(Dr. Markus Krall in einem Vortrag) Und er hat Recht!
...heißt das Zauberwort. Der gesetzliche Weg ist genau festgeschrieben. Wieso sollte Tesla sich nicht daran zu halten haben? Sonderbehandlung...geht's noch?
Bin aber im Zweifel , ob jemand wie Mascher, der richtige Mann ist, juristisch den richtigen Punkt zu finden, wo Einhaken erfolgversprechend ist. Die Meinung, die er hinsichtlich seines Alleinganges als Vorstand der Grünen Liga vertritt, prädestiniert ihn nicht gerade dazu: "Grundsätzlich muss dem Vorstand aber zugestanden werden, dass er auch schnelle Entscheidungen treffen können muss, ohne zuvor alle Mitglieder fragen zu können. Da muss Vertrauen da sein."
Vertrauen? Da müssen Vereinbarungen, Satzungen da sein.
Nicht einmal die Grünen reden von Wald sondern von Kiefernplantage. Das Gelände ist auch schon lange für industrielle Nutzung vorgesehen das müsste doch allen die sich mit dieser Sache beschäftigen bekannt sein.Tesla hat sich dieses Areal nicht gekrallt sondern Brandenburg hat es angeboten weil das Land Arbeit für seine Bürger braucht.Offenbar haben sich einige Leute schon an dass Tempo beim BER gewöhnt und sind nun schockiert weil die Teslafabrik schon bald stehen soll.
ist das Zauberwort amerikanischer Manager. Und "time is money".
Mit Umständlichkeitskrämern machen die kurzen Prozess.
Ich hoffe, dass diese Art zu handeln unsere umständliche Bürokratie zum Einsturz bringt und uns als gutes Beispiel dienen kann.
Die Ausrede des Vorsitzenden, er habe Ad hoc die Klage entscheiden müssen ist doch Unsinn. Das Bauvorhaben und seine tatsächlichen Gegebenheiten, Genehmigungsverfahren usw., öffentliche Diskussionen, waren ja keine Stundenangelegenheiten. Ein Verein verfügt eigentlich über Möglichkeiten, in Ruhe und mit Bedacht verschiedene Szenarien zu entwickeln und ihre Handlungsoptionen abzuwägen und auch jursitisch vorzudenken. Auch wenn es ein Eilantrag war, der Sachverhalt ansich war doch schon Monate vorher auch sicher bei der grünen Liga Gespräch.
Wenn ich die Aussagen des Herrn Maschner lese, ging es ihm vor allem um formale Aspekte zur Anhörung von Beteiligten im Verfahren und Zusagen, noch bevor alle angehört wurden.
Wenn das der schwergewichtigste Grund war, hätte er zu jeder Zeit mittels Feststellungsklage ohne Eilantrag auch nachträglich klagen können.
So aber hat er seinen eigenen Verein gespalten. Ein hoher Preis dafür, nur um Formalien einzuklagen.
Ich nehme ihm das deshalb nicht ab.
Die drei Plagen Verbandsklagerecht, Nichtregierungsorganisationen und Bürgerinitiativen nach dem St.Florians-Prinzip sind endlich einmal eingehegt worden.
Dies und auch das Scheuersche Beschleunigungsgesetz (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz) lassen hoffen, dass hier ein Pendel das schon viel zu lange über den Anschlag hinaus zu einer einzigen Verhinderungsorgie führte, wieder in einen gesunden Bereich hinein abgebremst wird.
Gestern war auf HR online zulesen, das der Bundesfinanzhof "ATTAC" die Gemeinnützigkeit abgesprochen hat. Dort herrscht Panik, da fließen keine Gelder mehr und Spendenquittungen gibt es dann auch nicht mehr. Attac will weiter klagen beim Bundesverfassungsgericht. Noch haben sie ja finanziellen Rückhalt von Parteien, Stiftungen und "Gönnern".